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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
das Cabinett zur Audienz führte, wo ich die-
ses Geschöpfe, das theure Schrecken seiner
Bauern, und die Geissel der Gerechtigkeit in
prächtigem Schlafpelze am Pulte sitzend fand.
So dick er ist, denn seine schweren Berufsarbei-
ten haben ihm immer noch Zeit gelassen, fett zu
werden: so geschwinde sprang er auf, bedauerte,
daß er in seinem Nachtkleide überrascht ward,
warf zween große Stöße Acten über den Haufen,
die er seit vielen Jahren zur Parade neben sich ste-
hen, und seit vielen Jahren über den Haufen ge-
worfen hat, gieng mir mit einer großen geschäffti-
gen Mine entgegen, und empfieng mich mit Huld
und Gnade. Sie können wohl glauben, daß bey
einem solchen Auftritte kein Compliment natürli-
cher ist, als dieses, daß man die Freyheit ent-
schuldigt, die man sich genommen hat, einen
Mann von solchen Geschäfften zu stören. Er
nahm es mit der lächelnden Mine an, mit der eine
alte Jungfer widerspricht, wenn man ihr die
Schmeicheley macht, daß sie schön sey. Sein lin-
ker Arm hieng nachläßig über das Schreibepult,
und die Finger waren geschäfftig in verschiednen
Schreiben und Suppliken zu wühlen. Er seufzte
über sein Amt, über den Anlauf der Leute, über
die vielen herrschaftlichen Arbeiten ex officio.
Jch war in allen seiner Meynung, und seufzte
ergebenst mit. Dieses machte, daß er sein
Herz zu mir herab neigte, und mir nach ver-
schiednen wichtigen Unterredungen endlich von

großen
K 4

Satyriſche Briefe.
das Cabinett zur Audienz fuͤhrte, wo ich die-
ſes Geſchoͤpfe, das theure Schrecken ſeiner
Bauern, und die Geiſſel der Gerechtigkeit in
praͤchtigem Schlafpelze am Pulte ſitzend fand.
So dick er iſt, denn ſeine ſchweren Berufsarbei-
ten haben ihm immer noch Zeit gelaſſen, fett zu
werden: ſo geſchwinde ſprang er auf, bedauerte,
daß er in ſeinem Nachtkleide uͤberraſcht ward,
warf zween große Stoͤße Acten uͤber den Haufen,
die er ſeit vielen Jahren zur Parade neben ſich ſte-
hen, und ſeit vielen Jahren uͤber den Haufen ge-
worfen hat, gieng mir mit einer großen geſchaͤffti-
gen Mine entgegen, und empfieng mich mit Huld
und Gnade. Sie koͤnnen wohl glauben, daß bey
einem ſolchen Auftritte kein Compliment natuͤrli-
cher iſt, als dieſes, daß man die Freyheit ent-
ſchuldigt, die man ſich genommen hat, einen
Mann von ſolchen Geſchaͤfften zu ſtoͤren. Er
nahm es mit der laͤchelnden Mine an, mit der eine
alte Jungfer widerſpricht, wenn man ihr die
Schmeicheley macht, daß ſie ſchoͤn ſey. Sein lin-
ker Arm hieng nachlaͤßig uͤber das Schreibepult,
und die Finger waren geſchaͤfftig in verſchiednen
Schreiben und Suppliken zu wuͤhlen. Er ſeufzte
uͤber ſein Amt, uͤber den Anlauf der Leute, uͤber
die vielen herrſchaftlichen Arbeiten ex officio.
Jch war in allen ſeiner Meynung, und ſeufzte
ergebenſt mit. Dieſes machte, daß er ſein
Herz zu mir herab neigte, und mir nach ver-
ſchiednen wichtigen Unterredungen endlich von

großen
K 4
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[149/0177] Satyriſche Briefe. das Cabinett zur Audienz fuͤhrte, wo ich die- ſes Geſchoͤpfe, das theure Schrecken ſeiner Bauern, und die Geiſſel der Gerechtigkeit in praͤchtigem Schlafpelze am Pulte ſitzend fand. So dick er iſt, denn ſeine ſchweren Berufsarbei- ten haben ihm immer noch Zeit gelaſſen, fett zu werden: ſo geſchwinde ſprang er auf, bedauerte, daß er in ſeinem Nachtkleide uͤberraſcht ward, warf zween große Stoͤße Acten uͤber den Haufen, die er ſeit vielen Jahren zur Parade neben ſich ſte- hen, und ſeit vielen Jahren uͤber den Haufen ge- worfen hat, gieng mir mit einer großen geſchaͤffti- gen Mine entgegen, und empfieng mich mit Huld und Gnade. Sie koͤnnen wohl glauben, daß bey einem ſolchen Auftritte kein Compliment natuͤrli- cher iſt, als dieſes, daß man die Freyheit ent- ſchuldigt, die man ſich genommen hat, einen Mann von ſolchen Geſchaͤfften zu ſtoͤren. Er nahm es mit der laͤchelnden Mine an, mit der eine alte Jungfer widerſpricht, wenn man ihr die Schmeicheley macht, daß ſie ſchoͤn ſey. Sein lin- ker Arm hieng nachlaͤßig uͤber das Schreibepult, und die Finger waren geſchaͤfftig in verſchiednen Schreiben und Suppliken zu wuͤhlen. Er ſeufzte uͤber ſein Amt, uͤber den Anlauf der Leute, uͤber die vielen herrſchaftlichen Arbeiten ex officio. Jch war in allen ſeiner Meynung, und ſeufzte ergebenſt mit. Dieſes machte, daß er ſein Herz zu mir herab neigte, und mir nach ver- ſchiednen wichtigen Unterredungen endlich von großen K 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/177>, abgerufen am 23.11.2024.