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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Pallast Farnese.

Ferner: um ein solches weitläuftiges Ganze alsUeberhaupt
sind weit-
läuftige
Compositio-
nen dem
Bildhauer
nicht anzu-
rathen: Ue-
ber die mah-
lerische
Gruppirung
geht die
Schönheit
einzelner Fi-
guren ver-
lohren:
Vielleicht ist
er nicht ein-
mahl im
Stande die
Würkung ei-
ner mahleri-
schen Gruppe
vollständig
zu erreichen.

eine mahlerische Gruppe zu übersehen, muß man sich
nothwendig so weit davon entfernen, daß die Schön-
heit des Details dem Auge entgeht. Soll man hinzu-
gehen, die Schönheit der einzelnen Formen zu bewun-
dern, oder fern bleiben, und sich den Eindruck der
Form der Gruppe im Ganzen genügen lassen? Dieser
Streit hat nichts Angenehmes.

Die Wahl des Standorts, aus dem man ein
Gemählde betrachtet, hängt von ganz andern Regeln
ab, als die Wahl desjenigen, den man bei Betrach-
tung eines Bildhauerwerks annehmen muß. Es ist
eine allgemeine Verabredung darüber, daß man die
Handlung, die auf einem Gemählde vorgestellet wird,
sich denkt, als werde sie aus einem Fenster oder durch
eine andere Oeffnung gesehen. Der Rahmen schneidet
den Ort, wo die Handlung vor sich geht, von dem
Standorte ab, und wir denken nicht so genau an die
Maaße der Entfernung. Bei einer Gruppe von
Bildsäulen ist eine solche willkührliche Verabredung
nicht wohl möglich. Mit ihr sehen wir zugleich Gar-
ten, Zimmer u. s. w. und wir machen uns keine
Illusion darüber, daß dasjenige, was nur wenige
Schritte von uns entfernt ist, es um einige hundert
seyn könne.

Nicht das allein: Was macht die Schönheit
einer Gruppe? Der Zusammenhang, das Ineinan-
dergreifen der verschiedenen Figuren, deren Umrisse
das Auge verfolgt, und unmerklich von einer auf die
andere endlich zum Ganzen geleitet wird. Der Zipfel
des Gewandes einer Figur führet zunächst auf die
Hand einer andern u. s. w. In der Mahlerei sind

sie
Erster Theil. C
Pallaſt Farneſe.

Ferner: um ein ſolches weitlaͤuftiges Ganze alsUeberhaupt
ſind weit-
laͤuftige
Compoſitio-
nen dem
Bildhauer
nicht anzu-
rathen: Ue-
ber die mah-
leriſche
Gruppirung
geht die
Schoͤnheit
einzelner Fi-
guren ver-
lohren:
Vielleicht iſt
er nicht ein-
mahl im
Stande die
Wuͤrkung ei-
ner mahleri-
ſchen Gruppe
vollſtaͤndig
zu erreichen.

eine mahleriſche Gruppe zu uͤberſehen, muß man ſich
nothwendig ſo weit davon entfernen, daß die Schoͤn-
heit des Details dem Auge entgeht. Soll man hinzu-
gehen, die Schoͤnheit der einzelnen Formen zu bewun-
dern, oder fern bleiben, und ſich den Eindruck der
Form der Gruppe im Ganzen genuͤgen laſſen? Dieſer
Streit hat nichts Angenehmes.

Die Wahl des Standorts, aus dem man ein
Gemaͤhlde betrachtet, haͤngt von ganz andern Regeln
ab, als die Wahl desjenigen, den man bei Betrach-
tung eines Bildhauerwerks annehmen muß. Es iſt
eine allgemeine Verabredung daruͤber, daß man die
Handlung, die auf einem Gemaͤhlde vorgeſtellet wird,
ſich denkt, als werde ſie aus einem Fenſter oder durch
eine andere Oeffnung geſehen. Der Rahmen ſchneidet
den Ort, wo die Handlung vor ſich geht, von dem
Standorte ab, und wir denken nicht ſo genau an die
Maaße der Entfernung. Bei einer Gruppe von
Bildſaͤulen iſt eine ſolche willkuͤhrliche Verabredung
nicht wohl moͤglich. Mit ihr ſehen wir zugleich Gar-
ten, Zimmer u. ſ. w. und wir machen uns keine
Illuſion daruͤber, daß dasjenige, was nur wenige
Schritte von uns entfernt iſt, es um einige hundert
ſeyn koͤnne.

Nicht das allein: Was macht die Schoͤnheit
einer Gruppe? Der Zuſammenhang, das Ineinan-
dergreifen der verſchiedenen Figuren, deren Umriſſe
das Auge verfolgt, und unmerklich von einer auf die
andere endlich zum Ganzen geleitet wird. Der Zipfel
des Gewandes einer Figur fuͤhret zunaͤchſt auf die
Hand einer andern u. ſ. w. In der Mahlerei ſind

ſie
Erſter Theil. C
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[33/0055] Pallaſt Farneſe. Ferner: um ein ſolches weitlaͤuftiges Ganze als eine mahleriſche Gruppe zu uͤberſehen, muß man ſich nothwendig ſo weit davon entfernen, daß die Schoͤn- heit des Details dem Auge entgeht. Soll man hinzu- gehen, die Schoͤnheit der einzelnen Formen zu bewun- dern, oder fern bleiben, und ſich den Eindruck der Form der Gruppe im Ganzen genuͤgen laſſen? Dieſer Streit hat nichts Angenehmes. Ueberhaupt ſind weit- laͤuftige Compoſitio- nen dem Bildhauer nicht anzu- rathen: Ue- ber die mah- leriſche Gruppirung geht die Schoͤnheit einzelner Fi- guren ver- lohren: Vielleicht iſt er nicht ein- mahl im Stande die Wuͤrkung ei- ner mahleri- ſchen Gruppe vollſtaͤndig zu erreichen. Die Wahl des Standorts, aus dem man ein Gemaͤhlde betrachtet, haͤngt von ganz andern Regeln ab, als die Wahl desjenigen, den man bei Betrach- tung eines Bildhauerwerks annehmen muß. Es iſt eine allgemeine Verabredung daruͤber, daß man die Handlung, die auf einem Gemaͤhlde vorgeſtellet wird, ſich denkt, als werde ſie aus einem Fenſter oder durch eine andere Oeffnung geſehen. Der Rahmen ſchneidet den Ort, wo die Handlung vor ſich geht, von dem Standorte ab, und wir denken nicht ſo genau an die Maaße der Entfernung. Bei einer Gruppe von Bildſaͤulen iſt eine ſolche willkuͤhrliche Verabredung nicht wohl moͤglich. Mit ihr ſehen wir zugleich Gar- ten, Zimmer u. ſ. w. und wir machen uns keine Illuſion daruͤber, daß dasjenige, was nur wenige Schritte von uns entfernt iſt, es um einige hundert ſeyn koͤnne. Nicht das allein: Was macht die Schoͤnheit einer Gruppe? Der Zuſammenhang, das Ineinan- dergreifen der verſchiedenen Figuren, deren Umriſſe das Auge verfolgt, und unmerklich von einer auf die andere endlich zum Ganzen geleitet wird. Der Zipfel des Gewandes einer Figur fuͤhret zunaͤchſt auf die Hand einer andern u. ſ. w. In der Mahlerei ſind ſie Erſter Theil. C

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/55>, abgerufen am 24.11.2024.