schreiber, die weniger den Trieb nach Wahrheit, als nach dem Außerordentlichen zu befriedigen gesucht haben.
Ferner! Wie hören, wie lesen diese wollüstigen Genießer? Wahrlich nicht wie ein Goguet oder Win- kelmann! Was ihre Einbildungskraft spannt, was ihr Herz rührt, das drückt sich ihrem Gedächtnisse ein: von dem Ueberflüßigen zu diesem Ver- gnügen bewahren sie nur so viel auf, um die Begebenheit gelegentlich von andern ähnlichen aus- zuscheiden.
Auf diese superficielle Kenntniß von dem Zufälli- gen einer Begebenheit, das heißt: von demjenigen, was diese von Vorfällen, die täglich wieder kommen können, unterscheidet, ist nun die Verbindlichkeit des Künstlers gegründet, nichts darzustellen, was dieser widerspricht, was die Wiedererkennung erschweret: Kurz, die Verpflichtung, das Uebliche zu beob- achten.
Das Uebliche heißt also nichts weiter, als:Festsetzung des Begriffs den man mit dem Worte: das Uebliche, il Costume, verbinden müsse. die Andeutung solcher zufälligen Unterschei- dungszeichen, die nach denen unter der Classe von Menschen, die auf den Genuß der Künste berechtiget ist, geläufigen Begriffen dazu die- nen, eine Begebenheit, die mit allen Menschen, zu jeder Zeit, an allen Orten interessiren würde, bestimmten Personen, die zu einer gewissen Zeit an gewissen Orten gelebt haben, beizu- legen.
Das
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Pallaſt Boccapaduli.
ſchreiber, die weniger den Trieb nach Wahrheit, als nach dem Außerordentlichen zu befriedigen geſucht haben.
Ferner! Wie hoͤren, wie leſen dieſe wolluͤſtigen Genießer? Wahrlich nicht wie ein Goguet oder Win- kelmann! Was ihre Einbildungskraft ſpannt, was ihr Herz ruͤhrt, das druͤckt ſich ihrem Gedaͤchtniſſe ein: von dem Ueberfluͤßigen zu dieſem Ver- gnuͤgen bewahren ſie nur ſo viel auf, um die Begebenheit gelegentlich von andern aͤhnlichen aus- zuſcheiden.
Auf dieſe ſuperficielle Kenntniß von dem Zufaͤlli- gen einer Begebenheit, das heißt: von demjenigen, was dieſe von Vorfaͤllen, die taͤglich wieder kommen koͤnnen, unterſcheidet, iſt nun die Verbindlichkeit des Kuͤnſtlers gegruͤndet, nichts darzuſtellen, was dieſer widerſpricht, was die Wiedererkennung erſchweret: Kurz, die Verpflichtung, das Uebliche zu beob- achten.
Das Uebliche heißt alſo nichts weiter, als:Feſtſetzung des Begriffs den man mit dem Worte: das Uebliche, il Coſtume, verbinden muͤſſe. die Andeutung ſolcher zufaͤlligen Unterſchei- dungszeichen, die nach denen unter der Claſſe von Menſchen, die auf den Genuß der Kuͤnſte berechtiget iſt, gelaͤufigen Begriffen dazu die- nen, eine Begebenheit, die mit allen Menſchen, zu jeder Zeit, an allen Orten intereſſiren wuͤrde, beſtimmten Perſonen, die zu einer gewiſſen Zeit an gewiſſen Orten gelebt haben, beizu- legen.
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Pallaſt Boccapaduli.
ſchreiber, die weniger den Trieb nach Wahrheit,
als nach dem Außerordentlichen zu befriedigen geſucht
haben.
Ferner! Wie hoͤren, wie leſen dieſe wolluͤſtigen
Genießer? Wahrlich nicht wie ein Goguet oder Win-
kelmann! Was ihre Einbildungskraft ſpannt, was
ihr Herz ruͤhrt, das druͤckt ſich ihrem Gedaͤchtniſſe
ein: von dem Ueberfluͤßigen zu dieſem Ver-
gnuͤgen bewahren ſie nur ſo viel auf, um die
Begebenheit gelegentlich von andern aͤhnlichen aus-
zuſcheiden.
Auf dieſe ſuperficielle Kenntniß von dem Zufaͤlli-
gen einer Begebenheit, das heißt: von demjenigen,
was dieſe von Vorfaͤllen, die taͤglich wieder kommen
koͤnnen, unterſcheidet, iſt nun die Verbindlichkeit des
Kuͤnſtlers gegruͤndet, nichts darzuſtellen, was dieſer
widerſpricht, was die Wiedererkennung erſchweret:
Kurz, die Verpflichtung, das Uebliche zu beob-
achten.
Das Uebliche heißt alſo nichts weiter, als:
die Andeutung ſolcher zufaͤlligen Unterſchei-
dungszeichen, die nach denen unter der Claſſe
von Menſchen, die auf den Genuß der Kuͤnſte
berechtiget iſt, gelaͤufigen Begriffen dazu die-
nen, eine Begebenheit, die mit allen Menſchen,
zu jeder Zeit, an allen Orten intereſſiren wuͤrde,
beſtimmten Perſonen, die zu einer gewiſſen
Zeit an gewiſſen Orten gelebt haben, beizu-
legen.
Feſtſetzung
des Begriffs
den man mit
dem Worte:
das Uebliche,
il Coſtume,
verbinden
muͤſſe.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/241>, abgerufen am 16.02.2025.
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