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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
aus Hochachtung für mich will er eine Frau haben,
damit ich das geschwinde Vergnügen haben soll, in
meinem zwey und siebenzigsten Jahre zu erfahren,
wie meine Urenkel aussehn. Jch glaube, Frau
Tochter, der Bube ist betrunken gewesen, da er an
mich geschrieben hat. Wenn habe ich ihm denn
gute Worte gegeben, daß er sich verheirathen soll?
Meine selige Frau hat wohl ein paar mal davon
gesprochen, ich habe wohl auch ein Wort davon
laufen lassen, es kann seyn; aber die Fräulein von
L - - - ist keine Sache für ihn, schlechterdings
keine Sache. Das Mädchen ist gut genug, es ist
wahr, sie ist gut erzogen, ein frommes christliches
Mädchen, und sieht ganz reinlich aus; aber sie ist
für ihn viel zu jung. Was soll sie mit so einem
Laffen anfangen, der selber noch eine Kinderfrau
braucht? Und wenn die Fräulein ja heirathen will,
so wird ihr der Oberste schon einen feinen vernünf-
tigen Mann aussuchen, der in seinen besten Jahren
ist, und die gute junge Fräulein vollends heran zie-
hen kann. Jhr Vermögen ist auch, unter uns ge-
sprochen, nicht das stärkste, und Fritze muß eine
Frau mit Gelde haben, da er nichts gelernt, und
kein Amt hat, folglich nichts verdienen kann; denn
für einen Müssiggänger ist er noch lange nicht reich
genug. Aber so machen es heut zu Tage unsre
junge Herrchen. Wenn sie ein paar Dörfer voll
Bauern, und sieben Haare im Kinne haben: so
denken sie, sie sind reich und alt genug, Papa zu
werden. Hernach setzt sich der Taugenichts auf

sein
U 5

Satyriſche Briefe.
aus Hochachtung fuͤr mich will er eine Frau haben,
damit ich das geſchwinde Vergnuͤgen haben ſoll, in
meinem zwey und ſiebenzigſten Jahre zu erfahren,
wie meine Urenkel ausſehn. Jch glaube, Frau
Tochter, der Bube iſt betrunken geweſen, da er an
mich geſchrieben hat. Wenn habe ich ihm denn
gute Worte gegeben, daß er ſich verheirathen ſoll?
Meine ſelige Frau hat wohl ein paar mal davon
geſprochen, ich habe wohl auch ein Wort davon
laufen laſſen, es kann ſeyn; aber die Fraͤulein von
L ‒ ‒ ‒ iſt keine Sache fuͤr ihn, ſchlechterdings
keine Sache. Das Maͤdchen iſt gut genug, es iſt
wahr, ſie iſt gut erzogen, ein frommes chriſtliches
Maͤdchen, und ſieht ganz reinlich aus; aber ſie iſt
fuͤr ihn viel zu jung. Was ſoll ſie mit ſo einem
Laffen anfangen, der ſelber noch eine Kinderfrau
braucht? Und wenn die Fraͤulein ja heirathen will,
ſo wird ihr der Oberſte ſchon einen feinen vernuͤnf-
tigen Mann ausſuchen, der in ſeinen beſten Jahren
iſt, und die gute junge Fraͤulein vollends heran zie-
hen kann. Jhr Vermoͤgen iſt auch, unter uns ge-
ſprochen, nicht das ſtaͤrkſte, und Fritze muß eine
Frau mit Gelde haben, da er nichts gelernt, und
kein Amt hat, folglich nichts verdienen kann; denn
fuͤr einen Muͤſſiggaͤnger iſt er noch lange nicht reich
genug. Aber ſo machen es heut zu Tage unſre
junge Herrchen. Wenn ſie ein paar Doͤrfer voll
Bauern, und ſieben Haare im Kinne haben: ſo
denken ſie, ſie ſind reich und alt genug, Papa zu
werden. Hernach ſetzt ſich der Taugenichts auf

ſein
U 5
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[313/0341] Satyriſche Briefe. aus Hochachtung fuͤr mich will er eine Frau haben, damit ich das geſchwinde Vergnuͤgen haben ſoll, in meinem zwey und ſiebenzigſten Jahre zu erfahren, wie meine Urenkel ausſehn. Jch glaube, Frau Tochter, der Bube iſt betrunken geweſen, da er an mich geſchrieben hat. Wenn habe ich ihm denn gute Worte gegeben, daß er ſich verheirathen ſoll? Meine ſelige Frau hat wohl ein paar mal davon geſprochen, ich habe wohl auch ein Wort davon laufen laſſen, es kann ſeyn; aber die Fraͤulein von L ‒ ‒ ‒ iſt keine Sache fuͤr ihn, ſchlechterdings keine Sache. Das Maͤdchen iſt gut genug, es iſt wahr, ſie iſt gut erzogen, ein frommes chriſtliches Maͤdchen, und ſieht ganz reinlich aus; aber ſie iſt fuͤr ihn viel zu jung. Was ſoll ſie mit ſo einem Laffen anfangen, der ſelber noch eine Kinderfrau braucht? Und wenn die Fraͤulein ja heirathen will, ſo wird ihr der Oberſte ſchon einen feinen vernuͤnf- tigen Mann ausſuchen, der in ſeinen beſten Jahren iſt, und die gute junge Fraͤulein vollends heran zie- hen kann. Jhr Vermoͤgen iſt auch, unter uns ge- ſprochen, nicht das ſtaͤrkſte, und Fritze muß eine Frau mit Gelde haben, da er nichts gelernt, und kein Amt hat, folglich nichts verdienen kann; denn fuͤr einen Muͤſſiggaͤnger iſt er noch lange nicht reich genug. Aber ſo machen es heut zu Tage unſre junge Herrchen. Wenn ſie ein paar Doͤrfer voll Bauern, und ſieben Haare im Kinne haben: ſo denken ſie, ſie ſind reich und alt genug, Papa zu werden. Hernach ſetzt ſich der Taugenichts auf ſein U 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/341>, abgerufen am 24.11.2024.