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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Nunmehr, da ich Ihre wahre Absicht ent-
deckt habe, kann ich mit Ihnen schon ein we-
nig vertrauter reden, und ich habe weniger Ur-
sache, dasjenige mühsam zu erlaeutern, was ich
bereits oben gründlich erwiesen habe. Was ich
also hievon noch sagen werde, das sage ich nur
in der Absicht, mich gegen Sie deutlicher zu
erklaeren, nicht aber in der Meynung, Ihnen ei-
ne Wahrheit begreiflich zu machen, von der
Sie lange vorher überzeugt waren, noch ehe Sie
mir die Gelegenheit wiesen, ihr selbst nachzu-
denken.

Diese neue Vertraulichkeit, die ich mit Ih-
nen itzo gestiftet habe, verbindet mich, Ihnen
aufrichtig zu bekennen, was die Zweifel, die ich
hier ausführe, bey mir zuerst veranlasst habe.
Ich las in der Utrechter Zeitung die Stelle von
Ihrer Aufgabe, mit eben der gleichgültigen Un-
achtsamkeit, mit der ich die Nachricht von den
Actien der ostindischen Compagnie lese. In
dem Augenblicke kam meiner Frau Bruder ins
Zimmer gestolpert, stürzte auf mich los, um-
armte mich, fluchte sein Cadedis, und fragte
mich mit gebrochnem Deutsche: Wo hat der
Donner deine Frau? Glauben Sie vielleicht, dass
dieser Mensch aus dem Tollhause entsprungen
sey? Unwahrscheinlich ist es nicht. Allein, mit
Ihrer Erlaubniss, es war ein junger Deutscher,
der den Augenblick aus Paris kam, wo er sich
sechs Wochen aufgehalten hatte. Meine Frau
empfieng ihn schwesterlich; aber das Erste, was

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Nunmehr, da ich Ihre wahre Abſicht ent-
deckt habe, kann ich mit Ihnen ſchon ein we-
nig vertrauter reden, und ich habe weniger Ur-
ſache, dasjenige mühſam zu erlaeutern, was ich
bereits oben gründlich erwieſen habe. Was ich
alſo hievon noch ſagen werde, das ſage ich nur
in der Abſicht, mich gegen Sie deutlicher zu
erklaeren, nicht aber in der Meynung, Ihnen ei-
ne Wahrheit begreiflich zu machen, von der
Sie lange vorher überzeugt waren, noch ehe Sie
mir die Gelegenheit wieſen, ihr ſelbſt nachzu-
denken.

Dieſe neue Vertraulichkeit, die ich mit Ih-
nen itzo geſtiftet habe, verbindet mich, Ihnen
aufrichtig zu bekennen, was die Zweifel, die ich
hier ausführe, bey mir zuerſt veranlaſst habe.
Ich las in der Utrechter Zeitung die Stelle von
Ihrer Aufgabe, mit eben der gleichgültigen Un-
achtſamkeit, mit der ich die Nachricht von den
Actien der oſtindiſchen Compagnie leſe. In
dem Augenblicke kam meiner Frau Bruder ins
Zimmer geſtolpert, ſtürzte auf mich los, um-
armte mich, fluchte ſein Cadedis, und fragte
mich mit gebrochnem Deutſche: Wo hat der
Donner deine Frau? Glauben Sie vielleicht, daſs
dieſer Menſch aus dem Tollhauſe entſprungen
ſey? Unwahrſcheinlich iſt es nicht. Allein, mit
Ihrer Erlaubniſs, es war ein junger Deutſcher,
der den Augenblick aus Paris kam, wo er ſich
ſechs Wochen aufgehalten hatte. Meine Frau
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[409/0431] Nunmehr, da ich Ihre wahre Abſicht ent- deckt habe, kann ich mit Ihnen ſchon ein we- nig vertrauter reden, und ich habe weniger Ur- ſache, dasjenige mühſam zu erlaeutern, was ich bereits oben gründlich erwieſen habe. Was ich alſo hievon noch ſagen werde, das ſage ich nur in der Abſicht, mich gegen Sie deutlicher zu erklaeren, nicht aber in der Meynung, Ihnen ei- ne Wahrheit begreiflich zu machen, von der Sie lange vorher überzeugt waren, noch ehe Sie mir die Gelegenheit wieſen, ihr ſelbſt nachzu- denken. Dieſe neue Vertraulichkeit, die ich mit Ih- nen itzo geſtiftet habe, verbindet mich, Ihnen aufrichtig zu bekennen, was die Zweifel, die ich hier ausführe, bey mir zuerſt veranlaſst habe. Ich las in der Utrechter Zeitung die Stelle von Ihrer Aufgabe, mit eben der gleichgültigen Un- achtſamkeit, mit der ich die Nachricht von den Actien der oſtindiſchen Compagnie leſe. In dem Augenblicke kam meiner Frau Bruder ins Zimmer geſtolpert, ſtürzte auf mich los, um- armte mich, fluchte ſein Cadedis, und fragte mich mit gebrochnem Deutſche: Wo hat der Donner deine Frau? Glauben Sie vielleicht, daſs dieſer Menſch aus dem Tollhauſe entſprungen ſey? Unwahrſcheinlich iſt es nicht. Allein, mit Ihrer Erlaubniſs, es war ein junger Deutſcher, der den Augenblick aus Paris kam, wo er ſich ſechs Wochen aufgehalten hatte. Meine Frau empfieng ihn ſchweſterlich; aber das Erſte, was er C c 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/431>, abgerufen am 22.11.2024.