Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Vaticanische Pallast.
men zu erwecken; eine andere Frauensperson drückt ihr
Kind zur Erden nieder, und hebt dessen gefaltete
Hände zu ihrem Beschützer empor.

Dies ist ungefähr der Gedanke dieses Gemähldes.

Die Anordnung als Theil der poetischen Erfin-
dung ist sehr gut. Die Figuren, die am meisten des
Ausdrucks und der Schönheit der Stellung fähig wa-
ren, sind vor dem minder Interessanten herausgeho-
ben; Man übersieht ohne Unordnung das Ganze, und
verweilt bei dem Detail ohne Ermüdung.

Jede Figur hat ihren ihr eigenen und der Situa-
tion angemessenen Ausdruck, sowohl in Mine als
Stellung.

In der Zeichnung scheint Raphael sich zu sehr an
den Stil des Michael Angelo gehalten zn haben.
Die Muskeln sind zu stark angedeutet, als daß sie
nicht eine gewisse Härte in die Formen hätte bringen
sollen. Dem ohngeachtet werden die Frau, die den
Eimer trägt, die Gruppe des Sohns, der den Va-
ter auf den Schultern fortbringt, die Frau, die mit
ausgespreiteten Armen die Hülfe des Pabstes anfleht
u. s. w. als Muster schön gezeichneter ganz im Stil der
Antike gedachter Figuren angesehen werden können.

Die Gewänder, vorzüglich die fliegenden, sind
vortreffllich. Das Bild, und folglich auch die Zeich-
nung, haben gelitten.

Die Farbe ist zu ziegelroth. Das Helldunkle ist
nicht beobachtet, und die Luftperspektive ist ganz ver-
fehlt.

In

Der Vaticaniſche Pallaſt.
men zu erwecken; eine andere Frauensperſon druͤckt ihr
Kind zur Erden nieder, und hebt deſſen gefaltete
Haͤnde zu ihrem Beſchuͤtzer empor.

Dies iſt ungefaͤhr der Gedanke dieſes Gemaͤhldes.

Die Anordnung als Theil der poetiſchen Erfin-
dung iſt ſehr gut. Die Figuren, die am meiſten des
Ausdrucks und der Schoͤnheit der Stellung faͤhig wa-
ren, ſind vor dem minder Intereſſanten herausgeho-
ben; Man uͤberſieht ohne Unordnung das Ganze, und
verweilt bei dem Detail ohne Ermuͤdung.

Jede Figur hat ihren ihr eigenen und der Situa-
tion angemeſſenen Ausdruck, ſowohl in Mine als
Stellung.

In der Zeichnung ſcheint Raphael ſich zu ſehr an
den Stil des Michael Angelo gehalten zn haben.
Die Muſkeln ſind zu ſtark angedeutet, als daß ſie
nicht eine gewiſſe Haͤrte in die Formen haͤtte bringen
ſollen. Dem ohngeachtet werden die Frau, die den
Eimer traͤgt, die Gruppe des Sohns, der den Va-
ter auf den Schultern fortbringt, die Frau, die mit
ausgeſpreiteten Armen die Huͤlfe des Pabſtes anfleht
u. ſ. w. als Muſter ſchoͤn gezeichneter ganz im Stil der
Antike gedachter Figuren angeſehen werden koͤnnen.

Die Gewaͤnder, vorzuͤglich die fliegenden, ſind
vortreffllich. Das Bild, und folglich auch die Zeich-
nung, haben gelitten.

Die Farbe iſt zu ziegelroth. Das Helldunkle iſt
nicht beobachtet, und die Luftperſpektive iſt ganz ver-
fehlt.

In
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0196" n="174"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Vaticani&#x017F;che Palla&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
men zu erwecken; eine andere Frauensper&#x017F;on dru&#x0364;ckt ihr<lb/>
Kind zur Erden nieder, und hebt de&#x017F;&#x017F;en gefaltete<lb/>
Ha&#x0364;nde zu ihrem Be&#x017F;chu&#x0364;tzer empor.</p><lb/>
            <p>Dies i&#x017F;t ungefa&#x0364;hr der Gedanke die&#x017F;es Gema&#x0364;hldes.</p><lb/>
            <p>Die Anordnung als Theil der poeti&#x017F;chen Erfin-<lb/>
dung i&#x017F;t &#x017F;ehr gut. Die Figuren, die am mei&#x017F;ten des<lb/>
Ausdrucks und der Scho&#x0364;nheit der Stellung fa&#x0364;hig wa-<lb/>
ren, &#x017F;ind vor dem minder Intere&#x017F;&#x017F;anten herausgeho-<lb/>
ben; Man u&#x0364;ber&#x017F;ieht ohne Unordnung das Ganze, und<lb/>
verweilt bei dem Detail ohne Ermu&#x0364;dung.</p><lb/>
            <p>Jede Figur hat ihren ihr eigenen und der Situa-<lb/>
tion angeme&#x017F;&#x017F;enen Ausdruck, &#x017F;owohl in Mine als<lb/>
Stellung.</p><lb/>
            <p>In der Zeichnung &#x017F;cheint Raphael &#x017F;ich zu &#x017F;ehr an<lb/>
den Stil des Michael Angelo gehalten zn haben.<lb/>
Die Mu&#x017F;keln &#x017F;ind zu &#x017F;tark angedeutet, als daß &#x017F;ie<lb/>
nicht eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ha&#x0364;rte in die Formen ha&#x0364;tte bringen<lb/>
&#x017F;ollen. Dem ohngeachtet werden die Frau, die den<lb/>
Eimer tra&#x0364;gt, die Gruppe des Sohns, der den Va-<lb/>
ter auf den Schultern fortbringt, die Frau, die mit<lb/>
ausge&#x017F;preiteten Armen die Hu&#x0364;lfe des Pab&#x017F;tes anfleht<lb/>
u. &#x017F;. w. als Mu&#x017F;ter &#x017F;cho&#x0364;n gezeichneter ganz im Stil der<lb/>
Antike gedachter Figuren ange&#x017F;ehen werden ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Die Gewa&#x0364;nder, vorzu&#x0364;glich die fliegenden, &#x017F;ind<lb/>
vortreffllich. Das Bild, und folglich auch die Zeich-<lb/>
nung, haben gelitten.</p><lb/>
            <p>Die Farbe i&#x017F;t zu ziegelroth. Das Helldunkle i&#x017F;t<lb/>
nicht beobachtet, und die Luftper&#x017F;pektive i&#x017F;t ganz ver-<lb/>
fehlt.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">In</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0196] Der Vaticaniſche Pallaſt. men zu erwecken; eine andere Frauensperſon druͤckt ihr Kind zur Erden nieder, und hebt deſſen gefaltete Haͤnde zu ihrem Beſchuͤtzer empor. Dies iſt ungefaͤhr der Gedanke dieſes Gemaͤhldes. Die Anordnung als Theil der poetiſchen Erfin- dung iſt ſehr gut. Die Figuren, die am meiſten des Ausdrucks und der Schoͤnheit der Stellung faͤhig wa- ren, ſind vor dem minder Intereſſanten herausgeho- ben; Man uͤberſieht ohne Unordnung das Ganze, und verweilt bei dem Detail ohne Ermuͤdung. Jede Figur hat ihren ihr eigenen und der Situa- tion angemeſſenen Ausdruck, ſowohl in Mine als Stellung. In der Zeichnung ſcheint Raphael ſich zu ſehr an den Stil des Michael Angelo gehalten zn haben. Die Muſkeln ſind zu ſtark angedeutet, als daß ſie nicht eine gewiſſe Haͤrte in die Formen haͤtte bringen ſollen. Dem ohngeachtet werden die Frau, die den Eimer traͤgt, die Gruppe des Sohns, der den Va- ter auf den Schultern fortbringt, die Frau, die mit ausgeſpreiteten Armen die Huͤlfe des Pabſtes anfleht u. ſ. w. als Muſter ſchoͤn gezeichneter ganz im Stil der Antike gedachter Figuren angeſehen werden koͤnnen. Die Gewaͤnder, vorzuͤglich die fliegenden, ſind vortreffllich. Das Bild, und folglich auch die Zeich- nung, haben gelitten. Die Farbe iſt zu ziegelroth. Das Helldunkle iſt nicht beobachtet, und die Luftperſpektive iſt ganz ver- fehlt. In

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/196
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/196>, abgerufen am 24.11.2024.