Urtheilen Sie hieraus, wie empfindlich auch dem ehrlichsten Rechnungsführer eine dergleichen Ue- berfallung seyn müsse. Sie verstehn mich doch wohl, Herr Amtmann? Mit einem Worte: Hal- ber Dienst, und ganze Freunde! Eine Hand wäscht die andre, und ich bin, u. s. w.
Hochgeehrter Herr Stadtrichter,
Jch will Jhnen die ganze Sache aufrichtig ge- stehn. Die Bekanntschaft, die ich seit vielen Jahren mit dem Manne gehabt, hat eine gewisse Art der Vertraulichkeit zwischen mir und seiner Frau veranlaßt, welche denenjenigen allerdings et- was zweydeutig seyn muß, die mehr neugierig, als billig sind. Es war eine Unvorsichtigkeit von mir, aber weiter war es auch nichts, daß ich bey der Abwesenheit des Mannes länger in ihrem Hau- se blieb, als es vor den Augen der gemeinen Leu- te der Wohlstand zu erlauben schien. Jch schwö- re es Jhnen zu, es ist nicht mehr, als drey, höch- stens viermal geschehn, und jederzeit im Beyseyn ihrer Verwandtinn, welche ihre Jahre und ihre Frömmigkeit glaubwürdig machen. Wäre der Mann bey seiner unerwarteten Rückkunft nicht trunken gewesen: so würde er sich vernünftiger auf- geführt haben. Jch war genöthigt, ihm den De- gen aus der Hand zu reißen; denn so weit, glau- be ich, geht die Freundschaft nicht, daß man sich
soll
Satyriſche Briefe.
Urtheilen Sie hieraus, wie empfindlich auch dem ehrlichſten Rechnungsfuͤhrer eine dergleichen Ue- berfallung ſeyn muͤſſe. Sie verſtehn mich doch wohl, Herr Amtmann? Mit einem Worte: Hal- ber Dienſt, und ganze Freunde! Eine Hand waͤſcht die andre, und ich bin, u. ſ. w.
Hochgeehrter Herr Stadtrichter,
Jch will Jhnen die ganze Sache aufrichtig ge- ſtehn. Die Bekanntſchaft, die ich ſeit vielen Jahren mit dem Manne gehabt, hat eine gewiſſe Art der Vertraulichkeit zwiſchen mir und ſeiner Frau veranlaßt, welche denenjenigen allerdings et- was zweydeutig ſeyn muß, die mehr neugierig, als billig ſind. Es war eine Unvorſichtigkeit von mir, aber weiter war es auch nichts, daß ich bey der Abweſenheit des Mannes laͤnger in ihrem Hau- ſe blieb, als es vor den Augen der gemeinen Leu- te der Wohlſtand zu erlauben ſchien. Jch ſchwoͤ- re es Jhnen zu, es iſt nicht mehr, als drey, hoͤch- ſtens viermal geſchehn, und jederzeit im Beyſeyn ihrer Verwandtinn, welche ihre Jahre und ihre Froͤmmigkeit glaubwuͤrdig machen. Waͤre der Mann bey ſeiner unerwarteten Ruͤckkunft nicht trunken geweſen: ſo wuͤrde er ſich vernuͤnftiger auf- gefuͤhrt haben. Jch war genoͤthigt, ihm den De- gen aus der Hand zu reißen; denn ſo weit, glau- be ich, geht die Freundſchaft nicht, daß man ſich
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Satyriſche Briefe.
Urtheilen Sie hieraus, wie empfindlich auch dem
ehrlichſten Rechnungsfuͤhrer eine dergleichen Ue-
berfallung ſeyn muͤſſe. Sie verſtehn mich doch
wohl, Herr Amtmann? Mit einem Worte: Hal-
ber Dienſt, und ganze Freunde! Eine Hand
waͤſcht die andre, und ich bin, u. ſ. w.
Hochgeehrter Herr Stadtrichter,
Jch will Jhnen die ganze Sache aufrichtig ge-
ſtehn. Die Bekanntſchaft, die ich ſeit vielen
Jahren mit dem Manne gehabt, hat eine gewiſſe
Art der Vertraulichkeit zwiſchen mir und ſeiner
Frau veranlaßt, welche denenjenigen allerdings et-
was zweydeutig ſeyn muß, die mehr neugierig,
als billig ſind. Es war eine Unvorſichtigkeit von
mir, aber weiter war es auch nichts, daß ich bey
der Abweſenheit des Mannes laͤnger in ihrem Hau-
ſe blieb, als es vor den Augen der gemeinen Leu-
te der Wohlſtand zu erlauben ſchien. Jch ſchwoͤ-
re es Jhnen zu, es iſt nicht mehr, als drey, hoͤch-
ſtens viermal geſchehn, und jederzeit im Beyſeyn
ihrer Verwandtinn, welche ihre Jahre und ihre
Froͤmmigkeit glaubwuͤrdig machen. Waͤre der
Mann bey ſeiner unerwarteten Ruͤckkunft nicht
trunken geweſen: ſo wuͤrde er ſich vernuͤnftiger auf-
gefuͤhrt haben. Jch war genoͤthigt, ihm den De-
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be ich, geht die Freundſchaft nicht, daß man ſich
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/130>, abgerufen am 23.11.2024.
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