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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
be sie beleidigt? Kann man denn nicht von ei-
nem Ochsen reden, der Heu zwischen den Hör-
nern hat, ohne daß sie dadurch beleidigt werden?
Und dennoch drohen sie mir in der Stellung
eines Mannes, der den Verstand in der Faust
hat? Halten sie an sich, oder ich werde um Hül-
fe rufen! Zum wenigsten sagen sie mir nur ihren
Namen; und aus welchem Dorfe sind sie? - - -
O! mein Herr, ich bitte um Vergebung; das
hätte ich mir nimmermehr träumen lassen.
Also sind sie ein deutscher Kunstrichter? Und
dieser handfeste Schwarm, der mit aufgehabnen
Fäusten, und blökenden Zähnen ihnen beyzuste-
hen droht; Wer sind denn diese? - - - Auch
Kunstrichter! So errette mich der Himmel!
Gnade, meine Herren! Jch will gern keine Ge-
dankensteuer von ihnen fodern: Nur lassen sie
mich in Ruhe.

Wie unvorsichtig habe ich gehandelt, daß
ich die Gelehrten aus ihren Löchern hervorge-
bannt habe! O! meine Herren, gehen sie zu-
rück; Jch bitte sie innständigst, gehen sie alle
wieder zurück in ihre Studierstuben. Die Messe
ist vor der Thüre; die Pressen warten auf ihre
gelehrten Schriften; bringen sie die Nachwelt
nicht um das Vergnügen, ihre Werke zu bewun-
dern; eilen sie der Unsterblichkeit mit starken
Schritten entgegen; nicht einen Augenblick dür-
fen sie versäumen.

Sie

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
be ſie beleidigt? Kann man denn nicht von ei-
nem Ochſen reden, der Heu zwiſchen den Hoͤr-
nern hat, ohne daß ſie dadurch beleidigt werden?
Und dennoch drohen ſie mir in der Stellung
eines Mannes, der den Verſtand in der Fauſt
hat? Halten ſie an ſich, oder ich werde um Huͤl-
fe rufen! Zum wenigſten ſagen ſie mir nur ihren
Namen; und aus welchem Dorfe ſind ſie? ‒ ‒ ‒
O! mein Herr, ich bitte um Vergebung; das
haͤtte ich mir nimmermehr traͤumen laſſen.
Alſo ſind ſie ein deutſcher Kunſtrichter? Und
dieſer handfeſte Schwarm, der mit aufgehabnen
Faͤuſten, und bloͤkenden Zaͤhnen ihnen beyzuſte-
hen droht; Wer ſind denn dieſe? ‒ ‒ ‒ Auch
Kunſtrichter! So errette mich der Himmel!
Gnade, meine Herren! Jch will gern keine Ge-
dankenſteuer von ihnen fodern: Nur laſſen ſie
mich in Ruhe.

Wie unvorſichtig habe ich gehandelt, daß
ich die Gelehrten aus ihren Loͤchern hervorge-
bannt habe! O! meine Herren, gehen ſie zu-
ruͤck; Jch bitte ſie innſtaͤndigſt, gehen ſie alle
wieder zuruͤck in ihre Studierſtuben. Die Meſſe
iſt vor der Thuͤre; die Preſſen warten auf ihre
gelehrten Schriften; bringen ſie die Nachwelt
nicht um das Vergnuͤgen, ihre Werke zu bewun-
dern; eilen ſie der Unſterblichkeit mit ſtarken
Schritten entgegen; nicht einen Augenblick duͤr-
fen ſie verſaͤumen.

Sie
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[347/0369] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. be ſie beleidigt? Kann man denn nicht von ei- nem Ochſen reden, der Heu zwiſchen den Hoͤr- nern hat, ohne daß ſie dadurch beleidigt werden? Und dennoch drohen ſie mir in der Stellung eines Mannes, der den Verſtand in der Fauſt hat? Halten ſie an ſich, oder ich werde um Huͤl- fe rufen! Zum wenigſten ſagen ſie mir nur ihren Namen; und aus welchem Dorfe ſind ſie? ‒ ‒ ‒ O! mein Herr, ich bitte um Vergebung; das haͤtte ich mir nimmermehr traͤumen laſſen. Alſo ſind ſie ein deutſcher Kunſtrichter? Und dieſer handfeſte Schwarm, der mit aufgehabnen Faͤuſten, und bloͤkenden Zaͤhnen ihnen beyzuſte- hen droht; Wer ſind denn dieſe? ‒ ‒ ‒ Auch Kunſtrichter! So errette mich der Himmel! Gnade, meine Herren! Jch will gern keine Ge- dankenſteuer von ihnen fodern: Nur laſſen ſie mich in Ruhe. Wie unvorſichtig habe ich gehandelt, daß ich die Gelehrten aus ihren Loͤchern hervorge- bannt habe! O! meine Herren, gehen ſie zu- ruͤck; Jch bitte ſie innſtaͤndigſt, gehen ſie alle wieder zuruͤck in ihre Studierſtuben. Die Meſſe iſt vor der Thuͤre; die Preſſen warten auf ihre gelehrten Schriften; bringen ſie die Nachwelt nicht um das Vergnuͤgen, ihre Werke zu bewun- dern; eilen ſie der Unſterblichkeit mit ſtarken Schritten entgegen; nicht einen Augenblick duͤr- fen ſie verſaͤumen. Sie

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/369>, abgerufen am 17.05.2024.