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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
sind denn die alten Junggesellen nicht noch lächer-
licher, da die Mannspersonen die ungerechte Frey-
heit haben, nach den Frauenzimmern zu gehen,
und sich eine Frau nach ihrem guten Gefallen im
Lande auszulesen; die armen eingesperrten Mäd-
chen aber nur hinterm Vorhange lauern dürfen,
ob jemand kommen und sie suchen will? Und diesem
ungeachtet ist man so barbarisch, der armen Kin-
der zu spotten, wenn sie bis in ihr vierzigstes Jahr
vergebens aufgelauert haben! Jch nehme mich
hiermit dieser Verlaßnen an, und bekenne vor der
ganzen deutschen Welt, daß über eine Jungfer,
welche weder durch ihre unvorsichtige Aufführung,
noch durch ihre Sprödigkeit, ihr Glück, wie es
die Mannspersonen nennen, von sich gestoßen hat,
welche nur vielleicht aus Mangel der Schönheit,
aus Mangel des Vermögens, oder aus einem ge-
wöhnlichen Eigensinne, des Schicksals bis in ihr
vierzigstes Jahr einsam, und doch bey ihrer gesit-
teten Aufführung ungeändert geblieben ist; daß,
sage ich, über dieses Frauenzimmer nur Thoren
spotten, und daß sie bey Vernünftigen unendlich
mehr Hochachtung verdient, als eine Frau, welche
sich in die Arme des Mannes geworfen hat, um
bey ihren Ausschweifungen desto sichrer zu seyn.
Jch würde zu ihrer Vertheidigung noch viel mehr
anführen können, wenn ich nicht befürchten müß-
te, man möchte meinen Eifer für eigennütz hal-
ten, und gewisse Absichten darunter suchen, da
ich ein frischer Wittwer bin. Jch will also ge-
genwärtig nur so viel noch sagen, daß alte Jung-

fern
S 3

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſind denn die alten Junggeſellen nicht noch laͤcher-
licher, da die Mannsperſonen die ungerechte Frey-
heit haben, nach den Frauenzimmern zu gehen,
und ſich eine Frau nach ihrem guten Gefallen im
Lande auszuleſen; die armen eingeſperrten Maͤd-
chen aber nur hinterm Vorhange lauern duͤrfen,
ob jemand kommen und ſie ſuchen will? Und dieſem
ungeachtet iſt man ſo barbariſch, der armen Kin-
der zu ſpotten, wenn ſie bis in ihr vierzigſtes Jahr
vergebens aufgelauert haben! Jch nehme mich
hiermit dieſer Verlaßnen an, und bekenne vor der
ganzen deutſchen Welt, daß uͤber eine Jungfer,
welche weder durch ihre unvorſichtige Auffuͤhrung,
noch durch ihre Sproͤdigkeit, ihr Gluͤck, wie es
die Mannsperſonen nennen, von ſich geſtoßen hat,
welche nur vielleicht aus Mangel der Schoͤnheit,
aus Mangel des Vermoͤgens, oder aus einem ge-
woͤhnlichen Eigenſinne, des Schickſals bis in ihr
vierzigſtes Jahr einſam, und doch bey ihrer geſit-
teten Auffuͤhrung ungeaͤndert geblieben iſt; daß,
ſage ich, uͤber dieſes Frauenzimmer nur Thoren
ſpotten, und daß ſie bey Vernuͤnftigen unendlich
mehr Hochachtung verdient, als eine Frau, welche
ſich in die Arme des Mannes geworfen hat, um
bey ihren Ausſchweifungen deſto ſichrer zu ſeyn.
Jch wuͤrde zu ihrer Vertheidigung noch viel mehr
anfuͤhren koͤnnen, wenn ich nicht befuͤrchten muͤß-
te, man moͤchte meinen Eifer fuͤr eigennuͤtz hal-
ten, und gewiſſe Abſichten darunter ſuchen, da
ich ein friſcher Wittwer bin. Jch will alſo ge-
genwaͤrtig nur ſo viel noch ſagen, daß alte Jung-

fern
S 3
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[277/0299] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ſind denn die alten Junggeſellen nicht noch laͤcher- licher, da die Mannsperſonen die ungerechte Frey- heit haben, nach den Frauenzimmern zu gehen, und ſich eine Frau nach ihrem guten Gefallen im Lande auszuleſen; die armen eingeſperrten Maͤd- chen aber nur hinterm Vorhange lauern duͤrfen, ob jemand kommen und ſie ſuchen will? Und dieſem ungeachtet iſt man ſo barbariſch, der armen Kin- der zu ſpotten, wenn ſie bis in ihr vierzigſtes Jahr vergebens aufgelauert haben! Jch nehme mich hiermit dieſer Verlaßnen an, und bekenne vor der ganzen deutſchen Welt, daß uͤber eine Jungfer, welche weder durch ihre unvorſichtige Auffuͤhrung, noch durch ihre Sproͤdigkeit, ihr Gluͤck, wie es die Mannsperſonen nennen, von ſich geſtoßen hat, welche nur vielleicht aus Mangel der Schoͤnheit, aus Mangel des Vermoͤgens, oder aus einem ge- woͤhnlichen Eigenſinne, des Schickſals bis in ihr vierzigſtes Jahr einſam, und doch bey ihrer geſit- teten Auffuͤhrung ungeaͤndert geblieben iſt; daß, ſage ich, uͤber dieſes Frauenzimmer nur Thoren ſpotten, und daß ſie bey Vernuͤnftigen unendlich mehr Hochachtung verdient, als eine Frau, welche ſich in die Arme des Mannes geworfen hat, um bey ihren Ausſchweifungen deſto ſichrer zu ſeyn. Jch wuͤrde zu ihrer Vertheidigung noch viel mehr anfuͤhren koͤnnen, wenn ich nicht befuͤrchten muͤß- te, man moͤchte meinen Eifer fuͤr eigennuͤtz hal- ten, und gewiſſe Abſichten darunter ſuchen, da ich ein friſcher Wittwer bin. Jch will alſo ge- genwaͤrtig nur ſo viel noch ſagen, daß alte Jung- fern S 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/299>, abgerufen am 22.11.2024.