[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Abbitte verpfändeter Jubelen fährt eine Excellenz mitsechs Pferden, zwölf Bedienten, und einem brei- ten Bande. Hier bindet er einen Sack auf, und sieht darinnen den unausgebildeten Stoff zu einem Barone. Sechs Rittergüter liegen darneben in etlichen andern Beuteln. Hinter jenen Wechsel- briefen eines großen Hofmanns guckt dessen Fräu- lein Tochter, ein liebenswürdiges Kind, hervor, die der Vater gewiß gegen diese Wechselbriefe ver- tauschte, wenn unser alter Geizige sich entschlies- sen wollte, Rang und Güter zu kaufen, und die Hand seiner Tochter an sich zu handeln. Gär- ten, kostbare Kleider, Musik, und Gastereyen stek- ken alle in diesem einzigen Sacke. Wenn er je- nen Beutel mit tausend Ducaten daran wagen will: So schaffe ich ihn für vier hundert Ducaten zum Vater des Vaterlandes; vier hundert Duca- ten will ich einer gewissen ehrwürdigen Gesell- schaft geben, und in Kurzem soll er der heilige Harpax seyn; für hundert und acht und achzig Du- caten will ich ihm ein Dutzend Zueignungsschriften gewähren, die ihn, ungeachtet seiner Barbarey, zum Beschützer der Musen, ungeachtet seiner Dummheit zum Mäcenaten, ja, wenn er es verlangt, zum Apoll machen sollen, ob er schon beynahe weiter nichts, als zählen, schreiben, und lesen kann. Zwölf Ducaten sind von diesem Sacke noch übrig; was fange ich damit an? Gut! für zwölf Duca- ten soll ihn der fließendreimende Bav verewigen, und ihm einen Theil seiner Unsterblichkeit abtre- ten. Alle diese Glückseligkeiten sieht Harpax vor sich
Abbitte verpfaͤndeter Jubelen faͤhrt eine Excellenz mitſechs Pferden, zwoͤlf Bedienten, und einem brei- ten Bande. Hier bindet er einen Sack auf, und ſieht darinnen den unausgebildeten Stoff zu einem Barone. Sechs Ritterguͤter liegen darneben in etlichen andern Beuteln. Hinter jenen Wechſel- briefen eines großen Hofmanns guckt deſſen Fraͤu- lein Tochter, ein liebenswuͤrdiges Kind, hervor, die der Vater gewiß gegen dieſe Wechſelbriefe ver- tauſchte, wenn unſer alter Geizige ſich entſchlieſ- ſen wollte, Rang und Guͤter zu kaufen, und die Hand ſeiner Tochter an ſich zu handeln. Gaͤr- ten, koſtbare Kleider, Muſik, und Gaſtereyen ſtek- ken alle in dieſem einzigen Sacke. Wenn er je- nen Beutel mit tauſend Ducaten daran wagen will: So ſchaffe ich ihn fuͤr vier hundert Ducaten zum Vater des Vaterlandes; vier hundert Duca- ten will ich einer gewiſſen ehrwuͤrdigen Geſell- ſchaft geben, und in Kurzem ſoll er der heilige Harpax ſeyn; fuͤr hundert und acht und achzig Du- caten will ich ihm ein Dutzend Zueignungsſchriften gewaͤhren, die ihn, ungeachtet ſeiner Barbarey, zum Beſchuͤtzer der Muſen, ungeachtet ſeiner Dummheit zum Maͤcenaten, ja, wenn er es verlangt, zum Apoll machen ſollen, ob er ſchon beynahe weiter nichts, als zaͤhlen, ſchreiben, und leſen kann. Zwoͤlf Ducaten ſind von dieſem Sacke noch uͤbrig; was fange ich damit an? Gut! fuͤr zwoͤlf Duca- ten ſoll ihn der fließendreimende Bav verewigen, und ihm einen Theil ſeiner Unſterblichkeit abtre- ten. Alle dieſe Gluͤckſeligkeiten ſieht Harpax vor ſich
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Abbitte
verpfaͤndeter Jubelen faͤhrt eine Excellenz mit
ſechs Pferden, zwoͤlf Bedienten, und einem brei-
ten Bande. Hier bindet er einen Sack auf, und
ſieht darinnen den unausgebildeten Stoff zu einem
Barone. Sechs Ritterguͤter liegen darneben in
etlichen andern Beuteln. Hinter jenen Wechſel-
briefen eines großen Hofmanns guckt deſſen Fraͤu-
lein Tochter, ein liebenswuͤrdiges Kind, hervor,
die der Vater gewiß gegen dieſe Wechſelbriefe ver-
tauſchte, wenn unſer alter Geizige ſich entſchlieſ-
ſen wollte, Rang und Guͤter zu kaufen, und die
Hand ſeiner Tochter an ſich zu handeln. Gaͤr-
ten, koſtbare Kleider, Muſik, und Gaſtereyen ſtek-
ken alle in dieſem einzigen Sacke. Wenn er je-
nen Beutel mit tauſend Ducaten daran wagen
will: So ſchaffe ich ihn fuͤr vier hundert Ducaten
zum Vater des Vaterlandes; vier hundert Duca-
ten will ich einer gewiſſen ehrwuͤrdigen Geſell-
ſchaft geben, und in Kurzem ſoll er der heilige
Harpax ſeyn; fuͤr hundert und acht und achzig Du-
caten will ich ihm ein Dutzend Zueignungsſchriften
gewaͤhren, die ihn, ungeachtet ſeiner Barbarey,
zum Beſchuͤtzer der Muſen, ungeachtet ſeiner
Dummheit zum Maͤcenaten, ja, wenn er es verlangt,
zum Apoll machen ſollen, ob er ſchon beynahe
weiter nichts, als zaͤhlen, ſchreiben, und leſen kann.
Zwoͤlf Ducaten ſind von dieſem Sacke noch uͤbrig;
was fange ich damit an? Gut! fuͤr zwoͤlf Duca-
ten ſoll ihn der fließendreimende Bav verewigen,
und ihm einen Theil ſeiner Unſterblichkeit abtre-
ten. Alle dieſe Gluͤckſeligkeiten ſieht Harpax vor
ſich
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