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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
erträglich, dessen Amt und Einkünfte gar ansehn-
lich waren; der eine so zärtliche Liebeserklärung,
wie Sie in seinem Briefe finden, nach allen Re-
geln der Rhetorik herauswurgte; und der,
nach seinem eignen Geständnisse, von meiner
Schönheit geblendet, das Maul offen behielt,
wenn er mich bey meines Vaters Krankenbette
sahe? Jn der That würde ich kein Bedenken ge-
habt haben, meinen zärtlichen Arzt aus seiner
Entzückung zu reissen; aber, der Herr Lieutenant,
Jhre Gnaden, der zukünftige Herr Capitain, und
vielleicht künftig gar einmal Jhre Excellenz, der
Herr General! Sollte ich dieses Glück so muth-
willig verscherzen? dieses Glück, das mir so mög-
lich und nah zu seyn schiene! Es ist wahr, bey
nahe ward mir die Zeit lang. Jtzo hätte ich in
meinem sechs und zwanzigsten Jahre Frau Docto-
rinn werden können, und wer leistete mir die
Gewähr, daß ich in meinem dreyssigsten Frau
Hauptmanninn seyn würde? Aber hatte ich nicht
eben um deswillen einen Hofrath vergebens seufzen
lassen? Sollte ich mich nun einem Doctor in die
Arme werfen? Jch faßte einen Entschluß der fein
war, und glücklich ausschlug. Jch schrieb an
meinen Lieutenant, und meldete ihn den Antrag
meines Liebhabers. Jch ließ ihm unter der Hand
errathen, daß ich nicht ungeneigt sey, einen An-
trag anzunehmen, der für meine Umstände so vor-
theilhaft zu seyn schiene. Da ich auf den Punkt
unsrer alten Liebe und Bekanntschaft kam: so

schrieb

Satyriſche Briefe.
ertraͤglich, deſſen Amt und Einkuͤnfte gar anſehn-
lich waren; der eine ſo zaͤrtliche Liebeserklaͤrung,
wie Sie in ſeinem Briefe finden, nach allen Re-
geln der Rhetorik herauswurgte; und der,
nach ſeinem eignen Geſtaͤndniſſe, von meiner
Schoͤnheit geblendet, das Maul offen behielt,
wenn er mich bey meines Vaters Krankenbette
ſahe? Jn der That wuͤrde ich kein Bedenken ge-
habt haben, meinen zaͤrtlichen Arzt aus ſeiner
Entzuͤckung zu reiſſen; aber, der Herr Lieutenant,
Jhre Gnaden, der zukuͤnftige Herr Capitain, und
vielleicht kuͤnftig gar einmal Jhre Excellenz, der
Herr General! Sollte ich dieſes Gluͤck ſo muth-
willig verſcherzen? dieſes Gluͤck, das mir ſo moͤg-
lich und nah zu ſeyn ſchiene! Es iſt wahr, bey
nahe ward mir die Zeit lang. Jtzo haͤtte ich in
meinem ſechs und zwanzigſten Jahre Frau Docto-
rinn werden koͤnnen, und wer leiſtete mir die
Gewaͤhr, daß ich in meinem dreyſſigſten Frau
Hauptmanninn ſeyn wuͤrde? Aber hatte ich nicht
eben um deswillen einen Hofrath vergebens ſeufzen
laſſen? Sollte ich mich nun einem Doctor in die
Arme werfen? Jch faßte einen Entſchluß der fein
war, und gluͤcklich ausſchlug. Jch ſchrieb an
meinen Lieutenant, und meldete ihn den Antrag
meines Liebhabers. Jch ließ ihm unter der Hand
errathen, daß ich nicht ungeneigt ſey, einen An-
trag anzunehmen, der fuͤr meine Umſtaͤnde ſo vor-
theilhaft zu ſeyn ſchiene. Da ich auf den Punkt
unſrer alten Liebe und Bekanntſchaft kam: ſo

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[191/0219] Satyriſche Briefe. ertraͤglich, deſſen Amt und Einkuͤnfte gar anſehn- lich waren; der eine ſo zaͤrtliche Liebeserklaͤrung, wie Sie in ſeinem Briefe finden, nach allen Re- geln der Rhetorik herauswurgte; und der, nach ſeinem eignen Geſtaͤndniſſe, von meiner Schoͤnheit geblendet, das Maul offen behielt, wenn er mich bey meines Vaters Krankenbette ſahe? Jn der That wuͤrde ich kein Bedenken ge- habt haben, meinen zaͤrtlichen Arzt aus ſeiner Entzuͤckung zu reiſſen; aber, der Herr Lieutenant, Jhre Gnaden, der zukuͤnftige Herr Capitain, und vielleicht kuͤnftig gar einmal Jhre Excellenz, der Herr General! Sollte ich dieſes Gluͤck ſo muth- willig verſcherzen? dieſes Gluͤck, das mir ſo moͤg- lich und nah zu ſeyn ſchiene! Es iſt wahr, bey nahe ward mir die Zeit lang. Jtzo haͤtte ich in meinem ſechs und zwanzigſten Jahre Frau Docto- rinn werden koͤnnen, und wer leiſtete mir die Gewaͤhr, daß ich in meinem dreyſſigſten Frau Hauptmanninn ſeyn wuͤrde? Aber hatte ich nicht eben um deswillen einen Hofrath vergebens ſeufzen laſſen? Sollte ich mich nun einem Doctor in die Arme werfen? Jch faßte einen Entſchluß der fein war, und gluͤcklich ausſchlug. Jch ſchrieb an meinen Lieutenant, und meldete ihn den Antrag meines Liebhabers. Jch ließ ihm unter der Hand errathen, daß ich nicht ungeneigt ſey, einen An- trag anzunehmen, der fuͤr meine Umſtaͤnde ſo vor- theilhaft zu ſeyn ſchiene. Da ich auf den Punkt unſrer alten Liebe und Bekanntſchaft kam: ſo ſchrieb

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/219>, abgerufen am 23.11.2024.