Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast Borghese.
lung des Pinsels, die Kraft und den Auftrag der Far-
ben bewundern. Außerdem herrscht eine gewisse nie-
drige Wahrheit darin, die das Verdienst einer ge-
treuen Nachahmung hat. Der Christ scheint in der
Nähe ein Fleck hingeworfener ungemischter Farbe, der
zu unserm Erstaunen Wahrheit und Leben in der Ferne
erhält. Ein junger Hirt, und der Kopf des Josephs,
sind gleichfalls nicht aus der Acht zu lassen. Ich
werde weiter unten von diesem Meister reden.

Meisterstück
des Garo-
falo.

+ Ein todter Christ mit der Mutter und
mehreren Heiligen.
Ein Meisterstück des Garo-
falo.
9) Erfindung und Anordnung sind zwar nicht
zu loben; auch ist die Luftperspektiv nicht beobachtet,
und die Zeichnung trocken und steif. Allein das Bild
hat doch viele einzelne Schönheiten. Die Stellung
der Magdalena ist sehr reitzend, und der Ausdruck
zutreffend. Der heilige Hieronymus hat einen schö-

nen
9) Benvenuto Garofalo genannt Tisio, ward zu Fer-
rara 1481. gebohren und starb 1559. Ob die Nelke,
die er so gern in seinen Gemählden anbrachte, ein
Anagram seines Nahmens oder Grund seines Beinah-
mens gewesen sey? ist zweifelhaft. Er hat unstreitig
den größten Theil seiner Ausbildung dem fleißigen
Studio nach den Werken Raphaels und zwar aus des-
sen früheren Manier zu verdanken. Ein Verdienst,
welches alle seine Bilder haben, ist die reine, dauer-
hafte Localfarbe der Gewänder, vorzüglich der rothen
und der grünen. Sie haben sich bis auf diese Stunde
so frisch erhalten, als ob sie eben gemahlt wären.
Man trifft auch zuweilen einen schönen Kopf, selbst
eine schöne Figur in seinen Gemählden an. Nur das
Ganze ist selten zu loben. Die Ausführung ist ge-
meiniglich trocken.

Pallaſt Borgheſe.
lung des Pinſels, die Kraft und den Auftrag der Far-
ben bewundern. Außerdem herrſcht eine gewiſſe nie-
drige Wahrheit darin, die das Verdienſt einer ge-
treuen Nachahmung hat. Der Chriſt ſcheint in der
Naͤhe ein Fleck hingeworfener ungemiſchter Farbe, der
zu unſerm Erſtaunen Wahrheit und Leben in der Ferne
erhaͤlt. Ein junger Hirt, und der Kopf des Joſephs,
ſind gleichfalls nicht aus der Acht zu laſſen. Ich
werde weiter unten von dieſem Meiſter reden.

Meiſterſtuͤck
des Garo-
falo.

Ein todter Chriſt mit der Mutter und
mehreren Heiligen.
Ein Meiſterſtuͤck des Garo-
falo.
9) Erfindung und Anordnung ſind zwar nicht
zu loben; auch iſt die Luftperſpektiv nicht beobachtet,
und die Zeichnung trocken und ſteif. Allein das Bild
hat doch viele einzelne Schoͤnheiten. Die Stellung
der Magdalena iſt ſehr reitzend, und der Ausdruck
zutreffend. Der heilige Hieronymus hat einen ſchoͤ-

nen
9) Benvenuto Garofalo genannt Tiſio, ward zu Fer-
rara 1481. gebohren und ſtarb 1559. Ob die Nelke,
die er ſo gern in ſeinen Gemaͤhlden anbrachte, ein
Anagram ſeines Nahmens oder Grund ſeines Beinah-
mens geweſen ſey? iſt zweifelhaft. Er hat unſtreitig
den groͤßten Theil ſeiner Ausbildung dem fleißigen
Studio nach den Werken Raphaels und zwar aus deſ-
ſen fruͤheren Manier zu verdanken. Ein Verdienſt,
welches alle ſeine Bilder haben, iſt die reine, dauer-
hafte Localfarbe der Gewaͤnder, vorzuͤglich der rothen
und der gruͤnen. Sie haben ſich bis auf dieſe Stunde
ſo friſch erhalten, als ob ſie eben gemahlt waͤren.
Man trifft auch zuweilen einen ſchoͤnen Kopf, ſelbſt
eine ſchoͤne Figur in ſeinen Gemaͤhlden an. Nur das
Ganze iſt ſelten zu loben. Die Ausfuͤhrung iſt ge-
meiniglich trocken.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0306" n="284"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palla&#x017F;t Borghe&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
lung des Pin&#x017F;els, die Kraft und den Auftrag der Far-<lb/>
ben bewundern. Außerdem herr&#x017F;cht eine gewi&#x017F;&#x017F;e nie-<lb/>
drige Wahrheit darin, die das Verdien&#x017F;t einer ge-<lb/>
treuen Nachahmung hat. Der Chri&#x017F;t &#x017F;cheint in der<lb/>
Na&#x0364;he ein Fleck hingeworfener ungemi&#x017F;chter Farbe, der<lb/>
zu un&#x017F;erm Er&#x017F;taunen Wahrheit und Leben in der Ferne<lb/>
erha&#x0364;lt. Ein junger Hirt, und der Kopf des Jo&#x017F;ephs,<lb/>
&#x017F;ind gleichfalls nicht aus der Acht zu la&#x017F;&#x017F;en. Ich<lb/>
werde weiter unten von die&#x017F;em Mei&#x017F;ter reden.</p><lb/>
            <note place="left">Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
des Garo-<lb/>
falo.</note>
            <p>&#x2020; <hi rendition="#fr">Ein todter Chri&#x017F;t mit der Mutter und<lb/>
mehreren Heiligen.</hi> Ein Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;ck des <hi rendition="#fr">Garo-<lb/>
falo.</hi> <note place="foot" n="9)">Benvenuto Garofalo genannt Ti&#x017F;io, ward zu Fer-<lb/>
rara 1481. gebohren und &#x017F;tarb 1559. Ob die Nelke,<lb/>
die er &#x017F;o gern in &#x017F;einen Gema&#x0364;hlden anbrachte, ein<lb/>
Anagram &#x017F;eines Nahmens oder Grund &#x017F;eines Beinah-<lb/>
mens gewe&#x017F;en &#x017F;ey? i&#x017F;t zweifelhaft. Er hat un&#x017F;treitig<lb/>
den gro&#x0364;ßten Theil &#x017F;einer Ausbildung dem fleißigen<lb/>
Studio nach den Werken Raphaels und zwar aus de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en fru&#x0364;heren Manier zu verdanken. Ein Verdien&#x017F;t,<lb/>
welches alle &#x017F;eine Bilder haben, i&#x017F;t die reine, dauer-<lb/>
hafte Localfarbe der Gewa&#x0364;nder, vorzu&#x0364;glich der rothen<lb/>
und der gru&#x0364;nen. Sie haben &#x017F;ich bis auf die&#x017F;e Stunde<lb/>
&#x017F;o fri&#x017F;ch erhalten, als ob &#x017F;ie eben gemahlt wa&#x0364;ren.<lb/>
Man trifft auch zuweilen einen &#x017F;cho&#x0364;nen Kopf, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
eine &#x017F;cho&#x0364;ne Figur in &#x017F;einen Gema&#x0364;hlden an. Nur das<lb/>
Ganze i&#x017F;t &#x017F;elten zu loben. Die Ausfu&#x0364;hrung i&#x017F;t ge-<lb/>
meiniglich trocken.</note> Erfindung und Anordnung &#x017F;ind zwar nicht<lb/>
zu loben; auch i&#x017F;t die Luftper&#x017F;pektiv nicht beobachtet,<lb/>
und die Zeichnung trocken und &#x017F;teif. Allein das Bild<lb/>
hat doch viele einzelne Scho&#x0364;nheiten. Die Stellung<lb/>
der Magdalena i&#x017F;t &#x017F;ehr reitzend, und der Ausdruck<lb/>
zutreffend. Der heilige Hieronymus hat einen &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0306] Pallaſt Borgheſe. lung des Pinſels, die Kraft und den Auftrag der Far- ben bewundern. Außerdem herrſcht eine gewiſſe nie- drige Wahrheit darin, die das Verdienſt einer ge- treuen Nachahmung hat. Der Chriſt ſcheint in der Naͤhe ein Fleck hingeworfener ungemiſchter Farbe, der zu unſerm Erſtaunen Wahrheit und Leben in der Ferne erhaͤlt. Ein junger Hirt, und der Kopf des Joſephs, ſind gleichfalls nicht aus der Acht zu laſſen. Ich werde weiter unten von dieſem Meiſter reden. † Ein todter Chriſt mit der Mutter und mehreren Heiligen. Ein Meiſterſtuͤck des Garo- falo. 9) Erfindung und Anordnung ſind zwar nicht zu loben; auch iſt die Luftperſpektiv nicht beobachtet, und die Zeichnung trocken und ſteif. Allein das Bild hat doch viele einzelne Schoͤnheiten. Die Stellung der Magdalena iſt ſehr reitzend, und der Ausdruck zutreffend. Der heilige Hieronymus hat einen ſchoͤ- nen 9) Benvenuto Garofalo genannt Tiſio, ward zu Fer- rara 1481. gebohren und ſtarb 1559. Ob die Nelke, die er ſo gern in ſeinen Gemaͤhlden anbrachte, ein Anagram ſeines Nahmens oder Grund ſeines Beinah- mens geweſen ſey? iſt zweifelhaft. Er hat unſtreitig den groͤßten Theil ſeiner Ausbildung dem fleißigen Studio nach den Werken Raphaels und zwar aus deſ- ſen fruͤheren Manier zu verdanken. Ein Verdienſt, welches alle ſeine Bilder haben, iſt die reine, dauer- hafte Localfarbe der Gewaͤnder, vorzuͤglich der rothen und der gruͤnen. Sie haben ſich bis auf dieſe Stunde ſo friſch erhalten, als ob ſie eben gemahlt waͤren. Man trifft auch zuweilen einen ſchoͤnen Kopf, ſelbſt eine ſchoͤne Figur in ſeinen Gemaͤhlden an. Nur das Ganze iſt ſelten zu loben. Die Ausfuͤhrung iſt ge- meiniglich trocken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/306
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/306>, abgerufen am 22.11.2024.