[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. "den gesehn habe, der so erbaulich, und exempla-"risch liebt, als Sie, mein Herr. Jhre Person, "und Jhr Amt verdienen meine ganze Hochach- "tung; ich glaube aber, daß ich noch zu jung und "flatterhaft bin, um mich nach dem ehrwürdigen "Muster Jhrer seligen, und noch im Grabe herz- "lich geliebten Frau zu bilden. Jch bin gewiß "überzeugt, daß uns bey einer genauern Verbin- "dung niemals Materie zu Gesprächen fehlen wür- "de, da Sie so unerschöpflich sind, wenn Sie auf "die Verdienste Jhrer seligen Frau zu reden kom- "men, von denen der größte Theil Jhres Briefs "angefüllt ist. Jhre hoffnungsvollen Waysen "verdienen allerdings Jhre ganze Zärtlichkeit. Es "wäre unbillig, wenn ich dieselben um einen Theil "bringen wollte. Jn der That finde ich bey mei- "nen itzigen Umständen noch keinen Beruf Kin- "derfrau zu werden, zu welchem wichtigen Amte "Sie mich, vor so vielen andern, ausersehen "haben. Die Offenherzigkeit ist noch eine Tu- "gend von mir, die Sie in der letzten Oster- "messe nicht wahrgenommen haben. Sie kön- "nen glauben, daß es mein ganzer Ernst sey, "wenn ich mir die Ehre gebe, Jhnen zu sagen, "daß ich sey, Mein Herr, - - - - am 13ten Brachmonats 1736. Jhre Dienerinn F - - - Sie
Satyriſche Briefe. „den geſehn habe, der ſo erbaulich, und exempla-„riſch liebt, als Sie, mein Herr. Jhre Perſon, „und Jhr Amt verdienen meine ganze Hochach- „tung; ich glaube aber, daß ich noch zu jung und „flatterhaft bin, um mich nach dem ehrwuͤrdigen „Muſter Jhrer ſeligen, und noch im Grabe herz- „lich geliebten Frau zu bilden. Jch bin gewiß „uͤberzeugt, daß uns bey einer genauern Verbin- „dung niemals Materie zu Geſpraͤchen fehlen wuͤr- „de, da Sie ſo unerſchoͤpflich ſind, wenn Sie auf „die Verdienſte Jhrer ſeligen Frau zu reden kom- „men, von denen der groͤßte Theil Jhres Briefs „angefuͤllt iſt. Jhre hoffnungsvollen Wayſen „verdienen allerdings Jhre ganze Zaͤrtlichkeit. Es „waͤre unbillig, wenn ich dieſelben um einen Theil „bringen wollte. Jn der That finde ich bey mei- „nen itzigen Umſtaͤnden noch keinen Beruf Kin- „derfrau zu werden, zu welchem wichtigen Amte „Sie mich, vor ſo vielen andern, auserſehen „haben. Die Offenherzigkeit iſt noch eine Tu- „gend von mir, die Sie in der letzten Oſter- „meſſe nicht wahrgenommen haben. Sie koͤn- „nen glauben, daß es mein ganzer Ernſt ſey, „wenn ich mir die Ehre gebe, Jhnen zu ſagen, „daß ich ſey, Mein Herr, ‒ ‒ ‒ ‒ am 13ten Brachmonats 1736. Jhre Dienerinn F ‒ ‒ ‒ Sie
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Satyriſche Briefe.
„den geſehn habe, der ſo erbaulich, und exempla-
„riſch liebt, als Sie, mein Herr. Jhre Perſon,
„und Jhr Amt verdienen meine ganze Hochach-
„tung; ich glaube aber, daß ich noch zu jung und
„flatterhaft bin, um mich nach dem ehrwuͤrdigen
„Muſter Jhrer ſeligen, und noch im Grabe herz-
„lich geliebten Frau zu bilden. Jch bin gewiß
„uͤberzeugt, daß uns bey einer genauern Verbin-
„dung niemals Materie zu Geſpraͤchen fehlen wuͤr-
„de, da Sie ſo unerſchoͤpflich ſind, wenn Sie auf
„die Verdienſte Jhrer ſeligen Frau zu reden kom-
„men, von denen der groͤßte Theil Jhres Briefs
„angefuͤllt iſt. Jhre hoffnungsvollen Wayſen
„verdienen allerdings Jhre ganze Zaͤrtlichkeit. Es
„waͤre unbillig, wenn ich dieſelben um einen Theil
„bringen wollte. Jn der That finde ich bey mei-
„nen itzigen Umſtaͤnden noch keinen Beruf Kin-
„derfrau zu werden, zu welchem wichtigen Amte
„Sie mich, vor ſo vielen andern, auserſehen
„haben. Die Offenherzigkeit iſt noch eine Tu-
„gend von mir, die Sie in der letzten Oſter-
„meſſe nicht wahrgenommen haben. Sie koͤn-
„nen glauben, daß es mein ganzer Ernſt ſey,
„wenn ich mir die Ehre gebe, Jhnen zu ſagen,
„daß ich ſey,
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