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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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haben. Aber er war gut, herzensgut. Er versuchte
es wenigstens, seinen Eltern zu Liebe, sich in das
gedeihlichste Amt der Erde hinein zu hungern. "Was
thut man nicht, einer nicht nur verbohrten, sondern
auch verweinten Mama und einem wahrhaft wüthend
auf das nächstliegende beste Brodstudium für den
Herrn Sohn erpichten Alten gegenüber? Man will
doch dem Greisenpaar nicht die schönsten Hoffnungen
knicken. Und etwas wünschen die beiden guten Leute
doch auch dafür zu haben, daß sie Einen in diese
Welt voll abgenagter Knochen, trockner Brodrinden
und höchst gesunden, klaren, erquickenden und vor Allem
billigen Brunnenwassers hineingesetzt haben, Eduard!"

Eben von mir niedergeschriebene und von einem
treuen, herzlichen, kindlichen Gemüthe zeugende Eräuße-
rungen sind selbstverständlich auch eine Erinnerung. Er
tröstete sich nur von der Sekunda bis zum Abiturienten-
examen recht häufig damit. Aber damals -- an jenem
Tage des Abschiednehmens wenn nicht von der Jugend-
zeit, so doch von der Kinderzeit; an jenem Tage, wo
wir Beiden: ich und er, für lange, lange Zeit zum
letzten Male unter Störzers Hainbuche vor der rothen
Schanze standen, sagte er ganz was Anderes; er sagte:

"Da ist sie! Mitten unter ihrem Kriegsvolk.
Nun höre und sieh nur die Hunde, wie sie hier herüber
blaffen und uns die Zähne zeigen! Famose Köter!
wenn ich an irgend etwas im Leben meine Freude
habe, so sind sie es. Nu guck nur, wie gut sie die
Parole gefaßt haben, und wie sie es verstehen, alles
unnöthige Pack vom Tinchen Quakatz und von der

haben. Aber er war gut, herzensgut. Er verſuchte
es wenigſtens, ſeinen Eltern zu Liebe, ſich in das
gedeihlichſte Amt der Erde hinein zu hungern. „Was
thut man nicht, einer nicht nur verbohrten, ſondern
auch verweinten Mama und einem wahrhaft wüthend
auf das nächſtliegende beſte Brodſtudium für den
Herrn Sohn erpichten Alten gegenüber? Man will
doch dem Greiſenpaar nicht die ſchönſten Hoffnungen
knicken. Und etwas wünſchen die beiden guten Leute
doch auch dafür zu haben, daß ſie Einen in dieſe
Welt voll abgenagter Knochen, trockner Brodrinden
und höchſt geſunden, klaren, erquickenden und vor Allem
billigen Brunnenwaſſers hineingeſetzt haben, Eduard!“

Eben von mir niedergeſchriebene und von einem
treuen, herzlichen, kindlichen Gemüthe zeugende Eräuße-
rungen ſind ſelbſtverſtändlich auch eine Erinnerung. Er
tröſtete ſich nur von der Sekunda bis zum Abiturienten-
examen recht häufig damit. Aber damals — an jenem
Tage des Abſchiednehmens wenn nicht von der Jugend-
zeit, ſo doch von der Kinderzeit; an jenem Tage, wo
wir Beiden: ich und er, für lange, lange Zeit zum
letzten Male unter Störzers Hainbuche vor der rothen
Schanze ſtanden, ſagte er ganz was Anderes; er ſagte:

„Da iſt ſie! Mitten unter ihrem Kriegsvolk.
Nun höre und ſieh nur die Hunde, wie ſie hier herüber
blaffen und uns die Zähne zeigen! Famoſe Köter!
wenn ich an irgend etwas im Leben meine Freude
habe, ſo ſind ſie es. Nu guck nur, wie gut ſie die
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[39/0049] haben. Aber er war gut, herzensgut. Er verſuchte es wenigſtens, ſeinen Eltern zu Liebe, ſich in das gedeihlichſte Amt der Erde hinein zu hungern. „Was thut man nicht, einer nicht nur verbohrten, ſondern auch verweinten Mama und einem wahrhaft wüthend auf das nächſtliegende beſte Brodſtudium für den Herrn Sohn erpichten Alten gegenüber? Man will doch dem Greiſenpaar nicht die ſchönſten Hoffnungen knicken. Und etwas wünſchen die beiden guten Leute doch auch dafür zu haben, daß ſie Einen in dieſe Welt voll abgenagter Knochen, trockner Brodrinden und höchſt geſunden, klaren, erquickenden und vor Allem billigen Brunnenwaſſers hineingeſetzt haben, Eduard!“ Eben von mir niedergeſchriebene und von einem treuen, herzlichen, kindlichen Gemüthe zeugende Eräuße- rungen ſind ſelbſtverſtändlich auch eine Erinnerung. Er tröſtete ſich nur von der Sekunda bis zum Abiturienten- examen recht häufig damit. Aber damals — an jenem Tage des Abſchiednehmens wenn nicht von der Jugend- zeit, ſo doch von der Kinderzeit; an jenem Tage, wo wir Beiden: ich und er, für lange, lange Zeit zum letzten Male unter Störzers Hainbuche vor der rothen Schanze ſtanden, ſagte er ganz was Anderes; er ſagte: „Da iſt ſie! Mitten unter ihrem Kriegsvolk. Nun höre und ſieh nur die Hunde, wie ſie hier herüber blaffen und uns die Zähne zeigen! Famoſe Köter! wenn ich an irgend etwas im Leben meine Freude habe, ſo ſind ſie es. Nu guck nur, wie gut ſie die Parole gefaßt haben, und wie ſie es verſtehen, alles unnöthige Pack vom Tinchen Quakatz und von der

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/49>, abgerufen am 21.11.2024.