alle Tage daran erinnert, daß er ein Mensch sey. Nirgends ist seine Majestaet kleiner, als auf der Themse.
War bey Ihnen, in Frankreich, das berühmte Narrenfest etwas anders, als eine Schule der De- muth für die Geistlichen Ihres Landes? Sie war ein wenig ausschweifend, und beynahe rasend, ich kann es nicht laeugnen; aber eben diese Ra- serey hatte einen mystischen Verstand, den Herr Tilliot nicht wahrnehmen wollte, weil er gar zu vorsichtig wary).
Ich wundre mich, daß die Engellaender, und auch Ihre Landesleute, uns Deutschen die Hof- narren vorwerfenz), welche bey uns so einen großen Theil der fürstlichen Belustigungen, und dieses mit Recht, ausmachen. Sie suchen darin- nen einen Beweis eines unausgearbeiteten Ge- schmacks; ich aber sehe sie an, als einen Beweis der deutschen Freyheit, die uns billig so sehr am Her- zen liegt, und die wir, besonders gegen Sie, meine Herren, nicht eifersüchtig genug vertheidigen koennen. Ich koennte zum Ruhm unsrer auto- risirten Narren sehr vieles sagen: aber das ist schon Ruhm genug, daß sie den Beyfall unsrer Fürsten mit Lachen erlangen, um welchen sich so viele Hofleute Zeitlebens, aengstlich und kost-
bar,
y)Memoires pour servir a l' histoire de la Fete des Foux, qui se faisoit autrefois dans plusieurs eglises, par Mr. du Tilliot.
z)Von hundert Stellen will ich nur das XLVII. Stück im I. Theile des englischen Zuschauers anführen.
alle Tage daran erinnert, daß er ein Menſch ſey. Nirgends iſt ſeine Majeſtaet kleiner, als auf der Themſe.
War bey Ihnen, in Frankreich, das berühmte Narrenfeſt etwas anders, als eine Schule der De- muth für die Geiſtlichen Ihres Landes? Sie war ein wenig ausſchweifend, und beynahe raſend, ich kann es nicht laeugnen; aber eben dieſe Ra- ſerey hatte einen myſtiſchen Verſtand, den Herr Tilliot nicht wahrnehmen wollte, weil er gar zu vorſichtig wary).
Ich wundre mich, daß die Engellaender, und auch Ihre Landesleute, uns Deutſchen die Hof- narren vorwerfenz), welche bey uns ſo einen großen Theil der fürſtlichen Beluſtigungen, und dieſes mit Recht, ausmachen. Sie ſuchen darin- nen einen Beweis eines unausgearbeiteten Ge- ſchmacks; ich aber ſehe ſie an, als einen Beweis der deutſchen Freyheit, die uns billig ſo ſehr am Her- zen liegt, und die wir, beſonders gegen Sie, meine Herren, nicht eiferſüchtig genug vertheidigen koennen. Ich koennte zum Ruhm unſrer auto- riſirten Narren ſehr vieles ſagen: aber das iſt ſchon Ruhm genug, daß ſie den Beyfall unſrer Fürſten mit Lachen erlangen, um welchen ſich ſo viele Hofleute Zeitlebens, aengſtlich und koſt-
bar,
y)Memoires pour ſervir à l’ hiſtoire de la Fête des Foux, qui ſe faiſoit autrefois dans pluſieurs egliſes, par Mr. du Tilliot.
z)Von hundert Stellen will ich nur das XLVII. Stück im I. Theile des engliſchen Zuschauers anführen.
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alle Tage daran erinnert, daß er ein Menſch ſey.
Nirgends iſt ſeine Majeſtaet kleiner, als auf der
Themſe.
War bey Ihnen, in Frankreich, das berühmte
Narrenfeſt etwas anders, als eine Schule der De-
muth für die Geiſtlichen Ihres Landes? Sie war
ein wenig ausſchweifend, und beynahe raſend,
ich kann es nicht laeugnen; aber eben dieſe Ra-
ſerey hatte einen myſtiſchen Verſtand, den Herr
Tilliot nicht wahrnehmen wollte, weil er gar zu
vorſichtig war y).
Ich wundre mich, daß die Engellaender, und
auch Ihre Landesleute, uns Deutſchen die Hof-
narren vorwerfen z), welche bey uns ſo einen
großen Theil der fürſtlichen Beluſtigungen, und
dieſes mit Recht, ausmachen. Sie ſuchen darin-
nen einen Beweis eines unausgearbeiteten Ge-
ſchmacks; ich aber ſehe ſie an, als einen Beweis der
deutſchen Freyheit, die uns billig ſo ſehr am Her-
zen liegt, und die wir, beſonders gegen Sie, meine
Herren, nicht eiferſüchtig genug vertheidigen
koennen. Ich koennte zum Ruhm unſrer auto-
riſirten Narren ſehr vieles ſagen: aber das iſt
ſchon Ruhm genug, daß ſie den Beyfall unſrer
Fürſten mit Lachen erlangen, um welchen ſich
ſo viele Hofleute Zeitlebens, aengſtlich und koſt-
bar,
y) Memoires pour ſervir à l’ hiſtoire de la Fête des Foux,
qui ſe faiſoit autrefois dans pluſieurs egliſes, par Mr.
du Tilliot.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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