Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.Wir wandelten oder watschelten wieder durch "Woher stammen im Grunde des Menschen Wir wandelten oder watſchelten wieder durch „Woher ſtammen im Grunde des Menſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0088" n="78"/> <p>Wir wandelten oder watſchelten wieder durch<lb/> ſeinen Gartenweg, zwiſchen ſeinen Johannis- und<lb/> Stachelbeerbüſchen, ſeiner brennenden Liebe, ſeinen<lb/> Roſen und Lilien, ſeinem Ritterſporn und Venus-<lb/> wagen empor zu der Brüſtung ſeiner Feſtung. Als<lb/> Geſchichtsforſcher und als Philoſoph der rothen Schanze<lb/> erwies er ſich von Augenblick zu Augenblick größer —<lb/> bedeutender. Und dabei hatte er ſich in ſeiner wohl-<lb/> gefütterten Einſamkeit und in den Armen ſeiner kleinen,<lb/> herzigen Frau zu einem Selbſtredner ſondergleichen<lb/> ausgebildet. Er fragte, und er gab gewöhnlich die<lb/> Antwort ſelber, was für den Gefragten ſtets ſeine<lb/> große Bequemlichkeit hat.</p><lb/> <p>„Woher ſtammen im Grunde des Menſchen<lb/> Schickſale, Eduard?“ fragte er zuerſt, und ehe ich<lb/> antworten konnte (was hätte ich antworten können?)<lb/> meinte er: „Gewöhnlich, wenn nicht immer aus<lb/> Einem Punkte. Von meinem Kinderwagen her —<lb/> Du weißt, Eduard, ich war ſeit früheſter Jugend<lb/> etwas ſchwach auf den Beinen — erinnere ich mich<lb/> noch ganz gut jener Sonntagsnachmittagsſpazierfahrt-<lb/> ſtunde, wo mein Dämon mich zum erſtenmal hierauf<lb/> anwies, in welcher mein Vater ſagte: ‚Hinter der<lb/> rothen Schanze, Frau, kommen wir gottlob bald in<lb/> den Schatten. Der Bengel da könnte übrigens auch<lb/> bald zu Fuße laufen! Meinſt Du nicht?‘ — ‚Er iſt<lb/> ſo ſchwach auf den Füßen,‘ ſeufzte meine ſelige Mutter,<lb/> und dieſes Wort vergeſſe ich ihr nimmer. Ja, Eduard,<lb/> ich bin immer etwas ſchwach, nicht nur von Begriffen,<lb/> ſondern auch auf den Füßen geweſen, und das iſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [78/0088]
Wir wandelten oder watſchelten wieder durch
ſeinen Gartenweg, zwiſchen ſeinen Johannis- und
Stachelbeerbüſchen, ſeiner brennenden Liebe, ſeinen
Roſen und Lilien, ſeinem Ritterſporn und Venus-
wagen empor zu der Brüſtung ſeiner Feſtung. Als
Geſchichtsforſcher und als Philoſoph der rothen Schanze
erwies er ſich von Augenblick zu Augenblick größer —
bedeutender. Und dabei hatte er ſich in ſeiner wohl-
gefütterten Einſamkeit und in den Armen ſeiner kleinen,
herzigen Frau zu einem Selbſtredner ſondergleichen
ausgebildet. Er fragte, und er gab gewöhnlich die
Antwort ſelber, was für den Gefragten ſtets ſeine
große Bequemlichkeit hat.
„Woher ſtammen im Grunde des Menſchen
Schickſale, Eduard?“ fragte er zuerſt, und ehe ich
antworten konnte (was hätte ich antworten können?)
meinte er: „Gewöhnlich, wenn nicht immer aus
Einem Punkte. Von meinem Kinderwagen her —
Du weißt, Eduard, ich war ſeit früheſter Jugend
etwas ſchwach auf den Beinen — erinnere ich mich
noch ganz gut jener Sonntagsnachmittagsſpazierfahrt-
ſtunde, wo mein Dämon mich zum erſtenmal hierauf
anwies, in welcher mein Vater ſagte: ‚Hinter der
rothen Schanze, Frau, kommen wir gottlob bald in
den Schatten. Der Bengel da könnte übrigens auch
bald zu Fuße laufen! Meinſt Du nicht?‘ — ‚Er iſt
ſo ſchwach auf den Füßen,‘ ſeufzte meine ſelige Mutter,
und dieſes Wort vergeſſe ich ihr nimmer. Ja, Eduard,
ich bin immer etwas ſchwach, nicht nur von Begriffen,
ſondern auch auf den Füßen geweſen, und das iſt
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