nach Hause und leg eine kalte Messerklinge drauf, Du Lump!' rufe ich nach. Ob er es noch vernommen hat, kann ich nicht sagen. Meine Meinung ist nach- her in mancher bangen Nacht und Stunde gewesen, daß er's nicht gehört haben kann. Es ist mir trotz meiner Wuth wohl etwas kurios, daß er mit seinem Kurs nicht auf der Straße nach Gleimeken- dorf bleibt, sondern rechts um, dort in den Wald- und Holzweg nach der rothen Schanze einbiegt, aber geachtet hab ich in meiner Wuth auch nicht weiter drauf, sondern bin nach Hause gegangen und habe bis nach Hause an meinem wunden Handgelenk ge- sogen wie ein geschlagenes Kind. Was nachher sich her- ausgestellt hat, Herr Schaumann, wissen Sie ja selber eben so gut als ich. Sie wissen, wie die Gäule auf dem Holzwege in den Schlenkerschritt gefallen sein müssen und auch wohl stundenlang ganz stille gehalten haben, bis sie sich auf dem Feldwege um Mitternacht nach Gleimekendorf auf ihren Hof und vor ihren Stall gefunden haben. Da kommen sie mit Laternen und gucken in den Wagen und finden Kienbaum im Stroh, und die Doktoren haben es herausgekriegt, daß es ein Schlag oder Wurf an die linke Schläfe gewesen sein muß, der das Unglück gemacht hat. Alles steht in den Akten ganz genau, nur ich nicht. Ich komme nur beiläufig darin vor, als wie Einer, den Kienbaum auch noch auf der Chaussee getroffen und mit dem er sich unterhalten hat. Ach Gott, Herr Schaumann, weshalb hat mich der Herrgott so ge- schaffen wie er mich geschaffen hat, wenn er mir dies
nach Hauſe und leg eine kalte Meſſerklinge drauf, Du Lump!‘ rufe ich nach. Ob er es noch vernommen hat, kann ich nicht ſagen. Meine Meinung iſt nach- her in mancher bangen Nacht und Stunde geweſen, daß er's nicht gehört haben kann. Es iſt mir trotz meiner Wuth wohl etwas kurios, daß er mit ſeinem Kurs nicht auf der Straße nach Gleimeken- dorf bleibt, ſondern rechts um, dort in den Wald- und Holzweg nach der rothen Schanze einbiegt, aber geachtet hab ich in meiner Wuth auch nicht weiter drauf, ſondern bin nach Hauſe gegangen und habe bis nach Hauſe an meinem wunden Handgelenk ge- ſogen wie ein geſchlagenes Kind. Was nachher ſich her- ausgeſtellt hat, Herr Schaumann, wiſſen Sie ja ſelber eben ſo gut als ich. Sie wiſſen, wie die Gäule auf dem Holzwege in den Schlenkerſchritt gefallen ſein müſſen und auch wohl ſtundenlang ganz ſtille gehalten haben, bis ſie ſich auf dem Feldwege um Mitternacht nach Gleimekendorf auf ihren Hof und vor ihren Stall gefunden haben. Da kommen ſie mit Laternen und gucken in den Wagen und finden Kienbaum im Stroh, und die Doktoren haben es herausgekriegt, daß es ein Schlag oder Wurf an die linke Schläfe geweſen ſein muß, der das Unglück gemacht hat. Alles ſteht in den Akten ganz genau, nur ich nicht. Ich komme nur beiläufig darin vor, als wie Einer, den Kienbaum auch noch auf der Chauſſee getroffen und mit dem er ſich unterhalten hat. Ach Gott, Herr Schaumann, weshalb hat mich der Herrgott ſo ge- ſchaffen wie er mich geſchaffen hat, wenn er mir dies
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nach Hauſe und leg eine kalte Meſſerklinge drauf,
Du Lump!‘ rufe ich nach. Ob er es noch vernommen
hat, kann ich nicht ſagen. Meine Meinung iſt nach-
her in mancher bangen Nacht und Stunde geweſen,
daß er's nicht gehört haben kann. Es iſt mir
trotz meiner Wuth wohl etwas kurios, daß er mit
ſeinem Kurs nicht auf der Straße nach Gleimeken-
dorf bleibt, ſondern rechts um, dort in den Wald-
und Holzweg nach der rothen Schanze einbiegt, aber
geachtet hab ich in meiner Wuth auch nicht weiter
drauf, ſondern bin nach Hauſe gegangen und habe
bis nach Hauſe an meinem wunden Handgelenk ge-
ſogen wie ein geſchlagenes Kind. Was nachher ſich her-
ausgeſtellt hat, Herr Schaumann, wiſſen Sie ja ſelber
eben ſo gut als ich. Sie wiſſen, wie die Gäule auf dem
Holzwege in den Schlenkerſchritt gefallen ſein müſſen
und auch wohl ſtundenlang ganz ſtille gehalten haben,
bis ſie ſich auf dem Feldwege um Mitternacht nach
Gleimekendorf auf ihren Hof und vor ihren Stall
gefunden haben. Da kommen ſie mit Laternen und
gucken in den Wagen und finden Kienbaum im
Stroh, und die Doktoren haben es herausgekriegt,
daß es ein Schlag oder Wurf an die linke Schläfe
geweſen ſein muß, der das Unglück gemacht hat.
Alles ſteht in den Akten ganz genau, nur ich nicht.
Ich komme nur beiläufig darin vor, als wie Einer,
den Kienbaum auch noch auf der Chauſſee getroffen
und mit dem er ſich unterhalten hat. Ach Gott, Herr
Schaumann, weshalb hat mich der Herrgott ſo ge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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