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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
meinen Vorältern versagt hat, durch Geld erlau-
gen soll? Aber werde ich Sie deßwegen aufrichti-
ger lieben, als es itzt geschieht? Werde ich, da
Sie so billig sind, in Jhren Augen mehr Verdien-
ste erlangen? Jch glaube keins von beiden. Ver-
langen Sie es schlechterdings: so will ichs thun:
aber, ich gestehe es, ich thue es ungern. Nicht
darum, daß ich es denenjenigen übel auslegte, wel-
che es für nöthig hielten, sich in den Adel einzukau-
fen; keineswegs. Es giebt Fälle, wo der Adel
eine Belohnung auch für bürgerliche Tugenden ist:
und sie ist nöthig, auch andre aufzumuntern, sich
um ihr Vaterland verdient zu machen. Jch,
Gnädiges Fräulein, ich habe um mein Vaterland
keine Verdienste weiter, als ein redliches Herz,
und die Reichthümer meiner Aeltern. Auf das
erste bin ich stolz; aber eine so allgemeine Pflicht,
als diese ist, redlich zu seyn, giebt uns noch kein
Recht, eine so wichtige Belohnung, als die Erhe-
bung in den Adelstand ist, dafür zu fodern. Auf
meinen Reichthum hingegen habe ich gar nicht Ur-
sache stolz zu seyn. Es ist ein Glück, das der
nichtswürdigste Mensch erlangt haben würde, wenn
er meines Vaters einziger Sohn gewesen wäre.
Kann ich es also wohl wagen, mich unter den Adel
zu drängen, ohne den Vorwurf zu verdienen, der
denen, die zu dieser vorzüglichen Würde gelangen,
gemeiniglich, und nur zuweilen ohne Grund, ge-
macht wird? Die von Adel, welche vernünftig sind,
würden mit meiner Eitelkeit Mitleiden haben; die

aber,

Satyriſche Briefe.
meinen Voraͤltern verſagt hat, durch Geld erlau-
gen ſoll? Aber werde ich Sie deßwegen aufrichti-
ger lieben, als es itzt geſchieht? Werde ich, da
Sie ſo billig ſind, in Jhren Augen mehr Verdien-
ſte erlangen? Jch glaube keins von beiden. Ver-
langen Sie es ſchlechterdings: ſo will ichs thun:
aber, ich geſtehe es, ich thue es ungern. Nicht
darum, daß ich es denenjenigen uͤbel auslegte, wel-
che es fuͤr noͤthig hielten, ſich in den Adel einzukau-
fen; keineswegs. Es giebt Faͤlle, wo der Adel
eine Belohnung auch fuͤr buͤrgerliche Tugenden iſt:
und ſie iſt noͤthig, auch andre aufzumuntern, ſich
um ihr Vaterland verdient zu machen. Jch,
Gnaͤdiges Fraͤulein, ich habe um mein Vaterland
keine Verdienſte weiter, als ein redliches Herz,
und die Reichthuͤmer meiner Aeltern. Auf das
erſte bin ich ſtolz; aber eine ſo allgemeine Pflicht,
als dieſe iſt, redlich zu ſeyn, giebt uns noch kein
Recht, eine ſo wichtige Belohnung, als die Erhe-
bung in den Adelſtand iſt, dafuͤr zu fodern. Auf
meinen Reichthum hingegen habe ich gar nicht Ur-
ſache ſtolz zu ſeyn. Es iſt ein Gluͤck, das der
nichtswuͤrdigſte Menſch erlangt haben wuͤrde, wenn
er meines Vaters einziger Sohn geweſen waͤre.
Kann ich es alſo wohl wagen, mich unter den Adel
zu draͤngen, ohne den Vorwurf zu verdienen, der
denen, die zu dieſer vorzuͤglichen Wuͤrde gelangen,
gemeiniglich, und nur zuweilen ohne Grund, ge-
macht wird? Die von Adel, welche vernuͤnftig ſind,
wuͤrden mit meiner Eitelkeit Mitleiden haben; die

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[370/0398] Satyriſche Briefe. meinen Voraͤltern verſagt hat, durch Geld erlau- gen ſoll? Aber werde ich Sie deßwegen aufrichti- ger lieben, als es itzt geſchieht? Werde ich, da Sie ſo billig ſind, in Jhren Augen mehr Verdien- ſte erlangen? Jch glaube keins von beiden. Ver- langen Sie es ſchlechterdings: ſo will ichs thun: aber, ich geſtehe es, ich thue es ungern. Nicht darum, daß ich es denenjenigen uͤbel auslegte, wel- che es fuͤr noͤthig hielten, ſich in den Adel einzukau- fen; keineswegs. Es giebt Faͤlle, wo der Adel eine Belohnung auch fuͤr buͤrgerliche Tugenden iſt: und ſie iſt noͤthig, auch andre aufzumuntern, ſich um ihr Vaterland verdient zu machen. Jch, Gnaͤdiges Fraͤulein, ich habe um mein Vaterland keine Verdienſte weiter, als ein redliches Herz, und die Reichthuͤmer meiner Aeltern. Auf das erſte bin ich ſtolz; aber eine ſo allgemeine Pflicht, als dieſe iſt, redlich zu ſeyn, giebt uns noch kein Recht, eine ſo wichtige Belohnung, als die Erhe- bung in den Adelſtand iſt, dafuͤr zu fodern. Auf meinen Reichthum hingegen habe ich gar nicht Ur- ſache ſtolz zu ſeyn. Es iſt ein Gluͤck, das der nichtswuͤrdigſte Menſch erlangt haben wuͤrde, wenn er meines Vaters einziger Sohn geweſen waͤre. Kann ich es alſo wohl wagen, mich unter den Adel zu draͤngen, ohne den Vorwurf zu verdienen, der denen, die zu dieſer vorzuͤglichen Wuͤrde gelangen, gemeiniglich, und nur zuweilen ohne Grund, ge- macht wird? Die von Adel, welche vernuͤnftig ſind, wuͤrden mit meiner Eitelkeit Mitleiden haben; die aber,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/398>, abgerufen am 17.06.2024.