wie heute. Unmöglich ist es Jhr Ernst, daß Sie diesen schematischen Mann heirathen wollen. Ver- zeihn Sie mir diesen Ausdruck; mein Bruder nennte ihn so, und lachte erschrecklich dazu. Es muß wohl ein artiges Wort seyn; denn mein Bru- der ist witzig, wie der Henker! Wie gesagt, Jhr Ernst kann es unmöglich seyn, oder Sie sollten mich sehr dauern. Bedenken Sie einmal, was soll das für eine Zucht werden? Einen Tag, wie den andern, beständig ordentlich, das ist ja gar unerträglich! Soll ich Jhnen einmal wahrsagen? Wollen Sie wissen, wie es gehen wird? Hier ha- ben Sie Jhren Lebenslauf:
Früh um sechs Uhr steht die junge Frau auf, nachdem sie dreymal gegähnt, und zweymal die Augen gewischt hat. Sie zieht sich an, und zwar gleich reinlich und sorgfältig, damit sie das seltne Glück hat, ihrem theuern Gemahle zu gefallen. Es wundert mich, Liebe Jungfer Muhme, daß Jh- nen Jhr Liebhaber nicht auch vorgeschrieben hat, wie lang der Morgenseegen seyn soll. Wie leicht könnten Sie länger beten, als er es ausgerechnet hat, daß Sie beten sollten. Weiter:
Um sieben Uhr wird Thee, oder Caffee ge- trunken, drey, höchstens vier Tassen, mehr nicht, junge Frau, bey Leibe nicht mehr, daß ja die Wirthschaft nicht in Unordnung geräth. Mit dem Schlage achte muß auch das Frühstück ver- zehrt, und alles wieder abgeräumt, und an seinen Ort gesetzt seyn.
Um
Y 3
Satyriſche Briefe.
wie heute. Unmoͤglich iſt es Jhr Ernſt, daß Sie dieſen ſchematiſchen Mann heirathen wollen. Ver- zeihn Sie mir dieſen Ausdruck; mein Bruder nennte ihn ſo, und lachte erſchrecklich dazu. Es muß wohl ein artiges Wort ſeyn; denn mein Bru- der iſt witzig, wie der Henker! Wie geſagt, Jhr Ernſt kann es unmoͤglich ſeyn, oder Sie ſollten mich ſehr dauern. Bedenken Sie einmal, was ſoll das fuͤr eine Zucht werden? Einen Tag, wie den andern, beſtaͤndig ordentlich, das iſt ja gar unertraͤglich! Soll ich Jhnen einmal wahrſagen? Wollen Sie wiſſen, wie es gehen wird? Hier ha- ben Sie Jhren Lebenslauf:
Fruͤh um ſechs Uhr ſteht die junge Frau auf, nachdem ſie dreymal gegaͤhnt, und zweymal die Augen gewiſcht hat. Sie zieht ſich an, und zwar gleich reinlich und ſorgfaͤltig, damit ſie das ſeltne Gluͤck hat, ihrem theuern Gemahle zu gefallen. Es wundert mich, Liebe Jungfer Muhme, daß Jh- nen Jhr Liebhaber nicht auch vorgeſchrieben hat, wie lang der Morgenſeegen ſeyn ſoll. Wie leicht koͤnnten Sie laͤnger beten, als er es ausgerechnet hat, daß Sie beten ſollten. Weiter:
Um ſieben Uhr wird Thee, oder Caffee ge- trunken, drey, hoͤchſtens vier Taſſen, mehr nicht, junge Frau, bey Leibe nicht mehr, daß ja die Wirthſchaft nicht in Unordnung geraͤth. Mit dem Schlage achte muß auch das Fruͤhſtuͤck ver- zehrt, und alles wieder abgeraͤumt, und an ſeinen Ort geſetzt ſeyn.
Um
Y 3
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0369"n="341"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/>
wie heute. Unmoͤglich iſt es Jhr Ernſt, daß Sie<lb/>
dieſen ſchematiſchen Mann heirathen wollen. Ver-<lb/>
zeihn Sie mir dieſen Ausdruck; mein Bruder<lb/>
nennte ihn ſo, und lachte erſchrecklich dazu. Es<lb/>
muß wohl ein artiges Wort ſeyn; denn mein Bru-<lb/>
der iſt witzig, wie der Henker! Wie geſagt, Jhr<lb/>
Ernſt kann es unmoͤglich ſeyn, oder Sie ſollten<lb/>
mich ſehr dauern. Bedenken Sie einmal, was<lb/>ſoll das fuͤr eine Zucht werden? Einen Tag, wie<lb/>
den andern, beſtaͤndig ordentlich, das iſt ja gar<lb/>
unertraͤglich! Soll ich Jhnen einmal wahrſagen?<lb/>
Wollen Sie wiſſen, wie es gehen wird? Hier ha-<lb/>
ben Sie Jhren Lebenslauf:</p><lb/><p>Fruͤh um ſechs Uhr ſteht die junge Frau auf,<lb/>
nachdem ſie dreymal gegaͤhnt, und zweymal die<lb/>
Augen gewiſcht hat. Sie zieht ſich an, und zwar<lb/>
gleich reinlich und ſorgfaͤltig, damit ſie das ſeltne<lb/>
Gluͤck hat, ihrem theuern Gemahle zu gefallen. Es<lb/>
wundert mich, Liebe Jungfer Muhme, daß Jh-<lb/>
nen Jhr Liebhaber nicht auch vorgeſchrieben hat,<lb/>
wie lang der Morgenſeegen ſeyn ſoll. Wie leicht<lb/>
koͤnnten Sie laͤnger beten, als er es ausgerechnet<lb/>
hat, daß Sie beten ſollten. Weiter:</p><lb/><p>Um ſieben Uhr wird Thee, oder Caffee ge-<lb/>
trunken, drey, hoͤchſtens vier Taſſen, mehr nicht,<lb/>
junge Frau, bey Leibe nicht mehr, daß ja die<lb/>
Wirthſchaft nicht in Unordnung geraͤth. Mit<lb/>
dem Schlage achte muß auch das Fruͤhſtuͤck ver-<lb/>
zehrt, und alles wieder abgeraͤumt, und an ſeinen<lb/>
Ort geſetzt ſeyn.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Um</fw><lb/></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[341/0369]
Satyriſche Briefe.
wie heute. Unmoͤglich iſt es Jhr Ernſt, daß Sie
dieſen ſchematiſchen Mann heirathen wollen. Ver-
zeihn Sie mir dieſen Ausdruck; mein Bruder
nennte ihn ſo, und lachte erſchrecklich dazu. Es
muß wohl ein artiges Wort ſeyn; denn mein Bru-
der iſt witzig, wie der Henker! Wie geſagt, Jhr
Ernſt kann es unmoͤglich ſeyn, oder Sie ſollten
mich ſehr dauern. Bedenken Sie einmal, was
ſoll das fuͤr eine Zucht werden? Einen Tag, wie
den andern, beſtaͤndig ordentlich, das iſt ja gar
unertraͤglich! Soll ich Jhnen einmal wahrſagen?
Wollen Sie wiſſen, wie es gehen wird? Hier ha-
ben Sie Jhren Lebenslauf:
Fruͤh um ſechs Uhr ſteht die junge Frau auf,
nachdem ſie dreymal gegaͤhnt, und zweymal die
Augen gewiſcht hat. Sie zieht ſich an, und zwar
gleich reinlich und ſorgfaͤltig, damit ſie das ſeltne
Gluͤck hat, ihrem theuern Gemahle zu gefallen. Es
wundert mich, Liebe Jungfer Muhme, daß Jh-
nen Jhr Liebhaber nicht auch vorgeſchrieben hat,
wie lang der Morgenſeegen ſeyn ſoll. Wie leicht
koͤnnten Sie laͤnger beten, als er es ausgerechnet
hat, daß Sie beten ſollten. Weiter:
Um ſieben Uhr wird Thee, oder Caffee ge-
trunken, drey, hoͤchſtens vier Taſſen, mehr nicht,
junge Frau, bey Leibe nicht mehr, daß ja die
Wirthſchaft nicht in Unordnung geraͤth. Mit
dem Schlage achte muß auch das Fruͤhſtuͤck ver-
zehrt, und alles wieder abgeraͤumt, und an ſeinen
Ort geſetzt ſeyn.
Um
Y 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/369>, abgerufen am 29.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.