Durst selbstverständlich gar nicht mitgerechnet. Unter der Hecke noch hatte ich mir schon als Junge fest vorgenommen, nur bei ähnlichen, oder vielmehr nur bei gleichen Kesseln, Pfannen, Töpfen und Bratenwen- dern auch einmal ein Mädchen glücklich zu machen! Jetzt war ich so weit und konnte die Gegend einladen, mir über die Hecke bei dem Vergnügen zuzusehen. Tinchens Meinung war das so; aber nicht die mei- nige, und das bräutliche Kind gab nach, wenn auch seufzend: ,Aber es hat ja Keiner das um uns ver- dient!' -- ,Grade deshalb,' sprach ich, ,einen Spaß will doch der Mensch an seinem ernsten Hochzeitstage haben, also laß mir dies Vergnügen. Und dann sollst Du mal sehen: der Scherz lohnt sich zugleich und hat Folgen.' -- ,Du meinst, sie vergeben uns nachher das Leid, das sie uns angethan haben, und die rothe Schanze darf sich wieder sehen lassen unter den Leuten?' -- Auf diese lächerliche Frage antwortete ich gar nicht; sie war zu entschuldigen, aber zeugte doch von allzuwenig Menschenkenntniß. Ich wusch, wie Euer Ketschwayo sich ausgedrückt haben würde, Eduard, meine Speere in den Eingeweiden der um- wohnenden feindlichen Stämme: frei Futter wurde für den Tag ausgerufen, so weit das Gerücht von Kienbaum und Kienbaums Mörder gereicht hatte, und ich habe sie Alle, oder doch beinahe Alle, auf Quakatzens Hofe gehabt an dem menschenfreund- lichsten Tage meines Lebens. Sie haben uns Alle, bis auf Wenige, welche ich für magenkrank hielt, die Ehre gegeben: der Fleischtopf rief, und Alle, Alle
Durſt ſelbſtverſtändlich gar nicht mitgerechnet. Unter der Hecke noch hatte ich mir ſchon als Junge feſt vorgenommen, nur bei ähnlichen, oder vielmehr nur bei gleichen Keſſeln, Pfannen, Töpfen und Bratenwen- dern auch einmal ein Mädchen glücklich zu machen! Jetzt war ich ſo weit und konnte die Gegend einladen, mir über die Hecke bei dem Vergnügen zuzuſehen. Tinchens Meinung war das ſo; aber nicht die mei- nige, und das bräutliche Kind gab nach, wenn auch ſeufzend: ‚Aber es hat ja Keiner das um uns ver- dient!‘ — ‚Grade deshalb,‘ ſprach ich, ‚einen Spaß will doch der Menſch an ſeinem ernſten Hochzeitstage haben, alſo laß mir dies Vergnügen. Und dann ſollſt Du mal ſehen: der Scherz lohnt ſich zugleich und hat Folgen.‘ — ‚Du meinſt, ſie vergeben uns nachher das Leid, das ſie uns angethan haben, und die rothe Schanze darf ſich wieder ſehen laſſen unter den Leuten?‘ — Auf dieſe lächerliche Frage antwortete ich gar nicht; ſie war zu entſchuldigen, aber zeugte doch von allzuwenig Menſchenkenntniß. Ich wuſch, wie Euer Ketſchwayo ſich ausgedrückt haben würde, Eduard, meine Speere in den Eingeweiden der um- wohnenden feindlichen Stämme: frei Futter wurde für den Tag ausgerufen, ſo weit das Gerücht von Kienbaum und Kienbaums Mörder gereicht hatte, und ich habe ſie Alle, oder doch beinahe Alle, auf Quakatzens Hofe gehabt an dem menſchenfreund- lichſten Tage meines Lebens. Sie haben uns Alle, bis auf Wenige, welche ich für magenkrank hielt, die Ehre gegeben: der Fleiſchtopf rief, und Alle, Alle
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[192/0202]
Durſt ſelbſtverſtändlich gar nicht mitgerechnet. Unter
der Hecke noch hatte ich mir ſchon als Junge feſt
vorgenommen, nur bei ähnlichen, oder vielmehr nur
bei gleichen Keſſeln, Pfannen, Töpfen und Bratenwen-
dern auch einmal ein Mädchen glücklich zu machen!
Jetzt war ich ſo weit und konnte die Gegend einladen,
mir über die Hecke bei dem Vergnügen zuzuſehen.
Tinchens Meinung war das ſo; aber nicht die mei-
nige, und das bräutliche Kind gab nach, wenn auch
ſeufzend: ‚Aber es hat ja Keiner das um uns ver-
dient!‘ — ‚Grade deshalb,‘ ſprach ich, ‚einen Spaß
will doch der Menſch an ſeinem ernſten Hochzeitstage
haben, alſo laß mir dies Vergnügen. Und dann ſollſt
Du mal ſehen: der Scherz lohnt ſich zugleich und hat
Folgen.‘ — ‚Du meinſt, ſie vergeben uns nachher das
Leid, das ſie uns angethan haben, und die rothe
Schanze darf ſich wieder ſehen laſſen unter den
Leuten?‘ — Auf dieſe lächerliche Frage antwortete
ich gar nicht; ſie war zu entſchuldigen, aber zeugte
doch von allzuwenig Menſchenkenntniß. Ich wuſch,
wie Euer Ketſchwayo ſich ausgedrückt haben würde,
Eduard, meine Speere in den Eingeweiden der um-
wohnenden feindlichen Stämme: frei Futter wurde
für den Tag ausgerufen, ſo weit das Gerücht von
Kienbaum und Kienbaums Mörder gereicht hatte,
und ich habe ſie Alle, oder doch beinahe Alle, auf
Quakatzens Hofe gehabt an dem menſchenfreund-
lichſten Tage meines Lebens. Sie haben uns Alle,
bis auf Wenige, welche ich für magenkrank hielt, die
Ehre gegeben: der Fleiſchtopf rief, und Alle, Alle
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/202>, abgerufen am 23.11.2024.
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