Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
müssen. Unter hunderten werden funfzig durch
diese unüberlegte Treuherzigkeit bankrut. Wer
sein Vermögen selbst verschwendet, genießt doch
noch etwas dafür; wer sich aber mit verbürgt, der
muß in eines andern Namen verhungern. Nimm
mir diese Predigt nicht übel. Du kennst mich; und
wenn ja eins seyn soll, so ist es besser, Du wirst
itzt ein wenig auf mich verdrießlich, da ich Dir es
abschlage, als wenn Du künftig mein Todfeind wer-
den solltest; und das würdest Du gewi[ß] wenn ich
mein Geld von Dir wieder haben wollte. Du
dauerst mich von ganzem Herzen, Herr Bruder,
bey meiner Seele, von ganzem Herzen; aber wie
soll ich Dir helfen? Geld habe ich nicht, das weißt
Du, dazu bin ich zu vornehm, und über ein halbes
Jahr, wenn wir bezahlen sollten, hätte ich gewiß
eben so wenig Geld. Was wollten wir hernach
beide anfangen, da Du itzt allein nicht weißt, was
Du machen sollst? Es ist schlimm genug, daß wir
den christlichen Wuchrern so viel gute Worte ge-
geben müssen, wenn wir Geld borgen; laß ihn
Dir nun wieder gute Worte geben, bis Du ihn be-
zahlst. Rechnen das die Schurken für nichts, daß
wir sie unsrer Freundschaft versichern, ihnen alle
unsre Dienste anbieten, uns vor ihnen bücken und
demüthigen, wenn wir ihnen die Gnade erzei-
gen, und ihnen für zweytausend Thaler ein
Blättchen Pappier geben. Hätten sie nicht
mehr Geld, als wir, und brauchten wir nicht das
nothdürftig, was sie überflüssig haben: so woll-

ten

Satyriſche Briefe.
muͤſſen. Unter hunderten werden funfzig durch
dieſe unuͤberlegte Treuherzigkeit bankrut. Wer
ſein Vermoͤgen ſelbſt verſchwendet, genießt doch
noch etwas dafuͤr; wer ſich aber mit verbuͤrgt, der
muß in eines andern Namen verhungern. Nimm
mir dieſe Predigt nicht uͤbel. Du kennſt mich; und
wenn ja eins ſeyn ſoll, ſo iſt es beſſer, Du wirſt
itzt ein wenig auf mich verdrießlich, da ich Dir es
abſchlage, als wenn Du kuͤnftig mein Todfeind wer-
den ſollteſt; und das wuͤrdeſt Du gewi[ß] wenn ich
mein Geld von Dir wieder haben wollte. Du
dauerſt mich von ganzem Herzen, Herr Bruder,
bey meiner Seele, von ganzem Herzen; aber wie
ſoll ich Dir helfen? Geld habe ich nicht, das weißt
Du, dazu bin ich zu vornehm, und uͤber ein halbes
Jahr, wenn wir bezahlen ſollten, haͤtte ich gewiß
eben ſo wenig Geld. Was wollten wir hernach
beide anfangen, da Du itzt allein nicht weißt, was
Du machen ſollſt? Es iſt ſchlimm genug, daß wir
den chriſtlichen Wuchrern ſo viel gute Worte ge-
geben muͤſſen, wenn wir Geld borgen; laß ihn
Dir nun wieder gute Worte geben, bis Du ihn be-
zahlſt. Rechnen das die Schurken fuͤr nichts, daß
wir ſie unſrer Freundſchaft verſichern, ihnen alle
unſre Dienſte anbieten, uns vor ihnen buͤcken und
demuͤthigen, wenn wir ihnen die Gnade erzei-
gen, und ihnen fuͤr zweytauſend Thaler ein
Blaͤttchen Pappier geben. Haͤtten ſie nicht
mehr Geld, als wir, und brauchten wir nicht das
nothduͤrftig, was ſie uͤberfluͤſſig haben: ſo woll-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div n="2">
              <div type="letter">
                <p><pb facs="#f0423" n="395"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Unter hunderten werden funfzig durch<lb/>
die&#x017F;e unu&#x0364;berlegte Treuherzigkeit bankrut. Wer<lb/>
&#x017F;ein Vermo&#x0364;gen &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;chwendet, genießt doch<lb/>
noch etwas dafu&#x0364;r; wer &#x017F;ich aber mit verbu&#x0364;rgt, der<lb/>
muß in eines andern Namen verhungern. Nimm<lb/>
mir die&#x017F;e Predigt nicht u&#x0364;bel. Du kenn&#x017F;t mich; und<lb/>
wenn ja eins &#x017F;eyn &#x017F;oll, &#x017F;o i&#x017F;t es be&#x017F;&#x017F;er, Du wir&#x017F;t<lb/>
itzt ein wenig auf mich verdrießlich, da ich Dir es<lb/>
ab&#x017F;chlage, als wenn Du ku&#x0364;nftig mein Todfeind wer-<lb/>
den &#x017F;ollte&#x017F;t; und das wu&#x0364;rde&#x017F;t Du gewi<supplied>ß</supplied> wenn ich<lb/>
mein Geld von Dir wieder haben wollte. Du<lb/>
dauer&#x017F;t mich von ganzem Herzen, Herr Bruder,<lb/>
bey meiner Seele, von ganzem Herzen; aber wie<lb/>
&#x017F;oll ich Dir helfen? Geld habe ich nicht, das weißt<lb/>
Du, dazu bin ich zu vornehm, und u&#x0364;ber ein halbes<lb/>
Jahr, wenn wir bezahlen &#x017F;ollten, ha&#x0364;tte ich gewiß<lb/>
eben &#x017F;o wenig Geld. Was wollten wir hernach<lb/>
beide anfangen, da Du itzt allein nicht weißt, was<lb/>
Du machen &#x017F;oll&#x017F;t? Es i&#x017F;t &#x017F;chlimm genug, daß wir<lb/>
den chri&#x017F;tlichen Wuchrern &#x017F;o viel gute Worte ge-<lb/>
geben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wenn wir Geld borgen; laß ihn<lb/>
Dir nun wieder gute Worte geben, bis Du ihn be-<lb/>
zahl&#x017F;t. Rechnen das die Schurken fu&#x0364;r nichts, daß<lb/>
wir &#x017F;ie un&#x017F;rer Freund&#x017F;chaft ver&#x017F;ichern, ihnen alle<lb/>
un&#x017F;re Dien&#x017F;te anbieten, uns vor ihnen bu&#x0364;cken und<lb/>
demu&#x0364;thigen, wenn wir ihnen die Gnade erzei-<lb/>
gen, und ihnen fu&#x0364;r zweytau&#x017F;end Thaler ein<lb/>
Bla&#x0364;ttchen Pappier geben. Ha&#x0364;tten &#x017F;ie nicht<lb/>
mehr Geld, als wir, und brauchten wir nicht das<lb/>
nothdu&#x0364;rftig, was &#x017F;ie u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig haben: &#x017F;o woll-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0423] Satyriſche Briefe. muͤſſen. Unter hunderten werden funfzig durch dieſe unuͤberlegte Treuherzigkeit bankrut. Wer ſein Vermoͤgen ſelbſt verſchwendet, genießt doch noch etwas dafuͤr; wer ſich aber mit verbuͤrgt, der muß in eines andern Namen verhungern. Nimm mir dieſe Predigt nicht uͤbel. Du kennſt mich; und wenn ja eins ſeyn ſoll, ſo iſt es beſſer, Du wirſt itzt ein wenig auf mich verdrießlich, da ich Dir es abſchlage, als wenn Du kuͤnftig mein Todfeind wer- den ſollteſt; und das wuͤrdeſt Du gewiß wenn ich mein Geld von Dir wieder haben wollte. Du dauerſt mich von ganzem Herzen, Herr Bruder, bey meiner Seele, von ganzem Herzen; aber wie ſoll ich Dir helfen? Geld habe ich nicht, das weißt Du, dazu bin ich zu vornehm, und uͤber ein halbes Jahr, wenn wir bezahlen ſollten, haͤtte ich gewiß eben ſo wenig Geld. Was wollten wir hernach beide anfangen, da Du itzt allein nicht weißt, was Du machen ſollſt? Es iſt ſchlimm genug, daß wir den chriſtlichen Wuchrern ſo viel gute Worte ge- geben muͤſſen, wenn wir Geld borgen; laß ihn Dir nun wieder gute Worte geben, bis Du ihn be- zahlſt. Rechnen das die Schurken fuͤr nichts, daß wir ſie unſrer Freundſchaft verſichern, ihnen alle unſre Dienſte anbieten, uns vor ihnen buͤcken und demuͤthigen, wenn wir ihnen die Gnade erzei- gen, und ihnen fuͤr zweytauſend Thaler ein Blaͤttchen Pappier geben. Haͤtten ſie nicht mehr Geld, als wir, und brauchten wir nicht das nothduͤrftig, was ſie uͤberfluͤſſig haben: ſo woll- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/423
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/423>, abgerufen am 23.11.2024.