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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Von Erlernung der Sprachen
ten der Jtaliäner haben mir jederzeit einen Abscheu
vor ihren Sprachen gemacht. Deutsch zu lernen,
klingt gar lächerlich. Unser Thorwärter in der
Schule konnte gutes Deutsch reden, ungeachtet er
niemals in die Lehrstunden kam, und meine Mutter
verstund mich allemal, wenn ich um Geld schrieb.
Jch habe zwar gegenwärtigen Brief von einem mei-
ner guten Freunde durchsehen, und die Schreibart
ändern lassen; dieses geschieht aber mehr aus einer
Gefälligkeit, als innerlichen Ueberzeugung, daß es
nöthig sey. Daß die mathematischen Wissenschaf-
ten auf Schulen getrieben werden, das lasse ich eher
gelten. Es kommen doch immer griechische Wör-
ter darinnen vor. Die Malerey, Musik, und das
Tanzen schicken sich am besten für Frauenzimmer,
und die Kunst leserlich und schön zu schreiben, für
den Pöbel. Denn gelehrte Leute müssen schlecht
schreiben; dieses ist ein altes Herkommen.

Sagen Sie mir aufrichtig, mein Herr, wie ge-
fällt Jhnen dieser Beweis? Nicht wahr, vortreff-
lich? Sollten Sie wohl in einem jungen Menschen
so viel Verstand, und einen so guten Geschmack
suchen?

Die lateinische Sprache kam mir so einnehmend
und reizend vor, daß ich mich schäme, ein gebohr-
ner Deutscher zu seyn. Jn der griechischen Spra-
che fand ich etwas, von dem ich viel zu wenig sage,
wenn ich spreche, daß es reizend, und entzückend
war. Jch habe mich vielmals gewundert, warum
man sie nicht bey Hofe einführt, und ich bin gewiß
versichert, ein Frauenzimmer würde bey einer grie-

chischen

Von Erlernung der Sprachen
ten der Jtaliaͤner haben mir jederzeit einen Abſcheu
vor ihren Sprachen gemacht. Deutſch zu lernen,
klingt gar laͤcherlich. Unſer Thorwaͤrter in der
Schule konnte gutes Deutſch reden, ungeachtet er
niemals in die Lehrſtunden kam, und meine Mutter
verſtund mich allemal, wenn ich um Geld ſchrieb.
Jch habe zwar gegenwaͤrtigen Brief von einem mei-
ner guten Freunde durchſehen, und die Schreibart
aͤndern laſſen; dieſes geſchieht aber mehr aus einer
Gefaͤlligkeit, als innerlichen Ueberzeugung, daß es
noͤthig ſey. Daß die mathematiſchen Wiſſenſchaf-
ten auf Schulen getrieben werden, das laſſe ich eher
gelten. Es kommen doch immer griechiſche Woͤr-
ter darinnen vor. Die Malerey, Muſik, und das
Tanzen ſchicken ſich am beſten fuͤr Frauenzimmer,
und die Kunſt leſerlich und ſchoͤn zu ſchreiben, fuͤr
den Poͤbel. Denn gelehrte Leute muͤſſen ſchlecht
ſchreiben; dieſes iſt ein altes Herkommen.

Sagen Sie mir aufrichtig, mein Herr, wie ge-
faͤllt Jhnen dieſer Beweis? Nicht wahr, vortreff-
lich? Sollten Sie wohl in einem jungen Menſchen
ſo viel Verſtand, und einen ſo guten Geſchmack
ſuchen?

Die lateiniſche Sprache kam mir ſo einnehmend
und reizend vor, daß ich mich ſchaͤme, ein gebohr-
ner Deutſcher zu ſeyn. Jn der griechiſchen Spra-
che fand ich etwas, von dem ich viel zu wenig ſage,
wenn ich ſpreche, daß es reizend, und entzuͤckend
war. Jch habe mich vielmals gewundert, warum
man ſie nicht bey Hofe einfuͤhrt, und ich bin gewiß
verſichert, ein Frauenzimmer wuͤrde bey einer grie-

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[112/0186] Von Erlernung der Sprachen ten der Jtaliaͤner haben mir jederzeit einen Abſcheu vor ihren Sprachen gemacht. Deutſch zu lernen, klingt gar laͤcherlich. Unſer Thorwaͤrter in der Schule konnte gutes Deutſch reden, ungeachtet er niemals in die Lehrſtunden kam, und meine Mutter verſtund mich allemal, wenn ich um Geld ſchrieb. Jch habe zwar gegenwaͤrtigen Brief von einem mei- ner guten Freunde durchſehen, und die Schreibart aͤndern laſſen; dieſes geſchieht aber mehr aus einer Gefaͤlligkeit, als innerlichen Ueberzeugung, daß es noͤthig ſey. Daß die mathematiſchen Wiſſenſchaf- ten auf Schulen getrieben werden, das laſſe ich eher gelten. Es kommen doch immer griechiſche Woͤr- ter darinnen vor. Die Malerey, Muſik, und das Tanzen ſchicken ſich am beſten fuͤr Frauenzimmer, und die Kunſt leſerlich und ſchoͤn zu ſchreiben, fuͤr den Poͤbel. Denn gelehrte Leute muͤſſen ſchlecht ſchreiben; dieſes iſt ein altes Herkommen. Sagen Sie mir aufrichtig, mein Herr, wie ge- faͤllt Jhnen dieſer Beweis? Nicht wahr, vortreff- lich? Sollten Sie wohl in einem jungen Menſchen ſo viel Verſtand, und einen ſo guten Geſchmack ſuchen? Die lateiniſche Sprache kam mir ſo einnehmend und reizend vor, daß ich mich ſchaͤme, ein gebohr- ner Deutſcher zu ſeyn. Jn der griechiſchen Spra- che fand ich etwas, von dem ich viel zu wenig ſage, wenn ich ſpreche, daß es reizend, und entzuͤckend war. Jch habe mich vielmals gewundert, warum man ſie nicht bey Hofe einfuͤhrt, und ich bin gewiß verſichert, ein Frauenzimmer wuͤrde bey einer grie- chiſchen

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/186>, abgerufen am 22.11.2024.