[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Vorbericht. allemal einsehend genug, einen Unterschied, zwischender Person desjenigen, der sie lehrt, und zwischen seinen Lehren selbst zu machen. Wage ich nicht zu viel, wenn ich einen bessern will, und dadurch in Gefahr komme, das Ansehen der ganzen Religion zu schwächen, welche man dem Volke nicht ehrwür- dig genug vorstellen kann? Jst ein Geistlicher wirk- lich lasterhaft; so überlasse man ihn der Obrigkeit, welche aufmerksam genug ist, dem Aergernisse zu steuern, das seine lasterhafte Aufführung in der Kir- che veranlassen kann. Hat er lächerliche Fehler, und wir finden schlechterdings nöthig, diese zu züchtigen; so muß unsre Satyre so allgemein seyn, daß nur die Fehler lächerlich werden, seine Person aber, so viel es möglich ist, verdeckt und unerkannt bleibt. Sind es Kleinigkeiten, sind es gelehrte Schwach- heiten, die ihm anhängen, so habe man Geduld, oder mäßige wenigstens die Bitterkeiten mit aller Vorsicht. Jst er ein Jgnorant, und doch exempla- risch, (denn es giebt viel exemplarische Jgnoranten,) so verehre man ihn wegen seines guten Wandels, und verzeihe ihm seine Unwissenheit. Durch Do- natschnitzer kömmt die Kirche nicht in Gefahr, und wir können uns mit der angenehmen Vorstellung beruhigen, daß wir gelehrter sind, als er. Jch
Vorbericht. allemal einſehend genug, einen Unterſchied, zwiſchender Perſon desjenigen, der ſie lehrt, und zwiſchen ſeinen Lehren ſelbſt zu machen. Wage ich nicht zu viel, wenn ich einen beſſern will, und dadurch in Gefahr komme, das Anſehen der ganzen Religion zu ſchwaͤchen, welche man dem Volke nicht ehrwuͤr- dig genug vorſtellen kann? Jſt ein Geiſtlicher wirk- lich laſterhaft; ſo uͤberlaſſe man ihn der Obrigkeit, welche aufmerkſam genug iſt, dem Aergerniſſe zu ſteuern, das ſeine laſterhafte Auffuͤhrung in der Kir- che veranlaſſen kann. Hat er laͤcherliche Fehler, und wir finden ſchlechterdings noͤthig, dieſe zu zuͤchtigen; ſo muß unſre Satyre ſo allgemein ſeyn, daß nur die Fehler laͤcherlich werden, ſeine Perſon aber, ſo viel es moͤglich iſt, verdeckt und unerkannt bleibt. Sind es Kleinigkeiten, ſind es gelehrte Schwach- heiten, die ihm anhaͤngen, ſo habe man Geduld, oder maͤßige wenigſtens die Bitterkeiten mit aller Vorſicht. Jſt er ein Jgnorant, und doch exempla- riſch, (denn es giebt viel exemplariſche Jgnoranten,) ſo verehre man ihn wegen ſeines guten Wandels, und verzeihe ihm ſeine Unwiſſenheit. Durch Do- natſchnitzer koͤmmt die Kirche nicht in Gefahr, und wir koͤnnen uns mit der angenehmen Vorſtellung beruhigen, daß wir gelehrter ſind, als er. Jch
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Vorbericht.
allemal einſehend genug, einen Unterſchied, zwiſchen
der Perſon desjenigen, der ſie lehrt, und zwiſchen
ſeinen Lehren ſelbſt zu machen. Wage ich nicht zu
viel, wenn ich einen beſſern will, und dadurch in
Gefahr komme, das Anſehen der ganzen Religion
zu ſchwaͤchen, welche man dem Volke nicht ehrwuͤr-
dig genug vorſtellen kann? Jſt ein Geiſtlicher wirk-
lich laſterhaft; ſo uͤberlaſſe man ihn der Obrigkeit,
welche aufmerkſam genug iſt, dem Aergerniſſe zu
ſteuern, das ſeine laſterhafte Auffuͤhrung in der Kir-
che veranlaſſen kann. Hat er laͤcherliche Fehler, und
wir finden ſchlechterdings noͤthig, dieſe zu zuͤchtigen;
ſo muß unſre Satyre ſo allgemein ſeyn, daß nur
die Fehler laͤcherlich werden, ſeine Perſon aber, ſo
viel es moͤglich iſt, verdeckt und unerkannt bleibt.
Sind es Kleinigkeiten, ſind es gelehrte Schwach-
heiten, die ihm anhaͤngen, ſo habe man Geduld,
oder maͤßige wenigſtens die Bitterkeiten mit aller
Vorſicht. Jſt er ein Jgnorant, und doch exempla-
riſch, (denn es giebt viel exemplariſche Jgnoranten,)
ſo verehre man ihn wegen ſeines guten Wandels,
und verzeihe ihm ſeine Unwiſſenheit. Durch Do-
natſchnitzer koͤmmt die Kirche nicht in Gefahr, und
wir koͤnnen uns mit der angenehmen Vorſtellung
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