"Herze von 'ner Gans, kann ich denn was dafür? Gehe ich etwa aus freien Stücken? Muß ich nicht? habe ich nicht die Verpflichtung, wenigstens einmal durchs Examen zu fallen, meinen guten Eltern zu Liebe? Wie gerne ich Dir zu Liebe hierbliebe, Tinchen, das weißt Du, also sei ein gutes Mädchen und laß das dumme Gewimmer. Guck nur wie der Tapps, der Eduard guckt und sich überlegt, was er zu Hause Alles erzählen kann! Da -- hast Du noch mal mein Taschentuch, und nun blamire uns nicht länger in freier Luft. Glaubst Du, daß darum der Herr Graf von der Lausitz diesen Wall aufgeworfen habe, daß Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen, von ihm herab sich dem Nest drunten von seiner weichsten Seite zeige? Bilde Dir das nicht ein. Bombardiren werde ich noch mal von ihm aus das Philisterthum da unten, daß der kursächsische Staberl-Xaverl sich heute noch als balsamirtes Leder- und Knochenbündel in seiner Fürstengruft darüber freuen soll. Komm mit, Eduard, da Du da bist. Wir wollen endlich hinein ins Haus; denn nämlich, Eduard, nicht immer holt man draußen in der freien Luft am freisten Athem, welche Erfahrung ich Dir, mein Junge, zu möglichem Gebrauche gern gratis überlasse. Dumme Witze verbitte ich mir natürlich, jetzt hier und nachher drunten in der Stadt im Kreise Deiner lieben Verwandten und nähern und weitern Bekannten. Wir Drei sind also ganz allein auf der rothen Schanze? Wundervoll! Sag's Deinen Kötern so eindringlich als möglich, was sie zu thun haben,
„Herze von 'ner Gans, kann ich denn was dafür? Gehe ich etwa aus freien Stücken? Muß ich nicht? habe ich nicht die Verpflichtung, wenigſtens einmal durchs Examen zu fallen, meinen guten Eltern zu Liebe? Wie gerne ich Dir zu Liebe hierbliebe, Tinchen, das weißt Du, alſo ſei ein gutes Mädchen und laß das dumme Gewimmer. Guck nur wie der Tapps, der Eduard guckt und ſich überlegt, was er zu Hauſe Alles erzählen kann! Da — haſt Du noch mal mein Taſchentuch, und nun blamire uns nicht länger in freier Luft. Glaubſt Du, daß darum der Herr Graf von der Lauſitz dieſen Wall aufgeworfen habe, daß Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen, von ihm herab ſich dem Neſt drunten von ſeiner weichſten Seite zeige? Bilde Dir das nicht ein. Bombardiren werde ich noch mal von ihm aus das Philiſterthum da unten, daß der kurſächſiſche Staberl-Xaverl ſich heute noch als balſamirtes Leder- und Knochenbündel in ſeiner Fürſtengruft darüber freuen ſoll. Komm mit, Eduard, da Du da biſt. Wir wollen endlich hinein ins Haus; denn nämlich, Eduard, nicht immer holt man draußen in der freien Luft am freiſten Athem, welche Erfahrung ich Dir, mein Junge, zu möglichem Gebrauche gern gratis überlaſſe. Dumme Witze verbitte ich mir natürlich, jetzt hier und nachher drunten in der Stadt im Kreiſe Deiner lieben Verwandten und nähern und weitern Bekannten. Wir Drei ſind alſo ganz allein auf der rothen Schanze? Wundervoll! Sag's Deinen Kötern ſo eindringlich als möglich, was ſie zu thun haben,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0055"n="45"/><p>„Herze von 'ner Gans, kann ich denn was dafür?<lb/>
Gehe ich etwa aus freien Stücken? Muß ich nicht?<lb/>
habe ich nicht die Verpflichtung, wenigſtens einmal<lb/>
durchs Examen zu fallen, meinen guten Eltern zu<lb/>
Liebe? Wie gerne ich Dir zu Liebe hierbliebe,<lb/>
Tinchen, das weißt Du, alſo ſei ein gutes Mädchen<lb/>
und laß das dumme Gewimmer. Guck nur wie der<lb/>
Tapps, der Eduard guckt und ſich überlegt, was er<lb/>
zu Hauſe Alles erzählen kann! Da — haſt Du noch<lb/>
mal mein Taſchentuch, und nun blamire uns nicht<lb/>
länger in freier Luft. Glaubſt Du, daß darum der<lb/>
Herr Graf von der Lauſitz dieſen Wall aufgeworfen<lb/>
habe, daß Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen,<lb/>
von ihm herab ſich dem Neſt drunten von ſeiner<lb/>
weichſten Seite zeige? Bilde Dir das nicht ein.<lb/>
Bombardiren werde ich noch mal von ihm aus<lb/>
das Philiſterthum da unten, daß der kurſächſiſche<lb/>
Staberl-Xaverl ſich heute noch als balſamirtes Leder-<lb/>
und Knochenbündel in ſeiner Fürſtengruft darüber<lb/>
freuen ſoll. Komm mit, Eduard, da Du da biſt.<lb/>
Wir wollen endlich hinein ins Haus; denn nämlich,<lb/>
Eduard, nicht immer holt man draußen in der freien<lb/>
Luft am freiſten Athem, welche Erfahrung ich Dir,<lb/>
mein Junge, zu möglichem Gebrauche gern gratis<lb/>
überlaſſe. Dumme Witze verbitte ich mir natürlich,<lb/>
jetzt hier und nachher drunten in der Stadt im Kreiſe<lb/>
Deiner lieben Verwandten und nähern und weitern<lb/>
Bekannten. Wir Drei ſind alſo ganz allein auf der<lb/>
rothen Schanze? Wundervoll! Sag's Deinen Kötern<lb/>ſo eindringlich als möglich, was ſie zu thun haben,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[45/0055]
„Herze von 'ner Gans, kann ich denn was dafür?
Gehe ich etwa aus freien Stücken? Muß ich nicht?
habe ich nicht die Verpflichtung, wenigſtens einmal
durchs Examen zu fallen, meinen guten Eltern zu
Liebe? Wie gerne ich Dir zu Liebe hierbliebe,
Tinchen, das weißt Du, alſo ſei ein gutes Mädchen
und laß das dumme Gewimmer. Guck nur wie der
Tapps, der Eduard guckt und ſich überlegt, was er
zu Hauſe Alles erzählen kann! Da — haſt Du noch
mal mein Taſchentuch, und nun blamire uns nicht
länger in freier Luft. Glaubſt Du, daß darum der
Herr Graf von der Lauſitz dieſen Wall aufgeworfen
habe, daß Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen,
von ihm herab ſich dem Neſt drunten von ſeiner
weichſten Seite zeige? Bilde Dir das nicht ein.
Bombardiren werde ich noch mal von ihm aus
das Philiſterthum da unten, daß der kurſächſiſche
Staberl-Xaverl ſich heute noch als balſamirtes Leder-
und Knochenbündel in ſeiner Fürſtengruft darüber
freuen ſoll. Komm mit, Eduard, da Du da biſt.
Wir wollen endlich hinein ins Haus; denn nämlich,
Eduard, nicht immer holt man draußen in der freien
Luft am freiſten Athem, welche Erfahrung ich Dir,
mein Junge, zu möglichem Gebrauche gern gratis
überlaſſe. Dumme Witze verbitte ich mir natürlich,
jetzt hier und nachher drunten in der Stadt im Kreiſe
Deiner lieben Verwandten und nähern und weitern
Bekannten. Wir Drei ſind alſo ganz allein auf der
rothen Schanze? Wundervoll! Sag's Deinen Kötern
ſo eindringlich als möglich, was ſie zu thun haben,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/55>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.