Die Gastfreyheit des fürstlichen Beamten setzt euch in Verwunderung! Er ist prächtig; alle die mit ihm speisen wollen, empfängt er mit offnen Armen; er läßt den Wein in euern Keller schaf- fen, ohne daß ihr es vorher wißt. So lange er auf der Messe zu Frankfurt sich aufhält, so lange ist seine Tafel die offne Tafel für alle Diener sei- nes Prinzen, und für alle ihre Freunde. Jst das nicht von einem Pachter unerhört? Ja wohl! Aber wißt ihr nicht, daß der Prinz tractirt, und niemals der Beamte. Wer soll es nun wagen, und dem Prinzen den Betrug verrathen, ohne sich selbst um so viele nahrhafte Mahlzeiten zu bringen, und ohne den Haß so vieler auf sich zu laden, wel- che unmöglich reden können, da sie das Maul voll haben? Leben, und leben lassen! Damit beru- higen sie ihr Gewissen, und werden fett.
Aus diesem kurzen Abrisse kann man sehen, daß in dem Sprüchworte: Eine Hand wäscht die andere, die Philosophie des Hofs, und alles begriffen ist, was der Mensch braucht, sein Glück zu machen.
Wie können also diejenigen verlangen, glück- lich zu seyn, welche zu ungeschickt oder zu eigen- sinnig sind, die Vorschriften dieses Sprüchworts zu beobachten? Es giebt Leute, welche nach ihrer Art zu reden, sich ein Gewissen daraus machen, dergleichen Mittel zur Beförderung ihres Glücks anzuwenden. Sie erwarten es mit aufgesperrtem Maule. Dieser stolzen Unbewegsamkeit wissen
sie
Antons Panßa von Mancha
Die Gaſtfreyheit des fuͤrſtlichen Beamten ſetzt euch in Verwunderung! Er iſt praͤchtig; alle die mit ihm ſpeiſen wollen, empfaͤngt er mit offnen Armen; er laͤßt den Wein in euern Keller ſchaf- fen, ohne daß ihr es vorher wißt. So lange er auf der Meſſe zu Frankfurt ſich aufhaͤlt, ſo lange iſt ſeine Tafel die offne Tafel fuͤr alle Diener ſei- nes Prinzen, und fuͤr alle ihre Freunde. Jſt das nicht von einem Pachter unerhoͤrt? Ja wohl! Aber wißt ihr nicht, daß der Prinz tractirt, und niemals der Beamte. Wer ſoll es nun wagen, und dem Prinzen den Betrug verrathen, ohne ſich ſelbſt um ſo viele nahrhafte Mahlzeiten zu bringen, und ohne den Haß ſo vieler auf ſich zu laden, wel- che unmoͤglich reden koͤnnen, da ſie das Maul voll haben? Leben, und leben laſſen! Damit beru- higen ſie ihr Gewiſſen, und werden fett.
Aus dieſem kurzen Abriſſe kann man ſehen, daß in dem Spruͤchworte: Eine Hand waͤſcht die andere, die Philoſophie des Hofs, und alles begriffen iſt, was der Menſch braucht, ſein Gluͤck zu machen.
Wie koͤnnen alſo diejenigen verlangen, gluͤck- lich zu ſeyn, welche zu ungeſchickt oder zu eigen- ſinnig ſind, die Vorſchriften dieſes Spruͤchworts zu beobachten? Es giebt Leute, welche nach ihrer Art zu reden, ſich ein Gewiſſen daraus machen, dergleichen Mittel zur Befoͤrderung ihres Gluͤcks anzuwenden. Sie erwarten es mit aufgeſperrtem Maule. Dieſer ſtolzen Unbewegſamkeit wiſſen
ſie
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Antons Panßa von Mancha
Die Gaſtfreyheit des fuͤrſtlichen Beamten ſetzt
euch in Verwunderung! Er iſt praͤchtig; alle die
mit ihm ſpeiſen wollen, empfaͤngt er mit offnen
Armen; er laͤßt den Wein in euern Keller ſchaf-
fen, ohne daß ihr es vorher wißt. So lange er
auf der Meſſe zu Frankfurt ſich aufhaͤlt, ſo lange
iſt ſeine Tafel die offne Tafel fuͤr alle Diener ſei-
nes Prinzen, und fuͤr alle ihre Freunde. Jſt
das nicht von einem Pachter unerhoͤrt? Ja wohl!
Aber wißt ihr nicht, daß der Prinz tractirt, und
niemals der Beamte. Wer ſoll es nun wagen,
und dem Prinzen den Betrug verrathen, ohne ſich
ſelbſt um ſo viele nahrhafte Mahlzeiten zu bringen,
und ohne den Haß ſo vieler auf ſich zu laden, wel-
che unmoͤglich reden koͤnnen, da ſie das Maul voll
haben? Leben, und leben laſſen! Damit beru-
higen ſie ihr Gewiſſen, und werden fett.
Aus dieſem kurzen Abriſſe kann man ſehen,
daß in dem Spruͤchworte: Eine Hand waͤſcht
die andere, die Philoſophie des Hofs, und alles
begriffen iſt, was der Menſch braucht, ſein Gluͤck
zu machen.
Wie koͤnnen alſo diejenigen verlangen, gluͤck-
lich zu ſeyn, welche zu ungeſchickt oder zu eigen-
ſinnig ſind, die Vorſchriften dieſes Spruͤchworts
zu beobachten? Es giebt Leute, welche nach ihrer
Art zu reden, ſich ein Gewiſſen daraus machen,
dergleichen Mittel zur Befoͤrderung ihres Gluͤcks
anzuwenden. Sie erwarten es mit aufgeſperrtem
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/154>, abgerufen am 24.11.2024.
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