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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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von Nicolaus Klimen.
nicht. Die Armen ermahnte er sehr ernstlich zum
Frieden, und schlug ihnen seinen Beystand schlech-
terdings ab; denn sie hatten kein Geld, und folg-
lich Unrecht. Wessen er sich aber einmal annahm,
den verließ er nicht, so lange derselbe noch einen
Groschen im Beutel hatte. Sein größter Vor-
theil bestund im Schwören. Er war auch selbst
vermögend, in einem Athem drey falsche Eide zu
thun. Er verstund sich sehr wohl auf die Kunst,
Zeugen zu machen. Der Schelme und Diebe nahm
er sich recht väterlich an, und wessen Sache er ver-
theidigte, den redete er gewiß vom Galgen los.

Steen Dalekerl, ein gelehrter Renomist.
Er war ein Todfeind von allen denen, welche nicht
so dachten, als er. Kein Gelehrter durfte sich bli-
cken lassen, den er nicht mit der Feder in der Faust
anfiel. Eigentlich hatte er sich auf nichts gelegt;
aber eben um deswillen glaubte er, er sey geschickt,
alles zu beurtheilen, es möchte seyn, aus welcher
Disciplin es wollte. Er war aus Northolm gebür-
tig, und hielt alle diejenigen für Jdioten, welche
nicht seine Landsleute waren. Besonders in
Druckfehlern hatte er eine starke Einsicht, woüber
er sich oftmals sehr lustig machte. Jn seiner
Schreibart war er so spöttisch, wie ein Boots-
knecht, und konnte schimpfen, wie ein Kunstrichter.
Hätten ihn die unterirrdischen Einwohner der
Stadt Keba gehabt; so würde er auf ihrem gelehr-
ten Kampfjagen der beste Maskabus gewesen, und
wenigstens für dreyßigtausend Ricatu verkauft
worden seyn.

Ursel

von Nicolaus Klimen.
nicht. Die Armen ermahnte er ſehr ernſtlich zum
Frieden, und ſchlug ihnen ſeinen Beyſtand ſchlech-
terdings ab; denn ſie hatten kein Geld, und folg-
lich Unrecht. Weſſen er ſich aber einmal annahm,
den verließ er nicht, ſo lange derſelbe noch einen
Groſchen im Beutel hatte. Sein groͤßter Vor-
theil beſtund im Schwoͤren. Er war auch ſelbſt
vermoͤgend, in einem Athem drey falſche Eide zu
thun. Er verſtund ſich ſehr wohl auf die Kunſt,
Zeugen zu machen. Der Schelme und Diebe nahm
er ſich recht vaͤterlich an, und weſſen Sache er ver-
theidigte, den redete er gewiß vom Galgen los.

Steen Dalekerl, ein gelehrter Renomiſt.
Er war ein Todfeind von allen denen, welche nicht
ſo dachten, als er. Kein Gelehrter durfte ſich bli-
cken laſſen, den er nicht mit der Feder in der Fauſt
anfiel. Eigentlich hatte er ſich auf nichts gelegt;
aber eben um deswillen glaubte er, er ſey geſchickt,
alles zu beurtheilen, es moͤchte ſeyn, aus welcher
Diſciplin es wollte. Er war aus Northolm gebuͤr-
tig, und hielt alle diejenigen fuͤr Jdioten, welche
nicht ſeine Landsleute waren. Beſonders in
Druckfehlern hatte er eine ſtarke Einſicht, wouͤber
er ſich oftmals ſehr luſtig machte. Jn ſeiner
Schreibart war er ſo ſpoͤttiſch, wie ein Boots-
knecht, und konnte ſchimpfen, wie ein Kunſtrichter.
Haͤtten ihn die unterirrdiſchen Einwohner der
Stadt Keba gehabt; ſo wuͤrde er auf ihrem gelehr-
ten Kampfjagen der beſte Maskabus geweſen, und
wenigſtens fuͤr dreyßigtauſend Ricatu verkauft
worden ſeyn.

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[171/0245] von Nicolaus Klimen. nicht. Die Armen ermahnte er ſehr ernſtlich zum Frieden, und ſchlug ihnen ſeinen Beyſtand ſchlech- terdings ab; denn ſie hatten kein Geld, und folg- lich Unrecht. Weſſen er ſich aber einmal annahm, den verließ er nicht, ſo lange derſelbe noch einen Groſchen im Beutel hatte. Sein groͤßter Vor- theil beſtund im Schwoͤren. Er war auch ſelbſt vermoͤgend, in einem Athem drey falſche Eide zu thun. Er verſtund ſich ſehr wohl auf die Kunſt, Zeugen zu machen. Der Schelme und Diebe nahm er ſich recht vaͤterlich an, und weſſen Sache er ver- theidigte, den redete er gewiß vom Galgen los. Steen Dalekerl, ein gelehrter Renomiſt. Er war ein Todfeind von allen denen, welche nicht ſo dachten, als er. Kein Gelehrter durfte ſich bli- cken laſſen, den er nicht mit der Feder in der Fauſt anfiel. Eigentlich hatte er ſich auf nichts gelegt; aber eben um deswillen glaubte er, er ſey geſchickt, alles zu beurtheilen, es moͤchte ſeyn, aus welcher Diſciplin es wollte. Er war aus Northolm gebuͤr- tig, und hielt alle diejenigen fuͤr Jdioten, welche nicht ſeine Landsleute waren. Beſonders in Druckfehlern hatte er eine ſtarke Einſicht, wouͤber er ſich oftmals ſehr luſtig machte. Jn ſeiner Schreibart war er ſo ſpoͤttiſch, wie ein Boots- knecht, und konnte ſchimpfen, wie ein Kunſtrichter. Haͤtten ihn die unterirrdiſchen Einwohner der Stadt Keba gehabt; ſo wuͤrde er auf ihrem gelehr- ten Kampfjagen der beſte Maskabus geweſen, und wenigſtens fuͤr dreyßigtauſend Ricatu verkauft worden ſeyn. Urſel

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/245>, abgerufen am 24.11.2024.