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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Abhandlung.
in ganzen Qvartanten von den Pflichten der Men-
schen gegen ihre Mitbürger, von Erlangung des höch-
sten Gutes, von der Erkenntniß des Schöpfers aus
der Natur, von der Belohnung und Bestrafung des
Guten und Bösen, von der Unsterblichkeit der See-
le, von der Bändigung aller heftigen Leidenschaften,
und von der wahren Zufriedenheit eines Menschen,
mit solcher Lebhaftigkeit und mit solchem Eifer schrei-
ben, daß sich ihre Abhandlungen auf das erbaulich-
ste lesen lassen. Gleichwohl will man aus besondern
Umständen dieser Moralisten schließen, und für ge-
wiß versichern, daß sie, wenn man sie als Menschen,
und nicht als Philosophen, betrachtet, nichts weniger,
als die Pflichten gegen ihre Mitbürger, erfüllen; daß
sie in Bestimmung des höchsten Gutes sehr ungewiß
sind, und sich sehr körperliche Begriffe davon ma-
chen; daß sie an die Erkenntniß des Schöpfers, an
die Vergeltung des Guten und Bösen, und an die
Unsterblichkeit der Seele nicht länger denken, als sie
auf der Catheder stehen, oder an dem Pulte sitzen.
Niemals sind sie, sagt die Gelehrtenhistorie unsrer
Zeit, wider den Hochmuth mehr ergrimmt, als wenn
man ihnen ihren Rang streitig machen will. Nur
erst alsdann kömmt ihnen der Geiz recht abscheulich
vor, wenn ihre Gläubiger so unphilosophisch sind,
und auf ihre Bezahlung dringen. Und ist ihre Chloe;
denn die Philosophen haben auch ihre Chloen; ist
diese, sage ich, so niedrig gesinnt, daß ihr die Ge-
schenke und Küsse eines erhitzten Stutzers lieber sind,
als die abstracten Seufzer ihres dogmatischen An-
beters: So kann man gewiß glauben, daß er in

der

Abhandlung.
in ganzen Qvartanten von den Pflichten der Men-
ſchen gegen ihre Mitbuͤrger, von Erlangung des hoͤch-
ſten Gutes, von der Erkenntniß des Schoͤpfers aus
der Natur, von der Belohnung und Beſtrafung des
Guten und Boͤſen, von der Unſterblichkeit der See-
le, von der Baͤndigung aller heftigen Leidenſchaften,
und von der wahren Zufriedenheit eines Menſchen,
mit ſolcher Lebhaftigkeit und mit ſolchem Eifer ſchrei-
ben, daß ſich ihre Abhandlungen auf das erbaulich-
ſte leſen laſſen. Gleichwohl will man aus beſondern
Umſtaͤnden dieſer Moraliſten ſchließen, und fuͤr ge-
wiß verſichern, daß ſie, wenn man ſie als Menſchen,
und nicht als Philoſophen, betrachtet, nichts weniger,
als die Pflichten gegen ihre Mitbuͤrger, erfuͤllen; daß
ſie in Beſtimmung des hoͤchſten Gutes ſehr ungewiß
ſind, und ſich ſehr koͤrperliche Begriffe davon ma-
chen; daß ſie an die Erkenntniß des Schoͤpfers, an
die Vergeltung des Guten und Boͤſen, und an die
Unſterblichkeit der Seele nicht laͤnger denken, als ſie
auf der Catheder ſtehen, oder an dem Pulte ſitzen.
Niemals ſind ſie, ſagt die Gelehrtenhiſtorie unſrer
Zeit, wider den Hochmuth mehr ergrimmt, als wenn
man ihnen ihren Rang ſtreitig machen will. Nur
erſt alsdann koͤmmt ihnen der Geiz recht abſcheulich
vor, wenn ihre Glaͤubiger ſo unphiloſophiſch ſind,
und auf ihre Bezahlung dringen. Und iſt ihre Chloe;
denn die Philoſophen haben auch ihre Chloen; iſt
dieſe, ſage ich, ſo niedrig geſinnt, daß ihr die Ge-
ſchenke und Kuͤſſe eines erhitzten Stutzers lieber ſind,
als die abſtracten Seufzer ihres dogmatiſchen An-
beters: So kann man gewiß glauben, daß er in

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[100/0100] Abhandlung. in ganzen Qvartanten von den Pflichten der Men- ſchen gegen ihre Mitbuͤrger, von Erlangung des hoͤch- ſten Gutes, von der Erkenntniß des Schoͤpfers aus der Natur, von der Belohnung und Beſtrafung des Guten und Boͤſen, von der Unſterblichkeit der See- le, von der Baͤndigung aller heftigen Leidenſchaften, und von der wahren Zufriedenheit eines Menſchen, mit ſolcher Lebhaftigkeit und mit ſolchem Eifer ſchrei- ben, daß ſich ihre Abhandlungen auf das erbaulich- ſte leſen laſſen. Gleichwohl will man aus beſondern Umſtaͤnden dieſer Moraliſten ſchließen, und fuͤr ge- wiß verſichern, daß ſie, wenn man ſie als Menſchen, und nicht als Philoſophen, betrachtet, nichts weniger, als die Pflichten gegen ihre Mitbuͤrger, erfuͤllen; daß ſie in Beſtimmung des hoͤchſten Gutes ſehr ungewiß ſind, und ſich ſehr koͤrperliche Begriffe davon ma- chen; daß ſie an die Erkenntniß des Schoͤpfers, an die Vergeltung des Guten und Boͤſen, und an die Unſterblichkeit der Seele nicht laͤnger denken, als ſie auf der Catheder ſtehen, oder an dem Pulte ſitzen. Niemals ſind ſie, ſagt die Gelehrtenhiſtorie unſrer Zeit, wider den Hochmuth mehr ergrimmt, als wenn man ihnen ihren Rang ſtreitig machen will. Nur erſt alsdann koͤmmt ihnen der Geiz recht abſcheulich vor, wenn ihre Glaͤubiger ſo unphiloſophiſch ſind, und auf ihre Bezahlung dringen. Und iſt ihre Chloe; denn die Philoſophen haben auch ihre Chloen; iſt dieſe, ſage ich, ſo niedrig geſinnt, daß ihr die Ge- ſchenke und Kuͤſſe eines erhitzten Stutzers lieber ſind, als die abſtracten Seufzer ihres dogmatiſchen An- beters: So kann man gewiß glauben, daß er in der

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/100>, abgerufen am 22.11.2024.