Nunmehr, da ich Ihre wahre Absicht ent- deckt habe, kann ich mit Ihnen schon ein we- nig vertrauter reden, und ich habe weniger Ur- sache, dasjenige mühsam zu erlaeutern, was ich bereits oben gründlich erwiesen habe. Was ich also hievon noch sagen werde, das sage ich nur in der Absicht, mich gegen Sie deutlicher zu erklaeren, nicht aber in der Meynung, Ihnen ei- ne Wahrheit begreiflich zu machen, von der Sie lange vorher überzeugt waren, noch ehe Sie mir die Gelegenheit wiesen, ihr selbst nachzu- denken.
Diese neue Vertraulichkeit, die ich mit Ih- nen itzo gestiftet habe, verbindet mich, Ihnen aufrichtig zu bekennen, was die Zweifel, die ich hier ausführe, bey mir zuerst veranlasst habe. Ich las in der Utrechter Zeitung die Stelle von Ihrer Aufgabe, mit eben der gleichgültigen Un- achtsamkeit, mit der ich die Nachricht von den Actien der ostindischen Compagnie lese. In dem Augenblicke kam meiner Frau Bruder ins Zimmer gestolpert, stürzte auf mich los, um- armte mich, fluchte sein Cadedis, und fragte mich mit gebrochnem Deutsche: Wo hat der Donner deine Frau? Glauben Sie vielleicht, dass dieser Mensch aus dem Tollhause entsprungen sey? Unwahrscheinlich ist es nicht. Allein, mit Ihrer Erlaubniss, es war ein junger Deutscher, der den Augenblick aus Paris kam, wo er sich sechs Wochen aufgehalten hatte. Meine Frau empfieng ihn schwesterlich; aber das Erste, was
er
C c 5
Nunmehr, da ich Ihre wahre Abſicht ent- deckt habe, kann ich mit Ihnen ſchon ein we- nig vertrauter reden, und ich habe weniger Ur- ſache, dasjenige mühſam zu erlaeutern, was ich bereits oben gründlich erwieſen habe. Was ich alſo hievon noch ſagen werde, das ſage ich nur in der Abſicht, mich gegen Sie deutlicher zu erklaeren, nicht aber in der Meynung, Ihnen ei- ne Wahrheit begreiflich zu machen, von der Sie lange vorher überzeugt waren, noch ehe Sie mir die Gelegenheit wieſen, ihr ſelbſt nachzu- denken.
Dieſe neue Vertraulichkeit, die ich mit Ih- nen itzo geſtiftet habe, verbindet mich, Ihnen aufrichtig zu bekennen, was die Zweifel, die ich hier ausführe, bey mir zuerſt veranlaſst habe. Ich las in der Utrechter Zeitung die Stelle von Ihrer Aufgabe, mit eben der gleichgültigen Un- achtſamkeit, mit der ich die Nachricht von den Actien der oſtindiſchen Compagnie leſe. In dem Augenblicke kam meiner Frau Bruder ins Zimmer geſtolpert, ſtürzte auf mich los, um- armte mich, fluchte ſein Cadedis, und fragte mich mit gebrochnem Deutſche: Wo hat der Donner deine Frau? Glauben Sie vielleicht, daſs dieſer Menſch aus dem Tollhauſe entſprungen ſey? Unwahrſcheinlich iſt es nicht. Allein, mit Ihrer Erlaubniſs, es war ein junger Deutſcher, der den Augenblick aus Paris kam, wo er ſich ſechs Wochen aufgehalten hatte. Meine Frau empfieng ihn ſchweſterlich; aber das Erſte, was
er
C c 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0431"n="409"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw><p><hirendition="#aq">Nunmehr, da ich Ihre wahre Abſicht ent-<lb/>
deckt habe, kann ich mit Ihnen ſchon ein we-<lb/>
nig vertrauter reden, und ich habe weniger Ur-<lb/>ſache, dasjenige mühſam zu erlaeutern, was ich<lb/>
bereits oben gründlich erwieſen habe. Was ich<lb/>
alſo hievon noch ſagen werde, das ſage ich nur<lb/>
in der Abſicht, mich gegen Sie deutlicher zu<lb/>
erklaeren, nicht aber in der Meynung, Ihnen ei-<lb/>
ne Wahrheit begreiflich zu machen, von der<lb/>
Sie lange vorher überzeugt waren, noch ehe Sie<lb/>
mir die Gelegenheit wieſen, ihr ſelbſt nachzu-<lb/>
denken.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Dieſe neue Vertraulichkeit, die ich mit Ih-<lb/>
nen itzo geſtiftet habe, verbindet mich, Ihnen<lb/>
aufrichtig zu bekennen, was die Zweifel, die ich<lb/>
hier ausführe, bey mir zuerſt veranlaſst habe.<lb/>
Ich las in der Utrechter Zeitung die Stelle von<lb/>
Ihrer Aufgabe, mit eben der gleichgültigen Un-<lb/>
achtſamkeit, mit der ich die Nachricht von den<lb/>
Actien der oſtindiſchen Compagnie leſe. In<lb/>
dem Augenblicke kam meiner Frau Bruder ins<lb/>
Zimmer geſtolpert, ſtürzte auf mich los, um-<lb/>
armte mich, fluchte ſein Cadedis, und fragte<lb/>
mich mit gebrochnem Deutſche: Wo hat der<lb/>
Donner deine Frau? Glauben Sie vielleicht, daſs<lb/>
dieſer Menſch aus dem Tollhauſe entſprungen<lb/>ſey? Unwahrſcheinlich iſt es nicht. Allein, mit<lb/>
Ihrer Erlaubniſs, es war ein junger Deutſcher,<lb/>
der den Augenblick aus Paris kam, wo er ſich<lb/>ſechs Wochen aufgehalten hatte. Meine Frau<lb/>
empfieng ihn ſchweſterlich; aber das Erſte, was</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">C c 5</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">er</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[409/0431]
Nunmehr, da ich Ihre wahre Abſicht ent-
deckt habe, kann ich mit Ihnen ſchon ein we-
nig vertrauter reden, und ich habe weniger Ur-
ſache, dasjenige mühſam zu erlaeutern, was ich
bereits oben gründlich erwieſen habe. Was ich
alſo hievon noch ſagen werde, das ſage ich nur
in der Abſicht, mich gegen Sie deutlicher zu
erklaeren, nicht aber in der Meynung, Ihnen ei-
ne Wahrheit begreiflich zu machen, von der
Sie lange vorher überzeugt waren, noch ehe Sie
mir die Gelegenheit wieſen, ihr ſelbſt nachzu-
denken.
Dieſe neue Vertraulichkeit, die ich mit Ih-
nen itzo geſtiftet habe, verbindet mich, Ihnen
aufrichtig zu bekennen, was die Zweifel, die ich
hier ausführe, bey mir zuerſt veranlaſst habe.
Ich las in der Utrechter Zeitung die Stelle von
Ihrer Aufgabe, mit eben der gleichgültigen Un-
achtſamkeit, mit der ich die Nachricht von den
Actien der oſtindiſchen Compagnie leſe. In
dem Augenblicke kam meiner Frau Bruder ins
Zimmer geſtolpert, ſtürzte auf mich los, um-
armte mich, fluchte ſein Cadedis, und fragte
mich mit gebrochnem Deutſche: Wo hat der
Donner deine Frau? Glauben Sie vielleicht, daſs
dieſer Menſch aus dem Tollhauſe entſprungen
ſey? Unwahrſcheinlich iſt es nicht. Allein, mit
Ihrer Erlaubniſs, es war ein junger Deutſcher,
der den Augenblick aus Paris kam, wo er ſich
ſechs Wochen aufgehalten hatte. Meine Frau
empfieng ihn ſchweſterlich; aber das Erſte, was
er
C c 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/431>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.