Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.Das Capitol. Capitolini-sche Venus. + Venus in der Stellung der Mediceischen, zwei 39 a) Der Herr Hofrath Heyne Sammlung Antiquari-
scher Aufsätze II. Stück S. 118 und 145 glaubt an- nehmen zu dürfen, daß alle Vorstellungen der Ve- nus auf diese der unsrigen ähnliche Art, die Venus aus dem Bade kommend bezeichnen. Er verwirft die Erklärung der Mediceischen Venus zu Florenz, als einer solchen, die aus der See hervorkömmt, ganz, weil sie ein so schön geflochtenes Haar hat. Ich gestehe es gern, daß dieser Grund mir jene Idee des Emporsteigens aus dem Meere nicht ganz benehmen könne. Der Herr Hofrath Heyne wird schwerlich eine Statue von Werthe anzeigen können, an der das triefende Haar einer Venus Anadyo- mene, das doch auf Münzen, geschnittenen Stei- nen und Basreliefs vorkömmt, ausgedrückt wäre. Die Ursache liegt offenbar darin, weil ein solches Haar in Strippen herabfallend in ganz runden Bildhauerwerken einen Uebelstand machen würde. Sollte der Künstler diesem Uebelstande nicht einen Fehler wider das Costume aufgeopfert haben? Vor- züglich hier, wo er ein Portrait bildete? Vielleicht dürfte man auch dann, wann man ins Bad geht, die Haare nicht so künstlich flechten. Wozu der Delphin? Der Herr Hofrath Heyne sagt: es ist ein Das Capitol. Capitolini-ſche Venus. † Venus in der Stellung der Mediceiſchen, zwei 39 a) Der Herr Hofrath Heyne Sammlung Antiquari-
ſcher Aufſaͤtze II. Stuͤck S. 118 und 145 glaubt an- nehmen zu duͤrfen, daß alle Vorſtellungen der Ve- nus auf dieſe der unſrigen aͤhnliche Art, die Venus aus dem Bade kommend bezeichnen. Er verwirft die Erklaͤrung der Mediceiſchen Venus zu Florenz, als einer ſolchen, die aus der See hervorkoͤmmt, ganz, weil ſie ein ſo ſchoͤn geflochtenes Haar hat. Ich geſtehe es gern, daß dieſer Grund mir jene Idee des Emporſteigens aus dem Meere nicht ganz benehmen koͤnne. Der Herr Hofrath Heyne wird ſchwerlich eine Statue von Werthe anzeigen koͤnnen, an der das triefende Haar einer Venus Anadyo- mene, das doch auf Muͤnzen, geſchnittenen Stei- nen und Basreliefs vorkoͤmmt, ausgedruͤckt waͤre. Die Urſache liegt offenbar darin, weil ein ſolches Haar in Strippen herabfallend in ganz runden Bildhauerwerken einen Uebelſtand machen wuͤrde. Sollte der Kuͤnſtler dieſem Uebelſtande nicht einen Fehler wider das Coſtume aufgeopfert haben? Vor- zuͤglich hier, wo er ein Portrait bildete? Vielleicht duͤrfte man auch dann, wann man ins Bad geht, die Haare nicht ſo kuͤnſtlich flechten. Wozu der Delphin? Der Herr Hofrath Heyne ſagt: es iſt ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0260" n="238"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das Capitol.</hi> </fw><lb/> <note place="left">Capitolini-<lb/> ſche Venus.</note> <p>† <hi rendition="#fr">Venus</hi> in der Stellung der Mediceiſchen,<lb/> das iſt, eines entkleideten Weibes, die ſich uͤberraſcht<lb/> ſieht, und im Gefuͤhl der Schaamhaftigkeit, ohne<lb/> welches der Liebreitz ſich nicht denken laͤßt, die Bruſt<lb/> und die Natur bedeckt. Neben ihr eine Vaſe, auf die<lb/> ihr Gewand gefallen iſt, und daher deutlich zeigt, daß<lb/> ſie aus dem Bade koͤmmt, oder im Begriff iſt, ins<lb/> Bad zu ſteigen. <note xml:id="seg2pn_10_1" next="#seg2pn_10_2" place="foot" n="39 a)">Der Herr Hofrath Heyne Sammlung Antiquari-<lb/> ſcher Aufſaͤtze <hi rendition="#aq">II.</hi> Stuͤck S. 118 und 145 glaubt an-<lb/> nehmen zu duͤrfen, daß alle Vorſtellungen der Ve-<lb/> nus auf dieſe der unſrigen aͤhnliche Art, die Venus<lb/> aus dem Bade kommend bezeichnen. Er verwirft<lb/> die Erklaͤrung der Mediceiſchen Venus zu Florenz,<lb/> als einer ſolchen, die aus der See hervorkoͤmmt,<lb/> ganz, weil ſie ein ſo ſchoͤn geflochtenes Haar hat.<lb/> Ich geſtehe es gern, daß dieſer Grund mir jene<lb/> Idee des Emporſteigens aus dem Meere nicht ganz<lb/> benehmen koͤnne. Der Herr Hofrath Heyne wird<lb/> ſchwerlich eine Statue von Werthe anzeigen koͤnnen,<lb/> an der das triefende Haar einer Venus Anadyo-<lb/> mene, das doch auf Muͤnzen, geſchnittenen Stei-<lb/> nen und Basreliefs vorkoͤmmt, ausgedruͤckt waͤre.<lb/> Die Urſache liegt offenbar darin, weil ein ſolches<lb/> Haar in Strippen herabfallend in ganz runden<lb/> Bildhauerwerken einen Uebelſtand machen wuͤrde.<lb/> Sollte der Kuͤnſtler dieſem Uebelſtande nicht einen<lb/> Fehler wider das Coſtume aufgeopfert haben? Vor-<lb/> zuͤglich hier, wo er ein Portrait bildete? Vielleicht<lb/> duͤrfte man auch dann, wann man ins Bad geht,<lb/> die Haare nicht ſo kuͤnſtlich flechten. Wozu der<lb/> Delphin? Der Herr Hofrath Heyne ſagt: es iſt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ein</fw></note> Es iſt nichts daran neu, als<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zwei</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0260]
Das Capitol.
† Venus in der Stellung der Mediceiſchen,
das iſt, eines entkleideten Weibes, die ſich uͤberraſcht
ſieht, und im Gefuͤhl der Schaamhaftigkeit, ohne
welches der Liebreitz ſich nicht denken laͤßt, die Bruſt
und die Natur bedeckt. Neben ihr eine Vaſe, auf die
ihr Gewand gefallen iſt, und daher deutlich zeigt, daß
ſie aus dem Bade koͤmmt, oder im Begriff iſt, ins
Bad zu ſteigen. 39 a) Es iſt nichts daran neu, als
zwei
39 a) Der Herr Hofrath Heyne Sammlung Antiquari-
ſcher Aufſaͤtze II. Stuͤck S. 118 und 145 glaubt an-
nehmen zu duͤrfen, daß alle Vorſtellungen der Ve-
nus auf dieſe der unſrigen aͤhnliche Art, die Venus
aus dem Bade kommend bezeichnen. Er verwirft
die Erklaͤrung der Mediceiſchen Venus zu Florenz,
als einer ſolchen, die aus der See hervorkoͤmmt,
ganz, weil ſie ein ſo ſchoͤn geflochtenes Haar hat.
Ich geſtehe es gern, daß dieſer Grund mir jene
Idee des Emporſteigens aus dem Meere nicht ganz
benehmen koͤnne. Der Herr Hofrath Heyne wird
ſchwerlich eine Statue von Werthe anzeigen koͤnnen,
an der das triefende Haar einer Venus Anadyo-
mene, das doch auf Muͤnzen, geſchnittenen Stei-
nen und Basreliefs vorkoͤmmt, ausgedruͤckt waͤre.
Die Urſache liegt offenbar darin, weil ein ſolches
Haar in Strippen herabfallend in ganz runden
Bildhauerwerken einen Uebelſtand machen wuͤrde.
Sollte der Kuͤnſtler dieſem Uebelſtande nicht einen
Fehler wider das Coſtume aufgeopfert haben? Vor-
zuͤglich hier, wo er ein Portrait bildete? Vielleicht
duͤrfte man auch dann, wann man ins Bad geht,
die Haare nicht ſo kuͤnſtlich flechten. Wozu der
Delphin? Der Herr Hofrath Heyne ſagt: es iſt
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