Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
Unser Feind gewinnt zu viel über uns. Er darf
nur sagen; daß wir von ihm beleidigt sind, und daß
wir als Feinde schreiben: So hat er seine Fehler
vertheidigt, und kann ganz ruhig lasterhaft bleiben.
Er bringt die Leser auf seine Seite, welche ohnedem
geneigt genug sind, an der guten Absicht der Sa-
tyre zu zweifeln. Wir werden der Welt verdächtig,
an statt, daß wir die Fehler unsers Feindes lächer-
lich machen wollten.

Wenn wir bey manchen die Ursachen untersu-
chen wollten, warum sie mit so vieler Bitterkeit wi-
der die Fehler der Menschen eifern: So würden wir
finden, daß es aus Misgunst, und aus ihrem schwar-
zen Geblüte herkomme. Ein rechtschaffner Saty-
renschreiber wird sich freuen, wenn es aller Welt
wohlgeht; diese aber knirschen über das Glück ihres
Mitbürgers. Es wäre zu verwegen, ihm sein Glück
vorzuwerfen. Was sollen sie thun? Sie vergiften ihm
seine Zufriedenheit; sie machen die Quelle verdäch-
tig, aus der sein Glück entsprungen ist, und werfen
ihm vor, daß er sich dessen nicht vernünftig bediene.
Dadurch schaffen sie sich ein frommes und weises
Ansehen, und wollen uns bereden, daß sie dieses
Glücks weit würdiger wären. Unter hundert Saty-
ren, wider die Pracht und Verschwendung der Rei-

chen
b

Vorbericht.
Unſer Feind gewinnt zu viel uͤber uns. Er darf
nur ſagen; daß wir von ihm beleidigt ſind, und daß
wir als Feinde ſchreiben: So hat er ſeine Fehler
vertheidigt, und kann ganz ruhig laſterhaft bleiben.
Er bringt die Leſer auf ſeine Seite, welche ohnedem
geneigt genug ſind, an der guten Abſicht der Sa-
tyre zu zweifeln. Wir werden der Welt verdaͤchtig,
an ſtatt, daß wir die Fehler unſers Feindes laͤcher-
lich machen wollten.

Wenn wir bey manchen die Urſachen unterſu-
chen wollten, warum ſie mit ſo vieler Bitterkeit wi-
der die Fehler der Menſchen eifern: So wuͤrden wir
finden, daß es aus Misgunſt, und aus ihrem ſchwar-
zen Gebluͤte herkomme. Ein rechtſchaffner Saty-
renſchreiber wird ſich freuen, wenn es aller Welt
wohlgeht; dieſe aber knirſchen uͤber das Gluͤck ihres
Mitbuͤrgers. Es waͤre zu verwegen, ihm ſein Gluͤck
vorzuwerfen. Was ſollen ſie thun? Sie vergiften ihm
ſeine Zufriedenheit; ſie machen die Quelle verdaͤch-
tig, aus der ſein Gluͤck entſprungen iſt, und werfen
ihm vor, daß er ſich deſſen nicht vernuͤnftig bediene.
Dadurch ſchaffen ſie ſich ein frommes und weiſes
Anſehen, und wollen uns bereden, daß ſie dieſes
Gluͤcks weit wuͤrdiger waͤren. Unter hundert Saty-
ren, wider die Pracht und Verſchwendung der Rei-

chen
b
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div>
        <p><pb facs="#f0017" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/>
Un&#x017F;er Feind gewinnt zu viel u&#x0364;ber uns. Er darf<lb/>
nur &#x017F;agen; daß wir von ihm beleidigt &#x017F;ind, und daß<lb/>
wir als Feinde &#x017F;chreiben: So hat er &#x017F;eine Fehler<lb/>
vertheidigt, und kann ganz ruhig la&#x017F;terhaft bleiben.<lb/>
Er bringt die Le&#x017F;er auf &#x017F;eine Seite, welche ohnedem<lb/>
geneigt genug &#x017F;ind, an der guten Ab&#x017F;icht der Sa-<lb/>
tyre zu zweifeln. Wir werden der Welt verda&#x0364;chtig,<lb/>
an &#x017F;tatt, daß wir die Fehler un&#x017F;ers Feindes la&#x0364;cher-<lb/>
lich machen wollten.</p><lb/>
        <p>Wenn wir bey manchen die Ur&#x017F;achen unter&#x017F;u-<lb/>
chen wollten, warum &#x017F;ie mit &#x017F;o vieler Bitterkeit wi-<lb/>
der die Fehler der Men&#x017F;chen eifern: So wu&#x0364;rden wir<lb/>
finden, daß es aus Misgun&#x017F;t, und aus ihrem &#x017F;chwar-<lb/>
zen Geblu&#x0364;te herkomme. Ein recht&#x017F;chaffner Saty-<lb/>
ren&#x017F;chreiber wird &#x017F;ich freuen, wenn es aller Welt<lb/>
wohlgeht; die&#x017F;e aber knir&#x017F;chen u&#x0364;ber das Glu&#x0364;ck ihres<lb/>
Mitbu&#x0364;rgers. Es wa&#x0364;re zu verwegen, ihm &#x017F;ein Glu&#x0364;ck<lb/>
vorzuwerfen. Was &#x017F;ollen &#x017F;ie thun? Sie vergiften ihm<lb/>
&#x017F;eine Zufriedenheit; &#x017F;ie machen die Quelle verda&#x0364;ch-<lb/>
tig, aus der &#x017F;ein Glu&#x0364;ck ent&#x017F;prungen i&#x017F;t, und werfen<lb/>
ihm vor, daß er &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en nicht vernu&#x0364;nftig bediene.<lb/>
Dadurch &#x017F;chaffen &#x017F;ie &#x017F;ich ein frommes und wei&#x017F;es<lb/>
An&#x017F;ehen, und wollen uns bereden, daß &#x017F;ie die&#x017F;es<lb/>
Glu&#x0364;cks weit wu&#x0364;rdiger wa&#x0364;ren. Unter hundert Saty-<lb/>
ren, wider die Pracht und Ver&#x017F;chwendung der Rei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">b</fw><fw place="bottom" type="catch">chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[17/0017] Vorbericht. Unſer Feind gewinnt zu viel uͤber uns. Er darf nur ſagen; daß wir von ihm beleidigt ſind, und daß wir als Feinde ſchreiben: So hat er ſeine Fehler vertheidigt, und kann ganz ruhig laſterhaft bleiben. Er bringt die Leſer auf ſeine Seite, welche ohnedem geneigt genug ſind, an der guten Abſicht der Sa- tyre zu zweifeln. Wir werden der Welt verdaͤchtig, an ſtatt, daß wir die Fehler unſers Feindes laͤcher- lich machen wollten. Wenn wir bey manchen die Urſachen unterſu- chen wollten, warum ſie mit ſo vieler Bitterkeit wi- der die Fehler der Menſchen eifern: So wuͤrden wir finden, daß es aus Misgunſt, und aus ihrem ſchwar- zen Gebluͤte herkomme. Ein rechtſchaffner Saty- renſchreiber wird ſich freuen, wenn es aller Welt wohlgeht; dieſe aber knirſchen uͤber das Gluͤck ihres Mitbuͤrgers. Es waͤre zu verwegen, ihm ſein Gluͤck vorzuwerfen. Was ſollen ſie thun? Sie vergiften ihm ſeine Zufriedenheit; ſie machen die Quelle verdaͤch- tig, aus der ſein Gluͤck entſprungen iſt, und werfen ihm vor, daß er ſich deſſen nicht vernuͤnftig bediene. Dadurch ſchaffen ſie ſich ein frommes und weiſes Anſehen, und wollen uns bereden, daß ſie dieſes Gluͤcks weit wuͤrdiger waͤren. Unter hundert Saty- ren, wider die Pracht und Verſchwendung der Rei- chen b

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/17
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/17>, abgerufen am 04.05.2024.