[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Lebenslauf habe. Es fiel ihm ein, mich zu fragen, was ichvon ihm hielte? Jch erblaßte über diese Anfrage. Sollte ich sprechen, er wäre ein geschickter und dem gemeinen Wesen nützlicher Mann, so würde er mich mit neuen Wohlthaten überhäuft haben. Aber alle diese mußte ich verlieren, wenn ich die Wahr- heit redete. Jch redete sie aber doch. Jch sagte, daß Männer von seinen Fähigkeiten bey dem Baue der Gelehrsamkeit unentbehrlich wären; indem sie den Schutt wegführen müßten, welcher den Bau- leuten hinderlich sey. Mehr brauchte ich nicht zu sagen, mich zu verderben. Jch mußte auf der Stelle aus dem Hause, unter Begleitung tausend lateinischer Schimpfwörter, welche ich vorher mein Tage nicht gehört und erst lange hernach in Bur- manns Schriften gelesen habe. Der Verlust dieses Mäcenaten ward mir durch Ein unverhoffter Zufall brachte mich in eine nem
Lebenslauf habe. Es fiel ihm ein, mich zu fragen, was ichvon ihm hielte? Jch erblaßte uͤber dieſe Anfrage. Sollte ich ſprechen, er waͤre ein geſchickter und dem gemeinen Weſen nuͤtzlicher Mann, ſo wuͤrde er mich mit neuen Wohlthaten uͤberhaͤuft haben. Aber alle dieſe mußte ich verlieren, wenn ich die Wahr- heit redete. Jch redete ſie aber doch. Jch ſagte, daß Maͤnner von ſeinen Faͤhigkeiten bey dem Baue der Gelehrſamkeit unentbehrlich waͤren; indem ſie den Schutt wegfuͤhren muͤßten, welcher den Bau- leuten hinderlich ſey. Mehr brauchte ich nicht zu ſagen, mich zu verderben. Jch mußte auf der Stelle aus dem Hauſe, unter Begleitung tauſend lateiniſcher Schimpfwoͤrter, welche ich vorher mein Tage nicht gehoͤrt und erſt lange hernach in Bur- manns Schriften geleſen habe. Der Verluſt dieſes Maͤcenaten ward mir durch Ein unverhoffter Zufall brachte mich in eine nem
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Lebenslauf
habe. Es fiel ihm ein, mich zu fragen, was ich
von ihm hielte? Jch erblaßte uͤber dieſe Anfrage.
Sollte ich ſprechen, er waͤre ein geſchickter und dem
gemeinen Weſen nuͤtzlicher Mann, ſo wuͤrde er mich
mit neuen Wohlthaten uͤberhaͤuft haben. Aber
alle dieſe mußte ich verlieren, wenn ich die Wahr-
heit redete. Jch redete ſie aber doch. Jch ſagte,
daß Maͤnner von ſeinen Faͤhigkeiten bey dem Baue
der Gelehrſamkeit unentbehrlich waͤren; indem ſie
den Schutt wegfuͤhren muͤßten, welcher den Bau-
leuten hinderlich ſey. Mehr brauchte ich nicht zu
ſagen, mich zu verderben. Jch mußte auf der
Stelle aus dem Hauſe, unter Begleitung tauſend
lateiniſcher Schimpfwoͤrter, welche ich vorher mein
Tage nicht gehoͤrt und erſt lange hernach in Bur-
manns Schriften geleſen habe.
Der Verluſt dieſes Maͤcenaten ward mir durch
einen Rechtsgelehrten reichlich erſetzet. Jn den
Landesgeſetzen war er ganz unerfahren, deſto geuͤb-
ter aber in den roͤmiſchen Rechten. Es gieng mir
wohl bey ihm; weil man ihm aber hinterbrachte,
ich haͤtte mich verlauten laſſen, daß er mehr Ge-
ſchicklichkeit habe, eine Rede pro roſtris zu halten,
als eine Ruͤge zu machen, ſo hub er ſeine Wohltha-
ten gegen mich auf, und bewies mir ex l. 1. C. de
donat. reuoc. daß ich ihm nicht wieder unter die
Augen kommen ſollte.
Ein unverhoffter Zufall brachte mich in eine
Stadt, wo es ſchien, ich wuͤrde den Grund zu mei-
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