der Zeigefinger, der von der Nase herabsinkt, lassen die Worte hören: Ja, nun habe ich's verstanden!
Ein dritter Schüler hat die Aufgabe sich schon ganz zu eigen gemacht, er kehrt sich gegen den vierten, ihm die Erklärung mitzutheilen, und dieser zeigt in Stellung und Minen die freudige Bewunderung, die ihm die Auflösung dieses gelehrten Räthsels erweckt. In dem letzten will man den Herzog von Mantua, Friederich Gonzaga finden.
Hinter dieser Gruppe stehen noch einige Männer, in denen man den Raphael, den Pietro Perugino, neben dem Zoroaster und Giovanni della Casa erken- nen will.
Unter den Figuren, die den Hintergrund füllen, zeichne ich nur den Jüngling aus, der mit Eifer das- jenige nachschreibt, was ihm ein älterer Philosoph dictirt.
Dies wäre ungefähr das Hauptsächlichste, was sich über den Gedanken und den Ausdruck dieses Ge- mähldes sagen ließe.
Die Anordnung ist simpel, voller Ordnung und Weisheit. Die Zeichnung ist fein, und vorzüglich in den Köpfen und Gewändern zu bewundern. Kenner wollen hie und da einige nicht ganz glückliche Verkürzungen bemerken. Das Colorit und das Helldunkle sind nicht Hauptvorzüge dieses Gemähldes, das sehr von der Zeit und andern Unfällen gelitten hat. Jedoch sieht man der Ausführung diejenige Trockenheit nicht mehr an, die man dem Gemählde des Streits über das Sacrament vorwirft. Dem Schatten hat Raphael zuweilen durch Schraffirungen nach Zeichnungs-Art nachgeholfen.
Poesie
Der Vaticaniſche Pallaſt.
der Zeigefinger, der von der Naſe herabſinkt, laſſen die Worte hoͤren: Ja, nun habe ich’s verſtanden!
Ein dritter Schuͤler hat die Aufgabe ſich ſchon ganz zu eigen gemacht, er kehrt ſich gegen den vierten, ihm die Erklaͤrung mitzutheilen, und dieſer zeigt in Stellung und Minen die freudige Bewunderung, die ihm die Aufloͤſung dieſes gelehrten Raͤthſels erweckt. In dem letzten will man den Herzog von Mantua, Friederich Gonzaga finden.
Hinter dieſer Gruppe ſtehen noch einige Maͤnner, in denen man den Raphael, den Pietro Perugino, neben dem Zoroaſter und Giovanni della Caſa erken- nen will.
Unter den Figuren, die den Hintergrund fuͤllen, zeichne ich nur den Juͤngling aus, der mit Eifer das- jenige nachſchreibt, was ihm ein aͤlterer Philoſoph dictirt.
Dies waͤre ungefaͤhr das Hauptſaͤchlichſte, was ſich uͤber den Gedanken und den Ausdruck dieſes Ge- maͤhldes ſagen ließe.
Die Anordnung iſt ſimpel, voller Ordnung und Weisheit. Die Zeichnung iſt fein, und vorzuͤglich in den Koͤpfen und Gewaͤndern zu bewundern. Kenner wollen hie und da einige nicht ganz gluͤckliche Verkuͤrzungen bemerken. Das Colorit und das Helldunkle ſind nicht Hauptvorzuͤge dieſes Gemaͤhldes, das ſehr von der Zeit und andern Unfaͤllen gelitten hat. Jedoch ſieht man der Ausfuͤhrung diejenige Trockenheit nicht mehr an, die man dem Gemaͤhlde des Streits uͤber das Sacrament vorwirft. Dem Schatten hat Raphael zuweilen durch Schraffirungen nach Zeichnungs-Art nachgeholfen.
Poeſie
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
der Zeigefinger, der von der Naſe herabſinkt, laſſen
die Worte hoͤren: Ja, nun habe ich’s verſtanden!
Ein dritter Schuͤler hat die Aufgabe ſich ſchon
ganz zu eigen gemacht, er kehrt ſich gegen den vierten,
ihm die Erklaͤrung mitzutheilen, und dieſer zeigt in
Stellung und Minen die freudige Bewunderung, die
ihm die Aufloͤſung dieſes gelehrten Raͤthſels erweckt.
In dem letzten will man den Herzog von Mantua,
Friederich Gonzaga finden.
Hinter dieſer Gruppe ſtehen noch einige Maͤnner,
in denen man den Raphael, den Pietro Perugino,
neben dem Zoroaſter und Giovanni della Caſa erken-
nen will.
Unter den Figuren, die den Hintergrund fuͤllen,
zeichne ich nur den Juͤngling aus, der mit Eifer das-
jenige nachſchreibt, was ihm ein aͤlterer Philoſoph
dictirt.
Dies waͤre ungefaͤhr das Hauptſaͤchlichſte, was
ſich uͤber den Gedanken und den Ausdruck dieſes Ge-
maͤhldes ſagen ließe.
Die Anordnung iſt ſimpel, voller Ordnung und
Weisheit. Die Zeichnung iſt fein, und vorzuͤglich
in den Koͤpfen und Gewaͤndern zu bewundern.
Kenner wollen hie und da einige nicht ganz gluͤckliche
Verkuͤrzungen bemerken. Das Colorit und das
Helldunkle ſind nicht Hauptvorzuͤge dieſes Gemaͤhldes,
das ſehr von der Zeit und andern Unfaͤllen gelitten
hat. Jedoch ſieht man der Ausfuͤhrung diejenige
Trockenheit nicht mehr an, die man dem Gemaͤhlde
des Streits uͤber das Sacrament vorwirft. Dem
Schatten hat Raphael zuweilen durch Schraffirungen
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/190>, abgerufen am 16.02.2025.
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