und -- Eduard hat ja heute bei uns gegessen und wird mir also einmal in seinem Leben beistimmen -- vor allem an Deiner Küchenschürze! Ja, lieber Eduard, kein Winkel im Hause, kein Fleckchen im Garten, kein Mauerwerk, keine Bank, kein Busch und Baum und, wieder vor allem, kein Viehzeug auf der rothen Schanze, die nicht allgemach ein lieber Schein und Schimmer überlief aus dem Robinson, aus dem Ferdinand Freiligrath, aus den Gebrüdern Grimm, dem Hans Christian Andersen und dem alten Musäus! Ich war feist und faul; aber doch nun gerade, euch Allen zum Trotz, noch vor meiner Kenntnißnahme des Weisen von Frankfurts bester Table d'hote ein Poet ersten Ranges: der Begriff war mir garnichts; ich nahm Alles unter der Hecke weg, mit dem Sonnenschein des Daseins warm auf dem Bauche, aus der Anschauung! Es zog Einer den Andern in seine Kreise oder vielmehr in seinen Kreis: Tinchen mich, ich Tinchen. Aber an dem Tage, an welchem auch der Papa Quakatz hinter mir zum erstenmal fragte: ,Wie war die Geschichte, Junge?' da hatte ich ihn ebenfalls beim Wickel. Erinnerst Du Dich noch, Valentine? Es war die Geschichte von den beiden unüberwindlichen, kugelrunden Müllern, die sein Interesse erweckte. Ja, dahin hatte es die Welt mit ihm und Kienbaums Morde gebracht, daß er auch so Einer hätte sein, und so sich wappnen mögen. Ein Wamms mit Kalk und Sand und, zur Ver- bindung, mit geschmolzenem Pech gefüttert, hinten und vorn beblecht mit alten Reibeisen und Topfdeckeln,
und — Eduard hat ja heute bei uns gegeſſen und wird mir alſo einmal in ſeinem Leben beiſtimmen — vor allem an Deiner Küchenſchürze! Ja, lieber Eduard, kein Winkel im Hauſe, kein Fleckchen im Garten, kein Mauerwerk, keine Bank, kein Buſch und Baum und, wieder vor allem, kein Viehzeug auf der rothen Schanze, die nicht allgemach ein lieber Schein und Schimmer überlief aus dem Robinſon, aus dem Ferdinand Freiligrath, aus den Gebrüdern Grimm, dem Hans Chriſtian Anderſen und dem alten Muſäus! Ich war feiſt und faul; aber doch nun gerade, euch Allen zum Trotz, noch vor meiner Kenntnißnahme des Weiſen von Frankfurts beſter Table d'hote ein Poet erſten Ranges: der Begriff war mir garnichts; ich nahm Alles unter der Hecke weg, mit dem Sonnenſchein des Daſeins warm auf dem Bauche, aus der Anſchauung! Es zog Einer den Andern in ſeine Kreiſe oder vielmehr in ſeinen Kreis: Tinchen mich, ich Tinchen. Aber an dem Tage, an welchem auch der Papa Quakatz hinter mir zum erſtenmal fragte: ‚Wie war die Geſchichte, Junge?‘ da hatte ich ihn ebenfalls beim Wickel. Erinnerſt Du Dich noch, Valentine? Es war die Geſchichte von den beiden unüberwindlichen, kugelrunden Müllern, die ſein Intereſſe erweckte. Ja, dahin hatte es die Welt mit ihm und Kienbaums Morde gebracht, daß er auch ſo Einer hätte ſein, und ſo ſich wappnen mögen. Ein Wamms mit Kalk und Sand und, zur Ver- bindung, mit geſchmolzenem Pech gefüttert, hinten und vorn beblecht mit alten Reibeiſen und Topfdeckeln,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0166"n="156"/>
und — Eduard hat ja heute bei uns gegeſſen und<lb/>
wird mir alſo einmal in ſeinem Leben beiſtimmen —<lb/>
vor allem an Deiner Küchenſchürze! Ja, lieber<lb/>
Eduard, kein Winkel im Hauſe, kein Fleckchen im<lb/>
Garten, kein Mauerwerk, keine Bank, kein Buſch und<lb/>
Baum und, wieder vor allem, kein Viehzeug auf der<lb/>
rothen Schanze, die nicht allgemach ein lieber Schein<lb/>
und Schimmer überlief aus dem Robinſon, aus dem<lb/>
Ferdinand Freiligrath, aus den Gebrüdern Grimm,<lb/>
dem Hans Chriſtian Anderſen und dem alten Muſäus!<lb/>
Ich war feiſt und faul; aber doch nun gerade, euch<lb/>
Allen zum Trotz, noch vor meiner Kenntnißnahme<lb/>
des Weiſen von Frankfurts beſter Table d'hote ein<lb/>
Poet erſten Ranges: der Begriff war mir garnichts;<lb/>
ich nahm Alles unter der Hecke weg, mit dem<lb/>
Sonnenſchein des Daſeins warm auf dem Bauche,<lb/>
aus der Anſchauung! Es zog Einer den Andern in<lb/>ſeine Kreiſe oder vielmehr in ſeinen Kreis: Tinchen<lb/>
mich, ich Tinchen. Aber an dem Tage, an welchem<lb/>
auch der Papa Quakatz hinter mir zum erſtenmal<lb/>
fragte: ‚Wie war die Geſchichte, Junge?‘ da hatte<lb/>
ich ihn ebenfalls beim Wickel. Erinnerſt Du Dich<lb/>
noch, Valentine? Es war die Geſchichte von den<lb/>
beiden unüberwindlichen, kugelrunden Müllern, die<lb/>ſein Intereſſe erweckte. Ja, dahin hatte es die Welt<lb/>
mit ihm und Kienbaums Morde gebracht, daß er<lb/>
auch ſo Einer hätte ſein, und ſo ſich wappnen mögen.<lb/>
Ein Wamms mit Kalk und Sand und, zur Ver-<lb/>
bindung, mit geſchmolzenem Pech gefüttert, hinten<lb/>
und vorn beblecht mit alten Reibeiſen und Topfdeckeln,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[156/0166]
und — Eduard hat ja heute bei uns gegeſſen und
wird mir alſo einmal in ſeinem Leben beiſtimmen —
vor allem an Deiner Küchenſchürze! Ja, lieber
Eduard, kein Winkel im Hauſe, kein Fleckchen im
Garten, kein Mauerwerk, keine Bank, kein Buſch und
Baum und, wieder vor allem, kein Viehzeug auf der
rothen Schanze, die nicht allgemach ein lieber Schein
und Schimmer überlief aus dem Robinſon, aus dem
Ferdinand Freiligrath, aus den Gebrüdern Grimm,
dem Hans Chriſtian Anderſen und dem alten Muſäus!
Ich war feiſt und faul; aber doch nun gerade, euch
Allen zum Trotz, noch vor meiner Kenntnißnahme
des Weiſen von Frankfurts beſter Table d'hote ein
Poet erſten Ranges: der Begriff war mir garnichts;
ich nahm Alles unter der Hecke weg, mit dem
Sonnenſchein des Daſeins warm auf dem Bauche,
aus der Anſchauung! Es zog Einer den Andern in
ſeine Kreiſe oder vielmehr in ſeinen Kreis: Tinchen
mich, ich Tinchen. Aber an dem Tage, an welchem
auch der Papa Quakatz hinter mir zum erſtenmal
fragte: ‚Wie war die Geſchichte, Junge?‘ da hatte
ich ihn ebenfalls beim Wickel. Erinnerſt Du Dich
noch, Valentine? Es war die Geſchichte von den
beiden unüberwindlichen, kugelrunden Müllern, die
ſein Intereſſe erweckte. Ja, dahin hatte es die Welt
mit ihm und Kienbaums Morde gebracht, daß er
auch ſo Einer hätte ſein, und ſo ſich wappnen mögen.
Ein Wamms mit Kalk und Sand und, zur Ver-
bindung, mit geſchmolzenem Pech gefüttert, hinten
und vorn beblecht mit alten Reibeiſen und Topfdeckeln,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/166>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.