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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.

Nun fielen mir alle diejenigen vernünftigen Lieb-
haber ein, deren redliche Absichten ich auf eine
so hochmüthige und spröde Art von mir gewiesen
hatte. Wie grausam war ich an ihnen gerächet!
Konnte ich mir wohl itzt dergleichen Gelegenheiten
wieder versprechen, da meine Jahre zunahmen, da
der jugendliche Reiz meiner Schönheit anfieng zu
verschwinden, da mein Vater auf der Grube gieng,
und sein Tod mir die dürftigsten Umstände droh-
te? Konnte ich mich nunmehr wohl entschließen,
geringern Personen meine Hand zu geben, als die
waren, denen ich sie verweigert hatte? Jch faßte
nun im ganzen Ernste den grausamen Entschluß,
nimmermehr zu heirathen. Jch ward ziemlich be-
ruhigt, da ich das Herz gehabt hatte, so ein ver-
zweifeltes Gelübde zu thun, und es vergieng eine
ziemliche Zeit, ehe ich merkte, daß ich mich selbst
hintergangen hätte. Dieser unerwartete Streich
von meinem Ungetreuen hatte mich so hart getrof-
fen, daß ich in eine langwierige Krankheit fiel.
Jch brauchte fast zwey Jahre, ehe ich mich völlig
wieder erholte, und es geschahe endlich nicht an-
ders, als mit dem gänzlichen Verluste meiner noch
übrigen Schönheit. O! hätte ich sie zehn Jahre
eher verlohren, vielleicht wäre ich vernünftiger ge-
wesen, vielleicht wäre ich itzt nicht so unglücklich!

Jch weiß nicht, wie es kam, daß sich nach ei-
niger Zeit ein junger Rechtsgelehrter zu mir verirr-
te, und sich einbildete, daß er mich noch lieben könn-

te.
O 2
Satyriſche Briefe.

Nun fielen mir alle diejenigen vernuͤnftigen Lieb-
haber ein, deren redliche Abſichten ich auf eine
ſo hochmuͤthige und ſproͤde Art von mir gewieſen
hatte. Wie grauſam war ich an ihnen geraͤchet!
Konnte ich mir wohl itzt dergleichen Gelegenheiten
wieder verſprechen, da meine Jahre zunahmen, da
der jugendliche Reiz meiner Schoͤnheit anfieng zu
verſchwinden, da mein Vater auf der Grube gieng,
und ſein Tod mir die duͤrftigſten Umſtaͤnde droh-
te? Konnte ich mich nunmehr wohl entſchließen,
geringern Perſonen meine Hand zu geben, als die
waren, denen ich ſie verweigert hatte? Jch faßte
nun im ganzen Ernſte den grauſamen Entſchluß,
nimmermehr zu heirathen. Jch ward ziemlich be-
ruhigt, da ich das Herz gehabt hatte, ſo ein ver-
zweifeltes Geluͤbde zu thun, und es vergieng eine
ziemliche Zeit, ehe ich merkte, daß ich mich ſelbſt
hintergangen haͤtte. Dieſer unerwartete Streich
von meinem Ungetreuen hatte mich ſo hart getrof-
fen, daß ich in eine langwierige Krankheit fiel.
Jch brauchte faſt zwey Jahre, ehe ich mich voͤllig
wieder erholte, und es geſchahe endlich nicht an-
ders, als mit dem gaͤnzlichen Verluſte meiner noch
uͤbrigen Schoͤnheit. O! haͤtte ich ſie zehn Jahre
eher verlohren, vielleicht waͤre ich vernuͤnftiger ge-
weſen, vielleicht waͤre ich itzt nicht ſo ungluͤcklich!

Jch weiß nicht, wie es kam, daß ſich nach ei-
niger Zeit ein junger Rechtsgelehrter zu mir verirr-
te, und ſich einbildete, daß er mich noch lieben koͤnn-

te.
O 2
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[211/0239] Satyriſche Briefe. Nun fielen mir alle diejenigen vernuͤnftigen Lieb- haber ein, deren redliche Abſichten ich auf eine ſo hochmuͤthige und ſproͤde Art von mir gewieſen hatte. Wie grauſam war ich an ihnen geraͤchet! Konnte ich mir wohl itzt dergleichen Gelegenheiten wieder verſprechen, da meine Jahre zunahmen, da der jugendliche Reiz meiner Schoͤnheit anfieng zu verſchwinden, da mein Vater auf der Grube gieng, und ſein Tod mir die duͤrftigſten Umſtaͤnde droh- te? Konnte ich mich nunmehr wohl entſchließen, geringern Perſonen meine Hand zu geben, als die waren, denen ich ſie verweigert hatte? Jch faßte nun im ganzen Ernſte den grauſamen Entſchluß, nimmermehr zu heirathen. Jch ward ziemlich be- ruhigt, da ich das Herz gehabt hatte, ſo ein ver- zweifeltes Geluͤbde zu thun, und es vergieng eine ziemliche Zeit, ehe ich merkte, daß ich mich ſelbſt hintergangen haͤtte. Dieſer unerwartete Streich von meinem Ungetreuen hatte mich ſo hart getrof- fen, daß ich in eine langwierige Krankheit fiel. Jch brauchte faſt zwey Jahre, ehe ich mich voͤllig wieder erholte, und es geſchahe endlich nicht an- ders, als mit dem gaͤnzlichen Verluſte meiner noch uͤbrigen Schoͤnheit. O! haͤtte ich ſie zehn Jahre eher verlohren, vielleicht waͤre ich vernuͤnftiger ge- weſen, vielleicht waͤre ich itzt nicht ſo ungluͤcklich! Jch weiß nicht, wie es kam, daß ſich nach ei- niger Zeit ein junger Rechtsgelehrter zu mir verirr- te, und ſich einbildete, daß er mich noch lieben koͤnn- te. O 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/239>, abgerufen am 23.11.2024.