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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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in der deutschen Dichtkunst.
Wenn unser Seladon so süß, so lieblich, singt,
Und seiner Lalage Zimmt, Mosch und Biesam bringt,
Chrystall und Perlen weint, den Kiel in Nektar tauchet,
Zibeth und Calmus kaut, und Ambra von sich hauchet,
Auf Nelken, Klee, Jesimin und Anemonen geht,
Verzweifelt, wenn kein West bey seiner Schönen weht,
Beklagt, daß seine Pein kein Thau, kein Balsam lindert,
Die neue Welt erschöpft, und die Levante plündert,
Zu sagen, daß sein Kind vor andern ihn entzückt,
Das ganze Firmament in ihrem Aug erblickt,
Und in ihr Angesicht, das wie die Venus stralet,
Von Blumen aller Art ein ganzes Chaos malet:
Was meynt ihr? Was vergilt die Müh des Seladon,
Wenn er so kostbar reimt? Was ist sein ganzer Lohn?
Man lachet über ihn. Der Neid, statt ihn zu preisen,
Eilt gleich, ihm seinen Platz, im Tollhaus anzuweisen.
Rächt, Musen, euch und uns! Seht, wie die dreiste Welt
Von Bürgern euers Reichs ein schnödes Urtheil fällt!
Straft sie - - - Doch haltet noch mit euerm Zorn zurücke!
Es giebt der Spötter mehr! Kommt! Werfet eure Blicke
Auf jenen frechen Schwarm, der voller Tücke schnaubt,
Euch nach dem Herzen greift, und Ruhm und Lorbeer raubt;
Ja gar, o Frevelthat! - - ja gar, ach, soll ichs sagen! - -
Den Reim, den edlen Reim will aus den Versen jagen.
Eilt, Musen! Reißt den Blitz aus euers Vaters Hand!
Der Schwarm wird mächtig. Eilt, eh er uns übermannt!
Und kommt, und kämpft, und siegt, und schlagt die Feinde nieder,
Und schützt den werthen Reim, das Hauptwerk deutscher Lieder!
Denkt, Freunde, die ihr noch die Musen redlich liebt!
Jhr, denen bloß der Reim die ganze Größe giebt!
Die ihr durch ihn allein die Zierden Deutschlands heißet,
Und euch vor Hunger schützt! Denkt, was man euch entreißet,
So
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in der deutſchen Dichtkunſt.
Wenn unſer Seladon ſo ſuͤß, ſo lieblich, ſingt,
Und ſeiner Lalage Zimmt, Moſch und Bieſam bringt,
Chryſtall und Perlen weint, den Kiel in Nektar tauchet,
Zibeth und Calmus kaut, und Ambra von ſich hauchet,
Auf Nelken, Klee, Jeſimin und Anemonen geht,
Verzweifelt, wenn kein Weſt bey ſeiner Schoͤnen weht,
Beklagt, daß ſeine Pein kein Thau, kein Balſam lindert,
Die neue Welt erſchoͤpft, und die Levante pluͤndert,
Zu ſagen, daß ſein Kind vor andern ihn entzuͤckt,
Das ganze Firmament in ihrem Aug erblickt,
Und in ihr Angeſicht, das wie die Venus ſtralet,
Von Blumen aller Art ein ganzes Chaos malet:
Was meynt ihr? Was vergilt die Muͤh des Seladon,
Wenn er ſo koſtbar reimt? Was iſt ſein ganzer Lohn?
Man lachet uͤber ihn. Der Neid, ſtatt ihn zu preiſen,
Eilt gleich, ihm ſeinen Platz, im Tollhaus anzuweiſen.
Raͤcht, Muſen, euch und uns! Seht, wie die dreiſte Welt
Von Buͤrgern euers Reichs ein ſchnoͤdes Urtheil faͤllt!
Straft ſie ‒ ‒ ‒ Doch haltet noch mit euerm Zorn zuruͤcke!
Es giebt der Spoͤtter mehr! Kommt! Werfet eure Blicke
Auf jenen frechen Schwarm, der voller Tuͤcke ſchnaubt,
Euch nach dem Herzen greift, und Ruhm und Lorbeer raubt;
Ja gar, o Frevelthat! ‒ ‒ ja gar, ach, ſoll ichs ſagen! ‒ ‒
Den Reim, den edlen Reim will aus den Verſen jagen.
Eilt, Muſen! Reißt den Blitz aus euers Vaters Hand!
Der Schwarm wird maͤchtig. Eilt, eh er uns uͤbermannt!
Und kommt, und kaͤmpft, und ſiegt, und ſchlagt die Feinde nieder,
Und ſchuͤtzt den werthen Reim, das Hauptwerk deutſcher Lieder!
Denkt, Freunde, die ihr noch die Muſen redlich liebt!
Jhr, denen bloß der Reim die ganze Groͤße giebt!
Die ihr durch ihn allein die Zierden Deutſchlands heißet,
Und euch vor Hunger ſchuͤtzt! Denkt, was man euch entreißet,
So
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[5/0005] in der deutſchen Dichtkunſt. Wenn unſer Seladon ſo ſuͤß, ſo lieblich, ſingt, Und ſeiner Lalage Zimmt, Moſch und Bieſam bringt, Chryſtall und Perlen weint, den Kiel in Nektar tauchet, Zibeth und Calmus kaut, und Ambra von ſich hauchet, Auf Nelken, Klee, Jeſimin und Anemonen geht, Verzweifelt, wenn kein Weſt bey ſeiner Schoͤnen weht, Beklagt, daß ſeine Pein kein Thau, kein Balſam lindert, Die neue Welt erſchoͤpft, und die Levante pluͤndert, Zu ſagen, daß ſein Kind vor andern ihn entzuͤckt, Das ganze Firmament in ihrem Aug erblickt, Und in ihr Angeſicht, das wie die Venus ſtralet, Von Blumen aller Art ein ganzes Chaos malet: Was meynt ihr? Was vergilt die Muͤh des Seladon, Wenn er ſo koſtbar reimt? Was iſt ſein ganzer Lohn? Man lachet uͤber ihn. Der Neid, ſtatt ihn zu preiſen, Eilt gleich, ihm ſeinen Platz, im Tollhaus anzuweiſen. Raͤcht, Muſen, euch und uns! Seht, wie die dreiſte Welt Von Buͤrgern euers Reichs ein ſchnoͤdes Urtheil faͤllt! Straft ſie ‒ ‒ ‒ Doch haltet noch mit euerm Zorn zuruͤcke! Es giebt der Spoͤtter mehr! Kommt! Werfet eure Blicke Auf jenen frechen Schwarm, der voller Tuͤcke ſchnaubt, Euch nach dem Herzen greift, und Ruhm und Lorbeer raubt; Ja gar, o Frevelthat! ‒ ‒ ja gar, ach, ſoll ichs ſagen! ‒ ‒ Den Reim, den edlen Reim will aus den Verſen jagen. Eilt, Muſen! Reißt den Blitz aus euers Vaters Hand! Der Schwarm wird maͤchtig. Eilt, eh er uns uͤbermannt! Und kommt, und kaͤmpft, und ſiegt, und ſchlagt die Feinde nieder, Und ſchuͤtzt den werthen Reim, das Hauptwerk deutſcher Lieder! Denkt, Freunde, die ihr noch die Muſen redlich liebt! Jhr, denen bloß der Reim die ganze Groͤße giebt! Die ihr durch ihn allein die Zierden Deutſchlands heißet, Und euch vor Hunger ſchuͤtzt! Denkt, was man euch entreißet, So A 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/5>, abgerufen am 22.11.2024.