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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
Mein Herr,

"Jhre Frau Schwester, welche mir die Ehre
"Jhrer Freundschaft gönnt, hätte mir keine
"betrübtere Nachricht sagen können, als die von
"dem Tode ihrer seligen Frau. Es ist nun zu
"spät, Jhnen mein aufrichtiges Beyleid zu versi-
"chern. Es würde eine Grausamkeit von mir
"seyn, Jhre Betrübniß über einen Verlust zu er-
"neuern, der einem Manne, welcher so edel
"denkt, und so vernünftig liebt, als Sie, mein
"Herr, nicht anders, als höchst empfindlich fal-
"len muß. Sie haben völlig den Charakter eines
"ehrlichen Mannes. Die Welt und ich haben
"hiervon unzählige Proben; mir aber wird beson-
"ders diejenige unvergeßlich seyn, da Sie Selbst
"vor einigen Jahren schriftliche Gelegenheit gege-
"ben haben, mich davon zu überzeugen. Wie
"glücklich wäre ich, wenn es damals bey mir ge-
"standen hätte, mir solche zu Nutze zu machen!
"Jch liebe meinen verstorbnen Vater noch itzt im
"Grabe zu sehr, als daß ich mich überwinden
"kann, Jhnen die Ursachen zu sagen, die mich
"daran hinderten. Jch will es eine Uebereilung,
"eine persönliche Verbitterung, oder sonst eine
"Härte nennen, die ihn bewog, mich zu zwingen,
"Jhnen wider die Empfindung meines Herzens zu
"antworten. Mein Unglück würde doppelt seyn,
"wenn Sie bisher in den Gedanken gestanden, als

wäre
Satyriſche Briefe.
Mein Herr,

Jhre Frau Schweſter, welche mir die Ehre
„Jhrer Freundſchaft goͤnnt, haͤtte mir keine
„betruͤbtere Nachricht ſagen koͤnnen, als die von
„dem Tode ihrer ſeligen Frau. Es iſt nun zu
„ſpaͤt, Jhnen mein aufrichtiges Beyleid zu verſi-
„chern. Es wuͤrde eine Grauſamkeit von mir
„ſeyn, Jhre Betruͤbniß uͤber einen Verluſt zu er-
„neuern, der einem Manne, welcher ſo edel
„denkt, und ſo vernuͤnftig liebt, als Sie, mein
„Herr, nicht anders, als hoͤchſt empfindlich fal-
„len muß. Sie haben voͤllig den Charakter eines
„ehrlichen Mannes. Die Welt und ich haben
„hiervon unzaͤhlige Proben; mir aber wird beſon-
„ders diejenige unvergeßlich ſeyn, da Sie Selbſt
„vor einigen Jahren ſchriftliche Gelegenheit gege-
„ben haben, mich davon zu uͤberzeugen. Wie
„gluͤcklich waͤre ich, wenn es damals bey mir ge-
„ſtanden haͤtte, mir ſolche zu Nutze zu machen!
„Jch liebe meinen verſtorbnen Vater noch itzt im
„Grabe zu ſehr, als daß ich mich uͤberwinden
„kann, Jhnen die Urſachen zu ſagen, die mich
„daran hinderten. Jch will es eine Uebereilung,
„eine perſoͤnliche Verbitterung, oder ſonſt eine
„Haͤrte nennen, die ihn bewog, mich zu zwingen,
„Jhnen wider die Empfindung meines Herzens zu
„antworten. Mein Ungluͤck wuͤrde doppelt ſeyn,
„wenn Sie bisher in den Gedanken geſtanden, als

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[230/0258] Satyriſche Briefe. Mein Herr, „Jhre Frau Schweſter, welche mir die Ehre „Jhrer Freundſchaft goͤnnt, haͤtte mir keine „betruͤbtere Nachricht ſagen koͤnnen, als die von „dem Tode ihrer ſeligen Frau. Es iſt nun zu „ſpaͤt, Jhnen mein aufrichtiges Beyleid zu verſi- „chern. Es wuͤrde eine Grauſamkeit von mir „ſeyn, Jhre Betruͤbniß uͤber einen Verluſt zu er- „neuern, der einem Manne, welcher ſo edel „denkt, und ſo vernuͤnftig liebt, als Sie, mein „Herr, nicht anders, als hoͤchſt empfindlich fal- „len muß. Sie haben voͤllig den Charakter eines „ehrlichen Mannes. Die Welt und ich haben „hiervon unzaͤhlige Proben; mir aber wird beſon- „ders diejenige unvergeßlich ſeyn, da Sie Selbſt „vor einigen Jahren ſchriftliche Gelegenheit gege- „ben haben, mich davon zu uͤberzeugen. Wie „gluͤcklich waͤre ich, wenn es damals bey mir ge- „ſtanden haͤtte, mir ſolche zu Nutze zu machen! „Jch liebe meinen verſtorbnen Vater noch itzt im „Grabe zu ſehr, als daß ich mich uͤberwinden „kann, Jhnen die Urſachen zu ſagen, die mich „daran hinderten. Jch will es eine Uebereilung, „eine perſoͤnliche Verbitterung, oder ſonſt eine „Haͤrte nennen, die ihn bewog, mich zu zwingen, „Jhnen wider die Empfindung meines Herzens zu „antworten. Mein Ungluͤck wuͤrde doppelt ſeyn, „wenn Sie bisher in den Gedanken geſtanden, als waͤre

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/258>, abgerufen am 24.11.2024.