Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abbitte
bezahlen konnte: Aber seine Geburt, und sein Amt
gaben ihm einen gewissen Rang, welcher Celsen
so ansehnlich vorkam, daß sie ihm alle seine Män-
gel und Untugenden verzieh, und auch ihre Reich-
thümer ihm überließ. Jst es wohl unbillig, daß
sie sich dafür bezahlt macht, und den Rang mit
Gewalt behauptet, dem sie ihren Geschmack, und
ihr Vermögen aufgeopfert hat? Noch eins: Jhr
Vater war der niederträchtigste Wucherer in der
Stadt; um sich einen kleinen Vortheil zu ver-
schaffen, war ihm keine Erniedrigung zu schimpf-
lich: Diesen Fehler ihres Vaters muß sie wieder
gut machen. So oft sie einen Rangstreit anfängt,
so oft glaubt sie das Andenken ihres Vaters aus
dem Staube zu erheben, und einen Theil ihrer
kindlichen Pflicht zu erfüllen. Sehen sie, gebie-
tende Celsa, wie viel Gewalt ich mir, und der Wahr-
heit anthue, ihren Ehrgeiz zu vertheidigen! Ver-
zeihen sie mir meinen Autorfehler, den ich began-
gen habe. Jch lege mich zu ihren Füßen, und
schwöre ihnen bey ihnen selbst, daß ich es künftig
keinem Menschen wieder sagen will, daß sie eine hoch-
müthige Thörinn sind, welche den Mangel eigner
Vollkommenheiten dadurch verbergen will, wenn
sie andern ihre Vorzüge streitig macht.



Jch kann es nicht läugnen; ich habe gesagt,
daß Alcimedore durch einen unüberlegten Auf-
wand ihren Mann an den Bettelstab, und ihre
Kinder um das Brodt bringt: Aber ich hätte be-
denken sollen, daß dieses ein sehr gemeiner Fehler

ist,

Abbitte
bezahlen konnte: Aber ſeine Geburt, und ſein Amt
gaben ihm einen gewiſſen Rang, welcher Celſen
ſo anſehnlich vorkam, daß ſie ihm alle ſeine Maͤn-
gel und Untugenden verzieh, und auch ihre Reich-
thuͤmer ihm uͤberließ. Jſt es wohl unbillig, daß
ſie ſich dafuͤr bezahlt macht, und den Rang mit
Gewalt behauptet, dem ſie ihren Geſchmack, und
ihr Vermoͤgen aufgeopfert hat? Noch eins: Jhr
Vater war der niedertraͤchtigſte Wucherer in der
Stadt; um ſich einen kleinen Vortheil zu ver-
ſchaffen, war ihm keine Erniedrigung zu ſchimpf-
lich: Dieſen Fehler ihres Vaters muß ſie wieder
gut machen. So oft ſie einen Rangſtreit anfaͤngt,
ſo oft glaubt ſie das Andenken ihres Vaters aus
dem Staube zu erheben, und einen Theil ihrer
kindlichen Pflicht zu erfuͤllen. Sehen ſie, gebie-
tende Celſa, wie viel Gewalt ich mir, und der Wahr-
heit anthue, ihren Ehrgeiz zu vertheidigen! Ver-
zeihen ſie mir meinen Autorfehler, den ich began-
gen habe. Jch lege mich zu ihren Fuͤßen, und
ſchwoͤre ihnen bey ihnen ſelbſt, daß ich es kuͤnftig
keinem Menſchen wieder ſagen will, daß ſie eine hoch-
muͤthige Thoͤrinn ſind, welche den Mangel eigner
Vollkommenheiten dadurch verbergen will, wenn
ſie andern ihre Vorzuͤge ſtreitig macht.



Jch kann es nicht laͤugnen; ich habe geſagt,
daß Alcimedore durch einen unuͤberlegten Auf-
wand ihren Mann an den Bettelſtab, und ihre
Kinder um das Brodt bringt: Aber ich haͤtte be-
denken ſollen, daß dieſes ein ſehr gemeiner Fehler

iſt,
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0612" n="590[588]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abbitte</hi></fw><lb/>
bezahlen konnte: Aber &#x017F;eine Geburt, und &#x017F;ein Amt<lb/>
gaben ihm einen gewi&#x017F;&#x017F;en Rang, welcher Cel&#x017F;en<lb/>
&#x017F;o an&#x017F;ehnlich vorkam, daß &#x017F;ie ihm alle &#x017F;eine Ma&#x0364;n-<lb/>
gel und Untugenden verzieh, und auch ihre Reich-<lb/>
thu&#x0364;mer ihm u&#x0364;berließ. J&#x017F;t es wohl unbillig, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich dafu&#x0364;r bezahlt macht, und den Rang mit<lb/>
Gewalt behauptet, dem &#x017F;ie ihren Ge&#x017F;chmack, und<lb/>
ihr Vermo&#x0364;gen aufgeopfert hat? Noch eins: Jhr<lb/>
Vater war der niedertra&#x0364;chtig&#x017F;te Wucherer in der<lb/>
Stadt; um &#x017F;ich einen kleinen Vortheil zu ver-<lb/>
&#x017F;chaffen, war ihm keine Erniedrigung zu &#x017F;chimpf-<lb/>
lich: Die&#x017F;en Fehler ihres Vaters muß &#x017F;ie wieder<lb/>
gut machen. So oft &#x017F;ie einen Rang&#x017F;treit anfa&#x0364;ngt,<lb/>
&#x017F;o oft glaubt &#x017F;ie das Andenken ihres Vaters aus<lb/>
dem Staube zu erheben, und einen Theil ihrer<lb/>
kindlichen Pflicht zu erfu&#x0364;llen. Sehen &#x017F;ie, gebie-<lb/>
tende Cel&#x017F;a, wie viel Gewalt ich mir, und der Wahr-<lb/>
heit anthue, ihren Ehrgeiz zu vertheidigen! Ver-<lb/>
zeihen &#x017F;ie mir meinen Autorfehler, den ich began-<lb/>
gen habe. Jch lege mich zu ihren Fu&#x0364;ßen, und<lb/>
&#x017F;chwo&#x0364;re ihnen bey ihnen &#x017F;elb&#x017F;t, daß ich es ku&#x0364;nftig<lb/>
keinem Men&#x017F;chen wieder &#x017F;agen will, daß &#x017F;ie eine hoch-<lb/>
mu&#x0364;thige Tho&#x0364;rinn &#x017F;ind, welche den Mangel eigner<lb/>
Vollkommenheiten dadurch verbergen will, wenn<lb/>
&#x017F;ie andern ihre Vorzu&#x0364;ge &#x017F;treitig macht.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Jch kann es nicht la&#x0364;ugnen; ich habe ge&#x017F;agt,<lb/>
daß <hi rendition="#fr">Alcimedore</hi> durch einen unu&#x0364;berlegten Auf-<lb/>
wand ihren Mann an den Bettel&#x017F;tab, und ihre<lb/>
Kinder um das Brodt bringt: Aber ich ha&#x0364;tte be-<lb/>
denken &#x017F;ollen, daß die&#x017F;es ein &#x017F;ehr gemeiner Fehler<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t,</fw><lb/></p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[590[588]/0612] Abbitte bezahlen konnte: Aber ſeine Geburt, und ſein Amt gaben ihm einen gewiſſen Rang, welcher Celſen ſo anſehnlich vorkam, daß ſie ihm alle ſeine Maͤn- gel und Untugenden verzieh, und auch ihre Reich- thuͤmer ihm uͤberließ. Jſt es wohl unbillig, daß ſie ſich dafuͤr bezahlt macht, und den Rang mit Gewalt behauptet, dem ſie ihren Geſchmack, und ihr Vermoͤgen aufgeopfert hat? Noch eins: Jhr Vater war der niedertraͤchtigſte Wucherer in der Stadt; um ſich einen kleinen Vortheil zu ver- ſchaffen, war ihm keine Erniedrigung zu ſchimpf- lich: Dieſen Fehler ihres Vaters muß ſie wieder gut machen. So oft ſie einen Rangſtreit anfaͤngt, ſo oft glaubt ſie das Andenken ihres Vaters aus dem Staube zu erheben, und einen Theil ihrer kindlichen Pflicht zu erfuͤllen. Sehen ſie, gebie- tende Celſa, wie viel Gewalt ich mir, und der Wahr- heit anthue, ihren Ehrgeiz zu vertheidigen! Ver- zeihen ſie mir meinen Autorfehler, den ich began- gen habe. Jch lege mich zu ihren Fuͤßen, und ſchwoͤre ihnen bey ihnen ſelbſt, daß ich es kuͤnftig keinem Menſchen wieder ſagen will, daß ſie eine hoch- muͤthige Thoͤrinn ſind, welche den Mangel eigner Vollkommenheiten dadurch verbergen will, wenn ſie andern ihre Vorzuͤge ſtreitig macht. Jch kann es nicht laͤugnen; ich habe geſagt, daß Alcimedore durch einen unuͤberlegten Auf- wand ihren Mann an den Bettelſtab, und ihre Kinder um das Brodt bringt: Aber ich haͤtte be- denken ſollen, daß dieſes ein ſehr gemeiner Fehler iſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/612
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 590[588]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/612>, abgerufen am 03.05.2024.