er die glatte Haut, und die weichen Hände bewun- dern. Seinen Beichtvater wird er umhalsen, und zu ihm sagen: Der Teufel solle ihn holen, wenn er iemals so einen guten Gesellschafter gefunden habe, als Jhro Hochehrwürden: Aber mit dem Schmarozer, den er seit vielen Jahren als seinen gefälligsten Freund um sich hat, wird er über die Bulle Unigenitus disputiren. Das ist die Lebens- art, die Chamäleon heute anfängt; in ein paar Monaten wird er sie wieder ändern, weil er sich dadurch noch mehr Feinde, als durch seine Grob- heit gemacht hat. Er wird sie wieder ändern; aber er wird nur in neue Ausschweifungen ver- fallen.
45.
Nun ist er (54) fertig! Das war der letzte Vers. Glückliches Vaterland! Endlich hat einer von deinen witzigen Söhnen ein deutsches Original zu Stande gebracht, dessen sich kein Cor- neille schämen darf. Was für ein Lärm wird in den gelehrten Zeitungen darüber entstehen! Die Engelländer werden es gleich übersetzen lassen; die Franzosen nicht, denn diese sind auf den deut- schen Witz zu eifersüchtig. Noch ist er unschlüs- sig, auf welchem Theater er es soll aufführen las- sen. Koch? - - Je nun, ich will es ihm endlich gönnen - - Aber seine Frau muß die Hauptrolle nehmen, sonst mache ich Schönemannen dadurch
glück-
(54) Wer sonst, als Er?Quam pulchrum est, digitis mon- strari et dicier: HIC est!
Das Maͤrchen vom erſten April.
er die glatte Haut, und die weichen Haͤnde bewun- dern. Seinen Beichtvater wird er umhalſen, und zu ihm ſagen: Der Teufel ſolle ihn holen, wenn er iemals ſo einen guten Geſellſchafter gefunden habe, als Jhro Hochehrwuͤrden: Aber mit dem Schmarozer, den er ſeit vielen Jahren als ſeinen gefaͤlligſten Freund um ſich hat, wird er uͤber die Bulle Unigenitus diſputiren. Das iſt die Lebens- art, die Chamaͤleon heute anfaͤngt; in ein paar Monaten wird er ſie wieder aͤndern, weil er ſich dadurch noch mehr Feinde, als durch ſeine Grob- heit gemacht hat. Er wird ſie wieder aͤndern; aber er wird nur in neue Ausſchweifungen ver- fallen.
45.
Nun iſt er (54) fertig! Das war der letzte Vers. Gluͤckliches Vaterland! Endlich hat einer von deinen witzigen Soͤhnen ein deutſches Original zu Stande gebracht, deſſen ſich kein Cor- neille ſchaͤmen darf. Was fuͤr ein Laͤrm wird in den gelehrten Zeitungen daruͤber entſtehen! Die Engellaͤnder werden es gleich uͤberſetzen laſſen; die Franzoſen nicht, denn dieſe ſind auf den deut- ſchen Witz zu eiferſuͤchtig. Noch iſt er unſchluͤſ- ſig, auf welchem Theater er es ſoll auffuͤhren laſ- ſen. Koch? ‒ ‒ Je nun, ich will es ihm endlich goͤnnen ‒ ‒ Aber ſeine Frau muß die Hauptrolle nehmen, ſonſt mache ich Schoͤnemannen dadurch
gluͤck-
(54) Wer ſonſt, als Er?Quam pulchrum eſt, digitis mon- ſtrari et dicier: HIC eſt!
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[546[544]/0568]
Das Maͤrchen vom erſten April.
er die glatte Haut, und die weichen Haͤnde bewun-
dern. Seinen Beichtvater wird er umhalſen, und
zu ihm ſagen: Der Teufel ſolle ihn holen, wenn
er iemals ſo einen guten Geſellſchafter gefunden
habe, als Jhro Hochehrwuͤrden: Aber mit dem
Schmarozer, den er ſeit vielen Jahren als ſeinen
gefaͤlligſten Freund um ſich hat, wird er uͤber die
Bulle Unigenitus diſputiren. Das iſt die Lebens-
art, die Chamaͤleon heute anfaͤngt; in ein paar
Monaten wird er ſie wieder aͤndern, weil er ſich
dadurch noch mehr Feinde, als durch ſeine Grob-
heit gemacht hat. Er wird ſie wieder aͤndern;
aber er wird nur in neue Ausſchweifungen ver-
fallen.
45.
Nun iſt er (54) fertig! Das war der letzte
Vers. Gluͤckliches Vaterland! Endlich hat
einer von deinen witzigen Soͤhnen ein deutſches
Original zu Stande gebracht, deſſen ſich kein Cor-
neille ſchaͤmen darf. Was fuͤr ein Laͤrm wird in
den gelehrten Zeitungen daruͤber entſtehen! Die
Engellaͤnder werden es gleich uͤberſetzen laſſen;
die Franzoſen nicht, denn dieſe ſind auf den deut-
ſchen Witz zu eiferſuͤchtig. Noch iſt er unſchluͤſ-
ſig, auf welchem Theater er es ſoll auffuͤhren laſ-
ſen. Koch? ‒ ‒ Je nun, ich will es ihm endlich
goͤnnen ‒ ‒ Aber ſeine Frau muß die Hauptrolle
nehmen, ſonſt mache ich Schoͤnemannen dadurch
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 546[544]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/568>, abgerufen am 22.11.2024.
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