Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast Borghese.
kreideweiß im Lichte, und zu grün in den Schatten.
Ueberhaupt fehlt es diesem Bilde an Wärme und
Harmonie.

Es ist bekannt, daß Raphael eine große Com-
position von diesem Süjet gemahlt hat, welche in Bo-
logna hängt. Es ist interessant, die Verschiedenheit
des Charakters beider Meister aufzuspühren, in der
verschiedenen Art, wie sie sich den Charakter der Hei-
ligen und die Stimmung ihrer Seele in dem Augen-
blicke, wie sie die himmlische Musik hört, gedacht
haben. Raphael mahlte das Entzücken eines Gei-
stes, der zu überirrdischen Empfindungen hingerissen
wird; Domenichino den sinnlichen Eindruck des furcht-
samen Aufhorchens. So zeigt sich der eine als Mann
von hoher Einbildungskraft, und großen Gefühlen,
der andere als feiner Bemerker wahrer aber nicht un-
gewöhnlicher Empfindungen. Man könnte sagen,
beide wären nur in der Wahl des Augenblicks verschie-
den, denn man denke sich sehr wohl die Regung, die
Domenichino darstellte als den Anfang des Eindrucks,
der sich nachher beim Raphael bis zum kühneren En-
thusiasmus verstärkte. Allein die Physiognomie einer
Cäcilia des Domenichino würde sich zu dem Ausdruck
der Cäcilia eines Raphaels nie passen, und die Wahl
des Augenblicks allein bestätigt die angezeigte Verschie-
denheit des Charakters beider Meister.


Fünftes Zimmer.

+ Aeneas, der seinen Vater trägt, vonAeneas und
Anchises von
Baroccio.

Barozio oder Baroccio wie andere schreiben. Der

Mahler
T 5

Pallaſt Borgheſe.
kreideweiß im Lichte, und zu gruͤn in den Schatten.
Ueberhaupt fehlt es dieſem Bilde an Waͤrme und
Harmonie.

Es iſt bekannt, daß Raphael eine große Com-
poſition von dieſem Suͤjet gemahlt hat, welche in Bo-
logna haͤngt. Es iſt intereſſant, die Verſchiedenheit
des Charakters beider Meiſter aufzuſpuͤhren, in der
verſchiedenen Art, wie ſie ſich den Charakter der Hei-
ligen und die Stimmung ihrer Seele in dem Augen-
blicke, wie ſie die himmliſche Muſik hoͤrt, gedacht
haben. Raphael mahlte das Entzuͤcken eines Gei-
ſtes, der zu uͤberirrdiſchen Empfindungen hingeriſſen
wird; Domenichino den ſinnlichen Eindruck des furcht-
ſamen Aufhorchens. So zeigt ſich der eine als Mann
von hoher Einbildungskraft, und großen Gefuͤhlen,
der andere als feiner Bemerker wahrer aber nicht un-
gewoͤhnlicher Empfindungen. Man koͤnnte ſagen,
beide waͤren nur in der Wahl des Augenblicks verſchie-
den, denn man denke ſich ſehr wohl die Regung, die
Domenichino darſtellte als den Anfang des Eindrucks,
der ſich nachher beim Raphael bis zum kuͤhneren En-
thuſiasmus verſtaͤrkte. Allein die Phyſiognomie einer
Caͤcilia des Domenichino wuͤrde ſich zu dem Ausdruck
der Caͤcilia eines Raphaels nie paſſen, und die Wahl
des Augenblicks allein beſtaͤtigt die angezeigte Verſchie-
denheit des Charakters beider Meiſter.


Fuͤnftes Zimmer.

Aeneas, der ſeinen Vater traͤgt, vonAeneas und
Anchiſes von
Baroccio.

Barozio oder Baroccio wie andere ſchreiben. Der

Mahler
T 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0319" n="297"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palla&#x017F;t Borghe&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
kreideweiß im Lichte, und zu gru&#x0364;n in den Schatten.<lb/>
Ueberhaupt fehlt es die&#x017F;em Bilde an Wa&#x0364;rme und<lb/>
Harmonie.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t bekannt, daß Raphael eine große Com-<lb/>
po&#x017F;ition von die&#x017F;em Su&#x0364;jet gemahlt hat, welche in Bo-<lb/>
logna ha&#x0364;ngt. Es i&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant, die Ver&#x017F;chiedenheit<lb/>
des Charakters beider Mei&#x017F;ter aufzu&#x017F;pu&#x0364;hren, in der<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Art, wie &#x017F;ie &#x017F;ich den Charakter der Hei-<lb/>
ligen und die Stimmung ihrer Seele in dem Augen-<lb/>
blicke, wie &#x017F;ie die himmli&#x017F;che Mu&#x017F;ik ho&#x0364;rt, gedacht<lb/>
haben. Raphael mahlte das Entzu&#x0364;cken eines Gei-<lb/>
&#x017F;tes, der zu u&#x0364;berirrdi&#x017F;chen Empfindungen hingeri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wird; Domenichino den &#x017F;innlichen Eindruck des furcht-<lb/>
&#x017F;amen Aufhorchens. So zeigt &#x017F;ich der eine als Mann<lb/>
von hoher Einbildungskraft, und großen Gefu&#x0364;hlen,<lb/>
der andere als feiner Bemerker wahrer aber nicht un-<lb/>
gewo&#x0364;hnlicher Empfindungen. Man ko&#x0364;nnte &#x017F;agen,<lb/>
beide wa&#x0364;ren nur in der Wahl des Augenblicks ver&#x017F;chie-<lb/>
den, denn man denke &#x017F;ich &#x017F;ehr wohl die Regung, die<lb/>
Domenichino dar&#x017F;tellte als den Anfang des Eindrucks,<lb/>
der &#x017F;ich nachher beim Raphael bis zum ku&#x0364;hneren En-<lb/>
thu&#x017F;iasmus ver&#x017F;ta&#x0364;rkte. Allein die Phy&#x017F;iognomie einer<lb/>
Ca&#x0364;cilia des Domenichino wu&#x0364;rde &#x017F;ich zu dem Ausdruck<lb/>
der Ca&#x0364;cilia eines Raphaels nie pa&#x017F;&#x017F;en, und die Wahl<lb/>
des Augenblicks allein be&#x017F;ta&#x0364;tigt die angezeigte Ver&#x017F;chie-<lb/>
denheit des Charakters beider Mei&#x017F;ter.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Zimmer</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p>&#x2020; <hi rendition="#fr">Aeneas, der &#x017F;einen Vater tra&#x0364;gt,</hi> von<note place="right">Aeneas und<lb/>
Anchi&#x017F;es von<lb/>
Baroccio.</note><lb/><hi rendition="#fr">Barozio</hi> oder Baroccio wie andere &#x017F;chreiben. Der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Mahler</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0319] Pallaſt Borgheſe. kreideweiß im Lichte, und zu gruͤn in den Schatten. Ueberhaupt fehlt es dieſem Bilde an Waͤrme und Harmonie. Es iſt bekannt, daß Raphael eine große Com- poſition von dieſem Suͤjet gemahlt hat, welche in Bo- logna haͤngt. Es iſt intereſſant, die Verſchiedenheit des Charakters beider Meiſter aufzuſpuͤhren, in der verſchiedenen Art, wie ſie ſich den Charakter der Hei- ligen und die Stimmung ihrer Seele in dem Augen- blicke, wie ſie die himmliſche Muſik hoͤrt, gedacht haben. Raphael mahlte das Entzuͤcken eines Gei- ſtes, der zu uͤberirrdiſchen Empfindungen hingeriſſen wird; Domenichino den ſinnlichen Eindruck des furcht- ſamen Aufhorchens. So zeigt ſich der eine als Mann von hoher Einbildungskraft, und großen Gefuͤhlen, der andere als feiner Bemerker wahrer aber nicht un- gewoͤhnlicher Empfindungen. Man koͤnnte ſagen, beide waͤren nur in der Wahl des Augenblicks verſchie- den, denn man denke ſich ſehr wohl die Regung, die Domenichino darſtellte als den Anfang des Eindrucks, der ſich nachher beim Raphael bis zum kuͤhneren En- thuſiasmus verſtaͤrkte. Allein die Phyſiognomie einer Caͤcilia des Domenichino wuͤrde ſich zu dem Ausdruck der Caͤcilia eines Raphaels nie paſſen, und die Wahl des Augenblicks allein beſtaͤtigt die angezeigte Verſchie- denheit des Charakters beider Meiſter. Fuͤnftes Zimmer. † Aeneas, der ſeinen Vater traͤgt, von Barozio oder Baroccio wie andere ſchreiben. Der Mahler Aeneas und Anchiſes von Baroccio. T 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/319
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/319>, abgerufen am 25.11.2024.