Ehe ich schließe, muß ich noch eines Fehlers ge- denken, welcher sich bey der Satyre sehr oft äußert, und an dem die Verfasser so wohl, als die Leser, Schuld sind. Manche sind nicht im Stande, Satyren, und lebhaft, zu schreiben, wenn sie nicht einen aus dem Volke herausheben, und seine Laster oder lächerliche Gewohnheiten der Welt zur Schau stellen. Sie verfolgen und zerarbeiten ihn so lange, bis er der ganzen Welt verhaßt oder lächerlich ist. Jch setze voraus, daß sie dieses in der That aus Liebe zur Tugend, und andre vor seinen Fehlern zu warnen, nicht aber aus Feindschaft und Verbitterung, nur um sich zu rächen, thun; denn alsdann verdienen sie den Namen eines Satyrenschreibers nicht einmal. Gesetzt aber auch, ihre Absicht wäre billig; so glau- be ich doch, daß diese verzweifelte Cur nicht eher zu brauchen ist, bis daß Laster gar zu gefährlich ist, und zur Besserung sonst keine Mittel mehr übrig sind. Derjenige, welchen wir auf diese Art dem Hasse, oder dem Gelächter Preis geben, ist nunmehr ganz außer dem Stande, sich zu bessern; sowohl, als ein Missethäter, den man an der Stirne gebrandmarkt hat. Die öffentliche Schande muß ihn zur Ver- zweiflung bringen, und er wird öffentlich lasterhaft, da er es vorher vielleicht nur heimlich war. Jch
glaube
Vorbericht.
Ehe ich ſchließe, muß ich noch eines Fehlers ge- denken, welcher ſich bey der Satyre ſehr oft aͤußert, und an dem die Verfaſſer ſo wohl, als die Leſer, Schuld ſind. Manche ſind nicht im Stande, Satyren, und lebhaft, zu ſchreiben, wenn ſie nicht einen aus dem Volke herausheben, und ſeine Laſter oder laͤcherliche Gewohnheiten der Welt zur Schau ſtellen. Sie verfolgen und zerarbeiten ihn ſo lange, bis er der ganzen Welt verhaßt oder laͤcherlich iſt. Jch ſetze voraus, daß ſie dieſes in der That aus Liebe zur Tugend, und andre vor ſeinen Fehlern zu warnen, nicht aber aus Feindſchaft und Verbitterung, nur um ſich zu raͤchen, thun; denn alsdann verdienen ſie den Namen eines Satyrenſchreibers nicht einmal. Geſetzt aber auch, ihre Abſicht waͤre billig; ſo glau- be ich doch, daß dieſe verzweifelte Cur nicht eher zu brauchen iſt, bis daß Laſter gar zu gefaͤhrlich iſt, und zur Beſſerung ſonſt keine Mittel mehr uͤbrig ſind. Derjenige, welchen wir auf dieſe Art dem Haſſe, oder dem Gelaͤchter Preis geben, iſt nunmehr ganz außer dem Stande, ſich zu beſſern; ſowohl, als ein Miſſethaͤter, den man an der Stirne gebrandmarkt hat. Die oͤffentliche Schande muß ihn zur Ver- zweiflung bringen, und er wird oͤffentlich laſterhaft, da er es vorher vielleicht nur heimlich war. Jch
glaube
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Vorbericht.
Ehe ich ſchließe, muß ich noch eines Fehlers ge-
denken, welcher ſich bey der Satyre ſehr oft aͤußert,
und an dem die Verfaſſer ſo wohl, als die Leſer, Schuld
ſind. Manche ſind nicht im Stande, Satyren, und
lebhaft, zu ſchreiben, wenn ſie nicht einen aus dem
Volke herausheben, und ſeine Laſter oder laͤcherliche
Gewohnheiten der Welt zur Schau ſtellen. Sie
verfolgen und zerarbeiten ihn ſo lange, bis er der
ganzen Welt verhaßt oder laͤcherlich iſt. Jch ſetze
voraus, daß ſie dieſes in der That aus Liebe zur
Tugend, und andre vor ſeinen Fehlern zu warnen,
nicht aber aus Feindſchaft und Verbitterung, nur
um ſich zu raͤchen, thun; denn alsdann verdienen ſie
den Namen eines Satyrenſchreibers nicht einmal.
Geſetzt aber auch, ihre Abſicht waͤre billig; ſo glau-
be ich doch, daß dieſe verzweifelte Cur nicht eher
zu brauchen iſt, bis daß Laſter gar zu gefaͤhrlich iſt, und
zur Beſſerung ſonſt keine Mittel mehr uͤbrig ſind.
Derjenige, welchen wir auf dieſe Art dem Haſſe,
oder dem Gelaͤchter Preis geben, iſt nunmehr ganz
außer dem Stande, ſich zu beſſern; ſowohl, als ein
Miſſethaͤter, den man an der Stirne gebrandmarkt
hat. Die oͤffentliche Schande muß ihn zur Ver-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/38>, abgerufen am 04.05.2024.
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