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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Boccapaduli.
scheinlich während der Lebenszeit eines jeden Menschen
zu: Dieser ist entweder Augenzeuge desselben, oder
er erhält doch von seinen Zeitgenossen eine so vollstän-
dige Erkenntniß von dem Eigenen und Besonderen
in Minen und Stellungen der dabei interessirten
Personen, daß er die Darstellung desselben bei dem
ersten Anblick wird erkennen können. Allein die
Seltenheit des Auftritts macht ihn begierig die Ver-
anlassung, die Folgen, sogar die Nahmen der Ak-
teurs zu wissen, und die Versagung dieses Wunsches
ist für ihn würkliche Schmählerung seines Ver-
gnügens.

Ausserdem wird der Antheil, den ich an einer an
sich interessanten Situation nehme, dadurch erhöhet,
daß ich solche Personen in dieselbe versetzt sehe, die
vorhero schon einen Anspruch auf meine Aufmerksam-
keit hatten. Ja! mit dem Anblick ihrer gegenwär-
tigen Lage erinnere ich mich aller Vorfälle ihres Le-
bens die vorher und nachgegangen sind.

Das Interesse an denen im Bilde dargestellten
Personen dehnt sich durch die Erinnerung auf alle
die verwandten Künste aus, die sich mit Darstellung
ihrer Begebenheiten beschäfftiget haben. Ich sehe
nicht den Aeneas von der Dido fliehen, ohne an das
vierte Buch der Aeneide, nicht den sterbenden Ger-
manicus, ohne an die Rede desselben beim Tacitus
zu denken. Diese Verstärkung des Vergnügens
durch die Vermählung der Ideen, scheint es dem
Künstler zum Gesetz gemacht zu haben, beinahe
immer bestimmten Personen aus der Fabel und Ge-
schichte, einen an sich verständlichen Ausdruck allge-
mein bekannter Empfindungen beizulegen.

Die
Zweiter Theil. P

Pallaſt Boccapaduli.
ſcheinlich waͤhrend der Lebenszeit eines jeden Menſchen
zu: Dieſer iſt entweder Augenzeuge deſſelben, oder
er erhaͤlt doch von ſeinen Zeitgenoſſen eine ſo vollſtaͤn-
dige Erkenntniß von dem Eigenen und Beſonderen
in Minen und Stellungen der dabei intereſſirten
Perſonen, daß er die Darſtellung deſſelben bei dem
erſten Anblick wird erkennen koͤnnen. Allein die
Seltenheit des Auftritts macht ihn begierig die Ver-
anlaſſung, die Folgen, ſogar die Nahmen der Ak-
teurs zu wiſſen, und die Verſagung dieſes Wunſches
iſt fuͤr ihn wuͤrkliche Schmaͤhlerung ſeines Ver-
gnuͤgens.

Auſſerdem wird der Antheil, den ich an einer an
ſich intereſſanten Situation nehme, dadurch erhoͤhet,
daß ich ſolche Perſonen in dieſelbe verſetzt ſehe, die
vorhero ſchon einen Anſpruch auf meine Aufmerkſam-
keit hatten. Ja! mit dem Anblick ihrer gegenwaͤr-
tigen Lage erinnere ich mich aller Vorfaͤlle ihres Le-
bens die vorher und nachgegangen ſind.

Das Intereſſe an denen im Bilde dargeſtellten
Perſonen dehnt ſich durch die Erinnerung auf alle
die verwandten Kuͤnſte aus, die ſich mit Darſtellung
ihrer Begebenheiten beſchaͤfftiget haben. Ich ſehe
nicht den Aeneas von der Dido fliehen, ohne an das
vierte Buch der Aeneide, nicht den ſterbenden Ger-
manicus, ohne an die Rede deſſelben beim Tacitus
zu denken. Dieſe Verſtaͤrkung des Vergnuͤgens
durch die Vermaͤhlung der Ideen, ſcheint es dem
Kuͤnſtler zum Geſetz gemacht zu haben, beinahe
immer beſtimmten Perſonen aus der Fabel und Ge-
ſchichte, einen an ſich verſtaͤndlichen Ausdruck allge-
mein bekannter Empfindungen beizulegen.

Die
Zweiter Theil. P
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[225/0239] Pallaſt Boccapaduli. ſcheinlich waͤhrend der Lebenszeit eines jeden Menſchen zu: Dieſer iſt entweder Augenzeuge deſſelben, oder er erhaͤlt doch von ſeinen Zeitgenoſſen eine ſo vollſtaͤn- dige Erkenntniß von dem Eigenen und Beſonderen in Minen und Stellungen der dabei intereſſirten Perſonen, daß er die Darſtellung deſſelben bei dem erſten Anblick wird erkennen koͤnnen. Allein die Seltenheit des Auftritts macht ihn begierig die Ver- anlaſſung, die Folgen, ſogar die Nahmen der Ak- teurs zu wiſſen, und die Verſagung dieſes Wunſches iſt fuͤr ihn wuͤrkliche Schmaͤhlerung ſeines Ver- gnuͤgens. Auſſerdem wird der Antheil, den ich an einer an ſich intereſſanten Situation nehme, dadurch erhoͤhet, daß ich ſolche Perſonen in dieſelbe verſetzt ſehe, die vorhero ſchon einen Anſpruch auf meine Aufmerkſam- keit hatten. Ja! mit dem Anblick ihrer gegenwaͤr- tigen Lage erinnere ich mich aller Vorfaͤlle ihres Le- bens die vorher und nachgegangen ſind. Das Intereſſe an denen im Bilde dargeſtellten Perſonen dehnt ſich durch die Erinnerung auf alle die verwandten Kuͤnſte aus, die ſich mit Darſtellung ihrer Begebenheiten beſchaͤfftiget haben. Ich ſehe nicht den Aeneas von der Dido fliehen, ohne an das vierte Buch der Aeneide, nicht den ſterbenden Ger- manicus, ohne an die Rede deſſelben beim Tacitus zu denken. Dieſe Verſtaͤrkung des Vergnuͤgens durch die Vermaͤhlung der Ideen, ſcheint es dem Kuͤnſtler zum Geſetz gemacht zu haben, beinahe immer beſtimmten Perſonen aus der Fabel und Ge- ſchichte, einen an ſich verſtaͤndlichen Ausdruck allge- mein bekannter Empfindungen beizulegen. Die Zweiter Theil. P

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/239>, abgerufen am 21.11.2024.