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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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Dieses Aufsehen, das wir machten, nahm zu,
je mehr wir uns der Stadt näherten und bürgerliche,
städtische Gruppen oder Einzelläufer als Abendspazier-
gänger uns entgegen kamen.

Einige Male wurden wir nun auch angehalten
und die verwunderte Frage: was ihn denn in die
Stadt treibe? wurde dem Freunde in Worten und
persönlichst nahe gelegt.

"Höflichkeitsgeschäfte! Mein Freund Eduard
fährt nach dem Kap der guten Hoffnung nach Hause,
und ich bringe ihn bloß ein bißchen auf den Weg.
Übrigens hat er auch heute Mittag bei mir gegessen."

Mehr als einmal vernahm ich dann das Wort:

"Ist es die Möglichkeit?" . . . .

War der Tag schön gewesen, so war der Abend
wundervoll. Tiefer Friede in der Natur, und die
Stadt still und reinlich! Es war immer ein Ge-
meinwesen gewesen, das auf Reinlichkeit, Ordnung,
grüne Bäume auf den Marktplätzen und in den
breiteren Straßen, auf sprudelnde Brunnen und was
sonst hierzu gehört, viel gehalten hatte. Auch die
Weltgeschichte, das heißt in diesem Falle der Prinz
Xaver von Sachsen mit seinem Bombardement und
nach ihm mehrere große Brände hatten das Ihrige
gethan, die Stadt dem laufenden Tage hübsch und
wohl erhalten zu überliefern, indem sie manch altes
Gerümpel aus dem Wege geräumt hatten. Es war,
alles in allem ein Gemeinwesen, in das man gern
Abends vom Felde und aus dem Walde nach Hause
kam, und in welchem man dreist die Fenster öffnen

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Dieſes Aufſehen, das wir machten, nahm zu,
je mehr wir uns der Stadt näherten und bürgerliche,
ſtädtiſche Gruppen oder Einzelläufer als Abendſpazier-
gänger uns entgegen kamen.

Einige Male wurden wir nun auch angehalten
und die verwunderte Frage: was ihn denn in die
Stadt treibe? wurde dem Freunde in Worten und
perſönlichſt nahe gelegt.

„Höflichkeitsgeſchäfte! Mein Freund Eduard
fährt nach dem Kap der guten Hoffnung nach Hauſe,
und ich bringe ihn bloß ein bißchen auf den Weg.
Übrigens hat er auch heute Mittag bei mir gegeſſen.“

Mehr als einmal vernahm ich dann das Wort:

„Iſt es die Möglichkeit?“ . . . .

War der Tag ſchön geweſen, ſo war der Abend
wundervoll. Tiefer Friede in der Natur, und die
Stadt ſtill und reinlich! Es war immer ein Ge-
meinweſen geweſen, das auf Reinlichkeit, Ordnung,
grüne Bäume auf den Marktplätzen und in den
breiteren Straßen, auf ſprudelnde Brunnen und was
ſonſt hierzu gehört, viel gehalten hatte. Auch die
Weltgeſchichte, das heißt in dieſem Falle der Prinz
Xaver von Sachſen mit ſeinem Bombardement und
nach ihm mehrere große Brände hatten das Ihrige
gethan, die Stadt dem laufenden Tage hübſch und
wohl erhalten zu überliefern, indem ſie manch altes
Gerümpel aus dem Wege geräumt hatten. Es war,
alles in allem ein Gemeinweſen, in das man gern
Abends vom Felde und aus dem Walde nach Hauſe
kam, und in welchem man dreiſt die Fenſter öffnen

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[211/0221] Dieſes Aufſehen, das wir machten, nahm zu, je mehr wir uns der Stadt näherten und bürgerliche, ſtädtiſche Gruppen oder Einzelläufer als Abendſpazier- gänger uns entgegen kamen. Einige Male wurden wir nun auch angehalten und die verwunderte Frage: was ihn denn in die Stadt treibe? wurde dem Freunde in Worten und perſönlichſt nahe gelegt. „Höflichkeitsgeſchäfte! Mein Freund Eduard fährt nach dem Kap der guten Hoffnung nach Hauſe, und ich bringe ihn bloß ein bißchen auf den Weg. Übrigens hat er auch heute Mittag bei mir gegeſſen.“ Mehr als einmal vernahm ich dann das Wort: „Iſt es die Möglichkeit?“ . . . . War der Tag ſchön geweſen, ſo war der Abend wundervoll. Tiefer Friede in der Natur, und die Stadt ſtill und reinlich! Es war immer ein Ge- meinweſen geweſen, das auf Reinlichkeit, Ordnung, grüne Bäume auf den Marktplätzen und in den breiteren Straßen, auf ſprudelnde Brunnen und was ſonſt hierzu gehört, viel gehalten hatte. Auch die Weltgeſchichte, das heißt in dieſem Falle der Prinz Xaver von Sachſen mit ſeinem Bombardement und nach ihm mehrere große Brände hatten das Ihrige gethan, die Stadt dem laufenden Tage hübſch und wohl erhalten zu überliefern, indem ſie manch altes Gerümpel aus dem Wege geräumt hatten. Es war, alles in allem ein Gemeinweſen, in das man gern Abends vom Felde und aus dem Walde nach Hauſe kam, und in welchem man dreiſt die Fenſter öffnen 14*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/221>, abgerufen am 27.11.2024.