mehr oder weniger Lichtstrahlen auffangen. Zum Beispiel, das Gelbe zieht das Auge mehr an als das Blaue, das Rothe mehr als das Dunkelvio- lette u. s. w.
Nun nehme man den Fall an: Jemand wollte ein Gesicht mit lauter gelben, rothen, blauen und dunkelvioletten Farben bedecken: Wäre es unmög- lich, Ründung damit hervorzubringen? Gewiß nicht. Das Gelbe würde die erhobensten, das Blaue die zurückweichendern, und das Dunkelviolette diejenigen Theile andeuten, die sich im Schatten verlieren; das Rothe könnte zum Reflex dienen. Ein solches Colorit könnte noch so unwahr seyn, es würde dem ohngeachtet alle Vorzüge der Ründung, selbst des Helldunkeln, haben. In der That, un- sere neuere Fechtelmahlerei beruhet auf keinen andern Grundsätzen, und in einem weniger auffallenden Grade hat das an sich conventionelle Colorit der Niederländer kein anderes Verdienst. Abwechselung heller und dunkler Partien, welche die Ründung der Fläche hervorbringt, und von dieser wieder her- vorgebracht wird, ist also von der Wahrheit des Colorits noch wesentlich unterschieden.
Aber selbst eine vortrefflich colorirte Figur, eine Figur, die mit lauter wahren Farben das Erhobene und das Zurückweichende, Licht und Schatten, mit einem Worte Ründung darstellte, würde darum noch keinen Anspruch auf die Würkung machen kön- nen, die eine weise Vertheilung heller und dunkler Partien in merklicher Abwechselung und Vereini- gung zu einem beleuchteten Ganzen hervorbringt.
Ein
Pallaſt Colonna.
mehr oder weniger Lichtſtrahlen auffangen. Zum Beiſpiel, das Gelbe zieht das Auge mehr an als das Blaue, das Rothe mehr als das Dunkelvio- lette u. ſ. w.
Nun nehme man den Fall an: Jemand wollte ein Geſicht mit lauter gelben, rothen, blauen und dunkelvioletten Farben bedecken: Waͤre es unmoͤg- lich, Ruͤndung damit hervorzubringen? Gewiß nicht. Das Gelbe wuͤrde die erhobenſten, das Blaue die zuruͤckweichendern, und das Dunkelviolette diejenigen Theile andeuten, die ſich im Schatten verlieren; das Rothe koͤnnte zum Reflex dienen. Ein ſolches Colorit koͤnnte noch ſo unwahr ſeyn, es wuͤrde dem ohngeachtet alle Vorzuͤge der Ruͤndung, ſelbſt des Helldunkeln, haben. In der That, un- ſere neuere Fechtelmahlerei beruhet auf keinen andern Grundſaͤtzen, und in einem weniger auffallenden Grade hat das an ſich conventionelle Colorit der Niederlaͤnder kein anderes Verdienſt. Abwechſelung heller und dunkler Partien, welche die Ruͤndung der Flaͤche hervorbringt, und von dieſer wieder her- vorgebracht wird, iſt alſo von der Wahrheit des Colorits noch weſentlich unterſchieden.
Aber ſelbſt eine vortrefflich colorirte Figur, eine Figur, die mit lauter wahren Farben das Erhobene und das Zuruͤckweichende, Licht und Schatten, mit einem Worte Ruͤndung darſtellte, wuͤrde darum noch keinen Anſpruch auf die Wuͤrkung machen koͤn- nen, die eine weiſe Vertheilung heller und dunkler Partien in merklicher Abwechſelung und Vereini- gung zu einem beleuchteten Ganzen hervorbringt.
Ein
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Pallaſt Colonna.
mehr oder weniger Lichtſtrahlen auffangen. Zum
Beiſpiel, das Gelbe zieht das Auge mehr an als
das Blaue, das Rothe mehr als das Dunkelvio-
lette u. ſ. w.
Nun nehme man den Fall an: Jemand wollte
ein Geſicht mit lauter gelben, rothen, blauen und
dunkelvioletten Farben bedecken: Waͤre es unmoͤg-
lich, Ruͤndung damit hervorzubringen? Gewiß
nicht. Das Gelbe wuͤrde die erhobenſten, das
Blaue die zuruͤckweichendern, und das Dunkelviolette
diejenigen Theile andeuten, die ſich im Schatten
verlieren; das Rothe koͤnnte zum Reflex dienen.
Ein ſolches Colorit koͤnnte noch ſo unwahr ſeyn, es
wuͤrde dem ohngeachtet alle Vorzuͤge der Ruͤndung,
ſelbſt des Helldunkeln, haben. In der That, un-
ſere neuere Fechtelmahlerei beruhet auf keinen andern
Grundſaͤtzen, und in einem weniger auffallenden
Grade hat das an ſich conventionelle Colorit der
Niederlaͤnder kein anderes Verdienſt. Abwechſelung
heller und dunkler Partien, welche die Ruͤndung
der Flaͤche hervorbringt, und von dieſer wieder her-
vorgebracht wird, iſt alſo von der Wahrheit des
Colorits noch weſentlich unterſchieden.
Aber ſelbſt eine vortrefflich colorirte Figur, eine
Figur, die mit lauter wahren Farben das Erhobene
und das Zuruͤckweichende, Licht und Schatten, mit
einem Worte Ruͤndung darſtellte, wuͤrde darum
noch keinen Anſpruch auf die Wuͤrkung machen koͤn-
nen, die eine weiſe Vertheilung heller und dunkler
Partien in merklicher Abwechſelung und Vereini-
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/110>, abgerufen am 26.06.2024.
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