[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. hatte mir vorgenommen, sie redlich zu bezahlen.Jch that es auch wirklich bey dem Tode meines Vaters, dessen Verlassenschaft aber so ansehnlich nicht war, daß ich es ohne meine Unbequemlichkeit hätte thun können. Die Gelegenheit, die ich fand, bey Hofe mein Glück zu machen, nöthigte mich zu einem Aufwande, der über meine Kräfte gieng. Jch borgte vom neuen, und bey ieder Stufe, die ich höher stieg, verwickelte ich mich in neue Schulden. Diejenigen, die mir itzt Geld vorstreckten, waren größtentheils eben so ungewissenhaft, als diejenigen Wuchrer, welche mich auf Schulen geplündert hat- ten. Mit einem Worte, eine jede Schuld nöthigte mich, eine noch schlimmere Schuld zu machen, um mich von jener zu befreyen; und ich wagte alles dar- an, um den Ruhm nicht zu verlieren, daß ich ein ehrlicher Mann sey. Nunmehr bin ich aber so weit getrieben, daß ich nicht mehr weiß, wie ich mich ret- ten soll. Sehn Sie, mein Herr, das ist die wahre Ge- begier-
Satyriſche Briefe. hatte mir vorgenommen, ſie redlich zu bezahlen.Jch that es auch wirklich bey dem Tode meines Vaters, deſſen Verlaſſenſchaft aber ſo anſehnlich nicht war, daß ich es ohne meine Unbequemlichkeit haͤtte thun koͤnnen. Die Gelegenheit, die ich fand, bey Hofe mein Gluͤck zu machen, noͤthigte mich zu einem Aufwande, der uͤber meine Kraͤfte gieng. Jch borgte vom neuen, und bey ieder Stufe, die ich hoͤher ſtieg, verwickelte ich mich in neue Schulden. Diejenigen, die mir itzt Geld vorſtreckten, waren groͤßtentheils eben ſo ungewiſſenhaft, als diejenigen Wuchrer, welche mich auf Schulen gepluͤndert hat- ten. Mit einem Worte, eine jede Schuld noͤthigte mich, eine noch ſchlimmere Schuld zu machen, um mich von jener zu befreyen; und ich wagte alles dar- an, um den Ruhm nicht zu verlieren, daß ich ein ehrlicher Mann ſey. Nunmehr bin ich aber ſo weit getrieben, daß ich nicht mehr weiß, wie ich mich ret- ten ſoll. Sehn Sie, mein Herr, das iſt die wahre Ge- begier-
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Satyriſche Briefe.
hatte mir vorgenommen, ſie redlich zu bezahlen.
Jch that es auch wirklich bey dem Tode meines
Vaters, deſſen Verlaſſenſchaft aber ſo anſehnlich
nicht war, daß ich es ohne meine Unbequemlichkeit
haͤtte thun koͤnnen. Die Gelegenheit, die ich fand,
bey Hofe mein Gluͤck zu machen, noͤthigte mich zu
einem Aufwande, der uͤber meine Kraͤfte gieng.
Jch borgte vom neuen, und bey ieder Stufe, die ich
hoͤher ſtieg, verwickelte ich mich in neue Schulden.
Diejenigen, die mir itzt Geld vorſtreckten, waren
groͤßtentheils eben ſo ungewiſſenhaft, als diejenigen
Wuchrer, welche mich auf Schulen gepluͤndert hat-
ten. Mit einem Worte, eine jede Schuld noͤthigte
mich, eine noch ſchlimmere Schuld zu machen, um
mich von jener zu befreyen; und ich wagte alles dar-
an, um den Ruhm nicht zu verlieren, daß ich ein
ehrlicher Mann ſey. Nunmehr bin ich aber ſo weit
getrieben, daß ich nicht mehr weiß, wie ich mich ret-
ten ſoll.
Sehn Sie, mein Herr, das iſt die wahre Ge-
ſchichte meines Ungluͤcks, und die Genealogie aller
meiner itzigen Schulden. Jch habe ſie Jhnen mit
Fleiß ſo umſtaͤndlich geſchrieben, damit Sie nicht
allein Gelegenheit haben ſollen, von mir beſſer zu
denken, ſondern auch von andern Cavaliern eine bil-
ligere Meynung zu faſſen, die, wie ich, ihre Schul-
den nicht bezahlen koͤnnen, und die oft bey dem red-
lichſten Herzen, das Sie haben, bankrut werden
muͤſſen. Sie werden nach und nach eingeflochten,
bis Sie ganz verlohren gehn. Die Ungerechtigkeit
ihrer Glaͤubiger, unrichtige Begriffe von der Ehr-
begier-
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