[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Abhandlung von Sprüchwörtern. Besten des Staats erfodert wird. Gemeiniglicheifert niemand so sehr, als der Kaufmann, über die erhöhten Auflagen, und er bedenkt nicht, daß man die Handlung vornehmlich um deßwillen in Aufnahme zu bringen sucht, damit der Staat Bür- ger habe, welche von ihrem Ueberflusse dasjenige abgeben können, was zu Beschützung des Landes, und zu Erhaltung der innerlichen Sicherheit un- entbehrlich ist. Die Seufzer über den Verfall der Nahrung sind oft ungegründet, und gemei- niglich nur eine Folge ihres Geizes, und des Nei- des über die beßre Nahrung andrer Häuser. Ueber den Mangel des guten Geldes können sie nicht klagen, ohne zugleich ihren eigennützigen Wucher zu verdammen, der an diesem Mangel die meiste Schuld hat. Eben so ungerecht sind ihre Klagen über die Verschwendung. Jn der That würde es sehr schlecht um die Handlung aussehen, wenn die Welt anfienge, sparsam zu seyn, und sich nur mit dem Nothdürftigen zu behelfen. Leute von dergleichen ungegründeten Vorurtheilen glauben immer, die meiste Einsicht in Sachen zu haben, die den Staat und die Handlung angehen. Diese Thorheit giebt mir das Recht, sie zu meiner Ge- dankensteuer zu ziehen, wenn sie noch länger die Erlaubniß haben wollen, so patriotisch zu murren. Beym Eingange des Verdecks saß ein junger fiel
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. Beſten des Staats erfodert wird. Gemeiniglicheifert niemand ſo ſehr, als der Kaufmann, uͤber die erhoͤhten Auflagen, und er bedenkt nicht, daß man die Handlung vornehmlich um deßwillen in Aufnahme zu bringen ſucht, damit der Staat Buͤr- ger habe, welche von ihrem Ueberfluſſe dasjenige abgeben koͤnnen, was zu Beſchuͤtzung des Landes, und zu Erhaltung der innerlichen Sicherheit un- entbehrlich iſt. Die Seufzer uͤber den Verfall der Nahrung ſind oft ungegruͤndet, und gemei- niglich nur eine Folge ihres Geizes, und des Nei- des uͤber die beßre Nahrung andrer Haͤuſer. Ueber den Mangel des guten Geldes koͤnnen ſie nicht klagen, ohne zugleich ihren eigennuͤtzigen Wucher zu verdammen, der an dieſem Mangel die meiſte Schuld hat. Eben ſo ungerecht ſind ihre Klagen uͤber die Verſchwendung. Jn der That wuͤrde es ſehr ſchlecht um die Handlung ausſehen, wenn die Welt anfienge, ſparſam zu ſeyn, und ſich nur mit dem Nothduͤrftigen zu behelfen. Leute von dergleichen ungegruͤndeten Vorurtheilen glauben immer, die meiſte Einſicht in Sachen zu haben, die den Staat und die Handlung angehen. Dieſe Thorheit giebt mir das Recht, ſie zu meiner Ge- dankenſteuer zu ziehen, wenn ſie noch laͤnger die Erlaubniß haben wollen, ſo patriotiſch zu murren. Beym Eingange des Verdecks ſaß ein junger fiel
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Beſten des Staats erfodert wird. Gemeiniglich
eifert niemand ſo ſehr, als der Kaufmann, uͤber
die erhoͤhten Auflagen, und er bedenkt nicht, daß
man die Handlung vornehmlich um deßwillen in
Aufnahme zu bringen ſucht, damit der Staat Buͤr-
ger habe, welche von ihrem Ueberfluſſe dasjenige
abgeben koͤnnen, was zu Beſchuͤtzung des Landes,
und zu Erhaltung der innerlichen Sicherheit un-
entbehrlich iſt. Die Seufzer uͤber den Verfall
der Nahrung ſind oft ungegruͤndet, und gemei-
niglich nur eine Folge ihres Geizes, und des Nei-
des uͤber die beßre Nahrung andrer Haͤuſer. Ueber
den Mangel des guten Geldes koͤnnen ſie nicht
klagen, ohne zugleich ihren eigennuͤtzigen Wucher zu
verdammen, der an dieſem Mangel die meiſte
Schuld hat. Eben ſo ungerecht ſind ihre Klagen
uͤber die Verſchwendung. Jn der That wuͤrde
es ſehr ſchlecht um die Handlung ausſehen, wenn
die Welt anfienge, ſparſam zu ſeyn, und ſich nur
mit dem Nothduͤrftigen zu behelfen. Leute von
dergleichen ungegruͤndeten Vorurtheilen glauben
immer, die meiſte Einſicht in Sachen zu haben,
die den Staat und die Handlung angehen. Dieſe
Thorheit giebt mir das Recht, ſie zu meiner Ge-
dankenſteuer zu ziehen, wenn ſie noch laͤnger die
Erlaubniß haben wollen, ſo patriotiſch zu murren.
Beym Eingange des Verdecks ſaß ein junger
Menſch, welcher, wie ich aus ſeiner Kleidung
vermuthen konnte, ſich dem geiſtlichen Stande
gewidmet hatte. Gleich ſein Eintritt in das Schiff
fiel
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