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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Colonna.
Abwechselung liebt, so ist das Helle mit dem Dun-
keln in Contrast gebracht: Weil das Auge Ordnung
liebt, so ist das Helle und Dunkle nicht zerstreuet,
sondern in leicht abzusondernde größere Massen ge-
bracht: Weil aber das Auge auch Uebereinstimmung
liebt, und das Abstechende, Schneidende haßt, so
sind die Uebergänge vom Hellen zum Dunkeln leicht,
allmählig fortschreitend; und dies letzte Geheimniß
hat er noch mehr der Auswahl durch sich selbst hervor-
stechender und zurückweichender Farben, als der Lei-
tung des Lichts zu verdanken. Correggio ist aber
auch darum doppelt groß im Helldunkeln, weil er
zu gleicher Zeit im Colorit der Natur treuer geblieben
ist, als alle andere Meister, die einer ähnlichen Wür-
kung nachgestrebt haben. Ganz wahr ist er nicht
gewesen, immer hat die Rücksicht auf die Würkung,
welche die Tinte als helle oder dunkle Partie für das
Ganze hervorbringen würde, die Rücksicht auf örtliche
Wahrheit im Einzelnen, um etwas geschwächt.
Aber es frägt sich noch: ob bei weitläuftigeren Com-
positionen die Wahrheit der Färbung im Einzelnen,
mit der Wahrheit der Färbung im Ganzen bestehen
könne?

Ich wünschte Zeit zu haben, auseinanderzusetzen,Zweifel: ob
man in grös-
seren Compo-
sitionen ein
ganz wahres
Colorit beibe-
halten könne?

warum ich nicht glaube, daß es für sterbliche Künst-
ler möglich sey, ein ganz wahres Colorit mit einem
sehr guten Helldunkeln, in einem Gemählde das
mehrere Figuren enthält, zu verbinden: warum dies,
außer in einzelnen Figuren, für Ton, Harmonie,
Haltung und Luftperspektiv mit vielen Gefahren ver-
knüpft sey: warum endlich Correggio, um Correg-
gio zu seyn, nicht wie Giorgione, Tizian, Vandyck

und
G 3

Pallaſt Colonna.
Abwechſelung liebt, ſo iſt das Helle mit dem Dun-
keln in Contraſt gebracht: Weil das Auge Ordnung
liebt, ſo iſt das Helle und Dunkle nicht zerſtreuet,
ſondern in leicht abzuſondernde groͤßere Maſſen ge-
bracht: Weil aber das Auge auch Uebereinſtimmung
liebt, und das Abſtechende, Schneidende haßt, ſo
ſind die Uebergaͤnge vom Hellen zum Dunkeln leicht,
allmaͤhlig fortſchreitend; und dies letzte Geheimniß
hat er noch mehr der Auswahl durch ſich ſelbſt hervor-
ſtechender und zuruͤckweichender Farben, als der Lei-
tung des Lichts zu verdanken. Correggio iſt aber
auch darum doppelt groß im Helldunkeln, weil er
zu gleicher Zeit im Colorit der Natur treuer geblieben
iſt, als alle andere Meiſter, die einer aͤhnlichen Wuͤr-
kung nachgeſtrebt haben. Ganz wahr iſt er nicht
geweſen, immer hat die Ruͤckſicht auf die Wuͤrkung,
welche die Tinte als helle oder dunkle Partie fuͤr das
Ganze hervorbringen wuͤrde, die Ruͤckſicht auf oͤrtliche
Wahrheit im Einzelnen, um etwas geſchwaͤcht.
Aber es fraͤgt ſich noch: ob bei weitlaͤuftigeren Com-
poſitionen die Wahrheit der Faͤrbung im Einzelnen,
mit der Wahrheit der Faͤrbung im Ganzen beſtehen
koͤnne?

Ich wuͤnſchte Zeit zu haben, auseinanderzuſetzen,Zweifel: ob
man in groͤſ-
ſeren Compo-
ſitionen ein
ganz wahres
Colorit beibe-
halten koͤnne?

warum ich nicht glaube, daß es fuͤr ſterbliche Kuͤnſt-
ler moͤglich ſey, ein ganz wahres Colorit mit einem
ſehr guten Helldunkeln, in einem Gemaͤhlde das
mehrere Figuren enthaͤlt, zu verbinden: warum dies,
außer in einzelnen Figuren, fuͤr Ton, Harmonie,
Haltung und Luftperſpektiv mit vielen Gefahren ver-
knuͤpft ſey: warum endlich Correggio, um Correg-
gio zu ſeyn, nicht wie Giorgione, Tizian, Vandyck

und
G 3
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[101/0115] Pallaſt Colonna. Abwechſelung liebt, ſo iſt das Helle mit dem Dun- keln in Contraſt gebracht: Weil das Auge Ordnung liebt, ſo iſt das Helle und Dunkle nicht zerſtreuet, ſondern in leicht abzuſondernde groͤßere Maſſen ge- bracht: Weil aber das Auge auch Uebereinſtimmung liebt, und das Abſtechende, Schneidende haßt, ſo ſind die Uebergaͤnge vom Hellen zum Dunkeln leicht, allmaͤhlig fortſchreitend; und dies letzte Geheimniß hat er noch mehr der Auswahl durch ſich ſelbſt hervor- ſtechender und zuruͤckweichender Farben, als der Lei- tung des Lichts zu verdanken. Correggio iſt aber auch darum doppelt groß im Helldunkeln, weil er zu gleicher Zeit im Colorit der Natur treuer geblieben iſt, als alle andere Meiſter, die einer aͤhnlichen Wuͤr- kung nachgeſtrebt haben. Ganz wahr iſt er nicht geweſen, immer hat die Ruͤckſicht auf die Wuͤrkung, welche die Tinte als helle oder dunkle Partie fuͤr das Ganze hervorbringen wuͤrde, die Ruͤckſicht auf oͤrtliche Wahrheit im Einzelnen, um etwas geſchwaͤcht. Aber es fraͤgt ſich noch: ob bei weitlaͤuftigeren Com- poſitionen die Wahrheit der Faͤrbung im Einzelnen, mit der Wahrheit der Faͤrbung im Ganzen beſtehen koͤnne? Ich wuͤnſchte Zeit zu haben, auseinanderzuſetzen, warum ich nicht glaube, daß es fuͤr ſterbliche Kuͤnſt- ler moͤglich ſey, ein ganz wahres Colorit mit einem ſehr guten Helldunkeln, in einem Gemaͤhlde das mehrere Figuren enthaͤlt, zu verbinden: warum dies, außer in einzelnen Figuren, fuͤr Ton, Harmonie, Haltung und Luftperſpektiv mit vielen Gefahren ver- knuͤpft ſey: warum endlich Correggio, um Correg- gio zu ſeyn, nicht wie Giorgione, Tizian, Vandyck und Zweifel: ob man in groͤſ- ſeren Compo- ſitionen ein ganz wahres Colorit beibe- halten koͤnne? G 3

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/115>, abgerufen am 27.11.2024.