[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. "Richterstuben werden besetzt, wie andere Aemter;"wollen wir von ihnen mehr verlangen, als von "andern Aemtern? Oftmals, und nur gar zu oft "nimmt der Richter zwey Dritttheile von der ge- "rechten Sache für sich; in das übrige Dritttheil "theilen sich seine Schreiber, die Advocaten, und "die Partheyen. Was hilft mir bey dieser Plün- "derung die augenscheinlichste Gerechtigkeit, die "auf meiner Seite ist? Wie glücklich bin ich, wie "viel gewinne ich nicht, wenn ich die hohe Kunst "verstehe, einem eigennützigen und unwissenden "Richter auf eine anständige Art, und mit gutem "Nachdrucke begreiflich zu machen, daß meine Sache "gerechter ist, als die Sache meines Gegenparts, "oder, im Kanzleystyl zu reden, wenn ich weis, "meinen Richter zu bestechen. "Das ist alles Pedanterey, was der unnütze wahren
Satyriſche Briefe. „Richterſtuben werden beſetzt, wie andere Aemter;„wollen wir von ihnen mehr verlangen, als von „andern Aemtern? Oftmals, und nur gar zu oft „nimmt der Richter zwey Dritttheile von der ge- „rechten Sache fuͤr ſich; in das uͤbrige Dritttheil „theilen ſich ſeine Schreiber, die Advocaten, und „die Partheyen. Was hilft mir bey dieſer Pluͤn- „derung die augenſcheinlichſte Gerechtigkeit, die „auf meiner Seite iſt? Wie gluͤcklich bin ich, wie „viel gewinne ich nicht, wenn ich die hohe Kunſt „verſtehe, einem eigennuͤtzigen und unwiſſenden „Richter auf eine anſtaͤndige Art, und mit gutem „Nachdrucke begreiflich zu machen, daß meine Sache „gerechter iſt, als die Sache meines Gegenparts, „oder, im Kanzleyſtyl zu reden, wenn ich weis, „meinen Richter zu beſtechen. „Das iſt alles Pedanterey, was der unnuͤtze wahren
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Satyriſche Briefe.
„Richterſtuben werden beſetzt, wie andere Aemter;
„wollen wir von ihnen mehr verlangen, als von
„andern Aemtern? Oftmals, und nur gar zu oft
„nimmt der Richter zwey Dritttheile von der ge-
„rechten Sache fuͤr ſich; in das uͤbrige Dritttheil
„theilen ſich ſeine Schreiber, die Advocaten, und
„die Partheyen. Was hilft mir bey dieſer Pluͤn-
„derung die augenſcheinlichſte Gerechtigkeit, die
„auf meiner Seite iſt? Wie gluͤcklich bin ich, wie
„viel gewinne ich nicht, wenn ich die hohe Kunſt
„verſtehe, einem eigennuͤtzigen und unwiſſenden
„Richter auf eine anſtaͤndige Art, und mit gutem
„Nachdrucke begreiflich zu machen, daß meine Sache
„gerechter iſt, als die Sache meines Gegenparts,
„oder, im Kanzleyſtyl zu reden, wenn ich weis,
„meinen Richter zu beſtechen.
„Das iſt alles Pedanterey, was der unnuͤtze
„Fleiß muͤßiger Rechtsgelehrten von der Erklaͤ-
„rung der Geſetze geſchrieben hat. Fuͤr wen
„ſchreiben ſie dieſes? Fuͤr den Richter? Viele von
„ihnen leſen nicht einmal die Geſetze, wie ſollen ſie
„Geduld genug haben, die trocknen Erklaͤrungen
„zu leſen? Fuͤr die Advocaten? Den wenigſten un-
„ter ihnen iſt daran etwas gelegen, daß die Ge-
„ſetze deutlich ſind. Fuͤr die Partheyen? Was
„hilft es den Partheyen, Erklaͤrungen zu wiſſen,
„die dem Richter zu ekelhaft, und den Advocaten
„in ihrer Nahrung ſo nachtheilig ſind? Die ſi-
„cherſte, die beſte, die vortheilhafteſte Art, den
wahren
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