und den Prinzen Xaver und die rothe Schanze machen konnte, das ist gemacht worden. Was, Tine Schau- mann? wie, Tine Quakatz? Für Dich, armen, zerzausten Spatz ließ mich die Weltentwickelung unter der Hecke in der Sonne liegen und auf der Studentenbude im Schatten und Tabacksgewölk. Um Dich, Himmlische, nach Deinem vollen Werthe zu erkennen, machte es mir für sechs Semester einen Platz am Freitische der Univer- sitas litterarum aus. Fasse es ganz, Eduard, Stopf- kuchen am Freitische! Das alte Mädchen da neben Dir schiebt ihr Entsetzen in jener stürmischen Winternacht auf alles Mögliche, nur nicht auf das Richtige, nämlich auf den Knochenfinger, mit welchem ich an ihren Fensterladen pochte. Laß Du Dir mal, um Mitternacht in Afrika, von Freund Hein an den Laden klopfen und erschrick nicht vor seinem dürren Knöchel! Hat mich nicht das Studiren meines eigenen Knochengerüstes im achten Semester auf meine jetzige Liebhaberei gebracht? Hat mir nicht mein sogenanntes Brotstudium die fürchterlichst günstigste gute Gelegenheit geboten, das vorsintflut- lichste Riesenfaulthier wissenschaftlich einwandsfrei tadel- los zu rekonstruiren? Auf diese Wissenschaft hin hätte ich freilich Doktor werden können; aber -- schweigen wir davon, die Erinnerung an das Studiren greift mich heute noch zu sehr an! . . . Als ich wieder zu Hause ankam, roch es hinter mir ganz verdammt nach verbrannten Schiffen, und zwar nach meinen eigenen. Ich wußte es ganz genau, daß ich weder das Katheder, noch die Kanzel und den Richterstuhl
und den Prinzen Xaver und die rothe Schanze machen konnte, das iſt gemacht worden. Was, Tine Schau- mann? wie, Tine Quakatz? Für Dich, armen, zerzauſten Spatz ließ mich die Weltentwickelung unter der Hecke in der Sonne liegen und auf der Studentenbude im Schatten und Tabacksgewölk. Um Dich, Himmliſche, nach Deinem vollen Werthe zu erkennen, machte es mir für ſechs Semeſter einen Platz am Freitiſche der Univer- sitas litterarum aus. Faſſe es ganz, Eduard, Stopf- kuchen am Freitiſche! Das alte Mädchen da neben Dir ſchiebt ihr Entſetzen in jener ſtürmiſchen Winternacht auf alles Mögliche, nur nicht auf das Richtige, nämlich auf den Knochenfinger, mit welchem ich an ihren Fenſterladen pochte. Laß Du Dir mal, um Mitternacht in Afrika, von Freund Hein an den Laden klopfen und erſchrick nicht vor ſeinem dürren Knöchel! Hat mich nicht das Studiren meines eigenen Knochengerüſtes im achten Semeſter auf meine jetzige Liebhaberei gebracht? Hat mir nicht mein ſogenanntes Brotſtudium die fürchterlichſt günſtigſte gute Gelegenheit geboten, das vorſintflut- lichſte Rieſenfaulthier wiſſenſchaftlich einwandsfrei tadel- los zu rekonſtruiren? Auf dieſe Wiſſenſchaft hin hätte ich freilich Doktor werden können; aber — ſchweigen wir davon, die Erinnerung an das Studiren greift mich heute noch zu ſehr an! . . . Als ich wieder zu Hauſe ankam, roch es hinter mir ganz verdammt nach verbrannten Schiffen, und zwar nach meinen eigenen. Ich wußte es ganz genau, daß ich weder das Katheder, noch die Kanzel und den Richterſtuhl
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und den Prinzen Xaver und die rothe Schanze machen
konnte, das iſt gemacht worden. Was, Tine Schau-
mann? wie, Tine Quakatz? Für Dich, armen, zerzauſten
Spatz ließ mich die Weltentwickelung unter der Hecke
in der Sonne liegen und auf der Studentenbude im
Schatten und Tabacksgewölk. Um Dich, Himmliſche,
nach Deinem vollen Werthe zu erkennen, machte es mir
für ſechs Semeſter einen Platz am Freitiſche der Univer-
sitas litterarum aus. Faſſe es ganz, Eduard, Stopf-
kuchen am Freitiſche! Das alte Mädchen da neben Dir
ſchiebt ihr Entſetzen in jener ſtürmiſchen Winternacht
auf alles Mögliche, nur nicht auf das Richtige,
nämlich auf den Knochenfinger, mit welchem ich
an ihren Fenſterladen pochte. Laß Du Dir mal,
um Mitternacht in Afrika, von Freund Hein an
den Laden klopfen und erſchrick nicht vor ſeinem
dürren Knöchel! Hat mich nicht das Studiren
meines eigenen Knochengerüſtes im achten Semeſter
auf meine jetzige Liebhaberei gebracht? Hat mir
nicht mein ſogenanntes Brotſtudium die fürchterlichſt
günſtigſte gute Gelegenheit geboten, das vorſintflut-
lichſte Rieſenfaulthier wiſſenſchaftlich einwandsfrei tadel-
los zu rekonſtruiren? Auf dieſe Wiſſenſchaft hin hätte
ich freilich Doktor werden können; aber — ſchweigen
wir davon, die Erinnerung an das Studiren greift
mich heute noch zu ſehr an! . . . Als ich wieder zu
Hauſe ankam, roch es hinter mir ganz verdammt
nach verbrannten Schiffen, und zwar nach meinen
eigenen. Ich wußte es ganz genau, daß ich weder
das Katheder, noch die Kanzel und den Richterſtuhl
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/186>, abgerufen am 23.11.2024.
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