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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.

Es folgt also hieraus, daß die Natur alles
thut, daß die Erziehung ganz überflüßig, wenig-
stens in dem Falle nicht nöthig ist, wo man nur
die vornehme Absicht hat, angesehen, groß und
reich zu werden; mit einem Worte, wo die Ge-
burt uns in die glücklichen Umstände setzet, daß
wir Verstand und Tugend entbehren können.

Jch kann den ungeschickten Einwurf noch
immer nicht verschmerzen, den man mir oben
von der nöthigen Abrichtung unvernünftiger Thie-
re gemacht hat. Gesetzt nun auch, es wäre nö-
thig, die Jugend eben so mühsam zu unterrich-
ten; folgte denn hieraus, daß man davon eben
den Nutzen, wie bey den Thieren, haben könnte,
und daß es der Kosten und Mühe wohl werth sey,
die man darauf wenden muß?

Sagen sie mir einmal, gnädiger Junker, was
ist ihnen lieber, ihr Pferd, oder ihre Gemahlinn,
ihr Hünerhund, oder ihr Sohn? Wahrhaftig,
ich müßte sie nicht kennen, ich müßte nicht eine
Stunde lang bey ihnen gewesen seyn, wenn ich
nicht wüßte, daß ihnen Pferd und Hund lieber sey,
als Frau und Kind. Wie edel denken Jhro Gna-
den; wie unendlich ist ihre Einsicht über die nie-
drigen Vorurtheile des unadlichen Pöbels erha-
ben! Jch erinnere mich mit unterthäniger Ehr-
furcht derjenigen Messe noch sehr wohl, da sie ih-
ren Apfelschimmel kauften. Sie boten den guten
Rath aller ihrer Freunde auf, sie brauchten drey
Tage Zeit, ehe sie sich zu diesem Kaufe entschlies-

sen
J 5
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.

Es folgt alſo hieraus, daß die Natur alles
thut, daß die Erziehung ganz uͤberfluͤßig, wenig-
ſtens in dem Falle nicht noͤthig iſt, wo man nur
die vornehme Abſicht hat, angeſehen, groß und
reich zu werden; mit einem Worte, wo die Ge-
burt uns in die gluͤcklichen Umſtaͤnde ſetzet, daß
wir Verſtand und Tugend entbehren koͤnnen.

Jch kann den ungeſchickten Einwurf noch
immer nicht verſchmerzen, den man mir oben
von der noͤthigen Abrichtung unvernuͤnftiger Thie-
re gemacht hat. Geſetzt nun auch, es waͤre noͤ-
thig, die Jugend eben ſo muͤhſam zu unterrich-
ten; folgte denn hieraus, daß man davon eben
den Nutzen, wie bey den Thieren, haben koͤnnte,
und daß es der Koſten und Muͤhe wohl werth ſey,
die man darauf wenden muß?

Sagen ſie mir einmal, gnaͤdiger Junker, was
iſt ihnen lieber, ihr Pferd, oder ihre Gemahlinn,
ihr Huͤnerhund, oder ihr Sohn? Wahrhaftig,
ich muͤßte ſie nicht kennen, ich muͤßte nicht eine
Stunde lang bey ihnen geweſen ſeyn, wenn ich
nicht wuͤßte, daß ihnen Pferd und Hund lieber ſey,
als Frau und Kind. Wie edel denken Jhro Gna-
den; wie unendlich iſt ihre Einſicht uͤber die nie-
drigen Vorurtheile des unadlichen Poͤbels erha-
ben! Jch erinnere mich mit unterthaͤniger Ehr-
furcht derjenigen Meſſe noch ſehr wohl, da ſie ih-
ren Apfelſchimmel kauften. Sie boten den guten
Rath aller ihrer Freunde auf, ſie brauchten drey
Tage Zeit, ehe ſie ſich zu dieſem Kaufe entſchlieſ-

ſen
J 5
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[137/0159] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. Es folgt alſo hieraus, daß die Natur alles thut, daß die Erziehung ganz uͤberfluͤßig, wenig- ſtens in dem Falle nicht noͤthig iſt, wo man nur die vornehme Abſicht hat, angeſehen, groß und reich zu werden; mit einem Worte, wo die Ge- burt uns in die gluͤcklichen Umſtaͤnde ſetzet, daß wir Verſtand und Tugend entbehren koͤnnen. Jch kann den ungeſchickten Einwurf noch immer nicht verſchmerzen, den man mir oben von der noͤthigen Abrichtung unvernuͤnftiger Thie- re gemacht hat. Geſetzt nun auch, es waͤre noͤ- thig, die Jugend eben ſo muͤhſam zu unterrich- ten; folgte denn hieraus, daß man davon eben den Nutzen, wie bey den Thieren, haben koͤnnte, und daß es der Koſten und Muͤhe wohl werth ſey, die man darauf wenden muß? Sagen ſie mir einmal, gnaͤdiger Junker, was iſt ihnen lieber, ihr Pferd, oder ihre Gemahlinn, ihr Huͤnerhund, oder ihr Sohn? Wahrhaftig, ich muͤßte ſie nicht kennen, ich muͤßte nicht eine Stunde lang bey ihnen geweſen ſeyn, wenn ich nicht wuͤßte, daß ihnen Pferd und Hund lieber ſey, als Frau und Kind. Wie edel denken Jhro Gna- den; wie unendlich iſt ihre Einſicht uͤber die nie- drigen Vorurtheile des unadlichen Poͤbels erha- ben! Jch erinnere mich mit unterthaͤniger Ehr- furcht derjenigen Meſſe noch ſehr wohl, da ſie ih- ren Apfelſchimmel kauften. Sie boten den guten Rath aller ihrer Freunde auf, ſie brauchten drey Tage Zeit, ehe ſie ſich zu dieſem Kaufe entſchlieſ- ſen J 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/159>, abgerufen am 24.11.2024.