Nunmehr thue ich den ersten Schritt in die gelehrte Welt. Schon vor dreyßig Jahren hatte mich die Natur mit so starken und dauerhaften Gliedmaaßen begabt, als zu einem Scribenten erfodert werden. Dennoch habe ich, wel- ches fast unglaublich ist, jedesmal über mich selbst so viel Gewalt gehabt, daß meine Gelehrsamkeit noch niemals zum wirklichen Ausbruche gekommen ist, ich nehme einige kritische Versuche aus, welche ich im Jahre 1719 bey der damaligen großen Theu- rung mir und dem guten Geschmacke zum Besten, doch jedesmal unter fremdem Namen, der Welt mittheilen mußte. Seit dreyßig Jahren also habe ich nur einen Zuschauer unter den Gelehrten abge- geben. Meine ganze Aufmerksamkeit war dahin gerichtet, zu sehen, welches die sichersten und leichtesten Mittel wären, sich auf einmal über andre zu schwingen, und bis auf die späteste Nach- welt berühmt zu werden. Jch habe angemerkt, daß die Bemühungen der Geschichtschreiber, der Phi- losophen, der Dichter, und aller übrigen Gelehrten, so beschwerlich, so ungewiß, und so gefährlich sind, daß ich mich wohl hüten werde, mich mit einer von die- sen Arten Schriften zu vermengen. Hingegen ge- traue ich mir, durch hundert Exempel zu behaupten, daß man durch kein Mittel in der Welt leichter zur gehörigen Autorgröße gelangen kann, als durch die Beschäfftigung, die Schriften andrer Männer durch Noten zu vermehren, und zu verbessern. Leu-
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Nunmehr thue ich den erſten Schritt in die gelehrte Welt. Schon vor dreyßig Jahren hatte mich die Natur mit ſo ſtarken und dauerhaften Gliedmaaßen begabt, als zu einem Scribenten erfodert werden. Dennoch habe ich, wel- ches faſt unglaublich iſt, jedesmal uͤber mich ſelbſt ſo viel Gewalt gehabt, daß meine Gelehrſamkeit noch niemals zum wirklichen Ausbruche gekommen iſt, ich nehme einige kritiſche Verſuche aus, welche ich im Jahre 1719 bey der damaligen großen Theu- rung mir und dem guten Geſchmacke zum Beſten, doch jedesmal unter fremdem Namen, der Welt mittheilen mußte. Seit dreyßig Jahren alſo habe ich nur einen Zuſchauer unter den Gelehrten abge- geben. Meine ganze Aufmerkſamkeit war dahin gerichtet, zu ſehen, welches die ſicherſten und leichteſten Mittel waͤren, ſich auf einmal uͤber andre zu ſchwingen, und bis auf die ſpaͤteſte Nach- welt beruͤhmt zu werden. Jch habe angemerkt, daß die Bemuͤhungen der Geſchichtſchreiber, der Phi- loſophen, der Dichter, und aller uͤbrigen Gelehrten, ſo beſchwerlich, ſo ungewiß, und ſo gefaͤhrlich ſind, daß ich mich wohl huͤten werde, mich mit einer von die- ſen Arten Schriften zu vermengen. Hingegen ge- traue ich mir, durch hundert Exempel zu behaupten, daß man durch kein Mittel in der Welt leichter zur gehoͤrigen Autorgroͤße gelangen kann, als durch die Beſchaͤfftigung, die Schriften andrer Maͤnner durch Noten zu vermehren, und zu verbeſſern. Leu-
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Nunmehr thue ich den erſten Schritt in die
gelehrte Welt. Schon vor dreyßig Jahren
hatte mich die Natur mit ſo ſtarken und
dauerhaften Gliedmaaßen begabt, als zu einem
Scribenten erfodert werden. Dennoch habe ich, wel-
ches faſt unglaublich iſt, jedesmal uͤber mich ſelbſt
ſo viel Gewalt gehabt, daß meine Gelehrſamkeit
noch niemals zum wirklichen Ausbruche gekommen
iſt, ich nehme einige kritiſche Verſuche aus, welche
ich im Jahre 1719 bey der damaligen großen Theu-
rung mir und dem guten Geſchmacke zum Beſten,
doch jedesmal unter fremdem Namen, der Welt
mittheilen mußte. Seit dreyßig Jahren alſo habe
ich nur einen Zuſchauer unter den Gelehrten abge-
geben. Meine ganze Aufmerkſamkeit war dahin
gerichtet, zu ſehen, welches die ſicherſten und
leichteſten Mittel waͤren, ſich auf einmal uͤber
andre zu ſchwingen, und bis auf die ſpaͤteſte Nach-
welt beruͤhmt zu werden. Jch habe angemerkt, daß
die Bemuͤhungen der Geſchichtſchreiber, der Phi-
loſophen, der Dichter, und aller uͤbrigen Gelehrten,
ſo beſchwerlich, ſo ungewiß, und ſo gefaͤhrlich ſind, daß
ich mich wohl huͤten werde, mich mit einer von die-
ſen Arten Schriften zu vermengen. Hingegen ge-
traue ich mir, durch hundert Exempel zu behaupten,
daß man durch kein Mittel in der Welt leichter zur
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/109>, abgerufen am 24.11.2024.
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