"Ja, guck nur," sagte er. "Hier kannst Du es richtig sehen, wie sie mich gegen den Strich zu kämmen pflegt. Nichts als meinen Koprolithenschrank habe ich hier hereinschmuggeln können. Da steht er in der Ecke und da sitzt sie Dir gegenüber und erwartet, daß Du ihr Deine Komplimente über ihren guten Geschmack machst. Sie hat den Raum von ihren Jugenderinnerungen gründlich gereinigt haben wollen, und der Schatz hat das Recht dazu gehabt. Erfreuliches hing nicht an den Wänden, stand nicht umher -- diesen Eßtisch ausgenommen -- und verkroch sich noch weniger in den Winkeln. Wir haben aber den väter- lichen und urväterlichen Hausrath vom Quakatzenhof nicht verauktionirt. Wir haben ihn den Flammen übergeben, theilweise auf dem Küchenherde, zum größten Theil aber da draußen unter den Lindenbäumen. Da haben wir ein Feuer angezündet, am schönen Sommer- tage im Sonnenschein zwischen zehn und elf Uhr Morgens. Da haben wir den alten wüsten Wust in die reinen blauen Lüfte geschickt. O, wie haben wir alle süßen, heimlichen, sentimentalen Gemüths- stimmungen auf den Kopf gestellt! Ei ja, wie haben wir die rothe Schanze durch Feuer von ihrer Krankheit geheilt! Sieh, Eduard, wie das Kind sich heute noch ihrer, wie die Leute umher sagten: unzurechnungs- fähigen, grenzenlosen Herzlosigkeit freut -- diese Mord- brennerin. Sieht sie aus, als ob sie sich durch das Auf- wärmen ihrer eigensten That jetzt noch den Appetit verderben lassen würde?"
So sah sie wahrlich nicht aus! Frau Valentine
„Ja, guck nur,“ ſagte er. „Hier kannſt Du es richtig ſehen, wie ſie mich gegen den Strich zu kämmen pflegt. Nichts als meinen Koprolithenſchrank habe ich hier hereinſchmuggeln können. Da ſteht er in der Ecke und da ſitzt ſie Dir gegenüber und erwartet, daß Du ihr Deine Komplimente über ihren guten Geſchmack machſt. Sie hat den Raum von ihren Jugenderinnerungen gründlich gereinigt haben wollen, und der Schatz hat das Recht dazu gehabt. Erfreuliches hing nicht an den Wänden, ſtand nicht umher — dieſen Eßtiſch ausgenommen — und verkroch ſich noch weniger in den Winkeln. Wir haben aber den väter- lichen und urväterlichen Hausrath vom Quakatzenhof nicht verauktionirt. Wir haben ihn den Flammen übergeben, theilweiſe auf dem Küchenherde, zum größten Theil aber da draußen unter den Lindenbäumen. Da haben wir ein Feuer angezündet, am ſchönen Sommer- tage im Sonnenſchein zwiſchen zehn und elf Uhr Morgens. Da haben wir den alten wüſten Wuſt in die reinen blauen Lüfte geſchickt. O, wie haben wir alle ſüßen, heimlichen, ſentimentalen Gemüths- ſtimmungen auf den Kopf geſtellt! Ei ja, wie haben wir die rothe Schanze durch Feuer von ihrer Krankheit geheilt! Sieh, Eduard, wie das Kind ſich heute noch ihrer, wie die Leute umher ſagten: unzurechnungs- fähigen, grenzenloſen Herzloſigkeit freut — dieſe Mord- brennerin. Sieht ſie aus, als ob ſie ſich durch das Auf- wärmen ihrer eigenſten That jetzt noch den Appetit verderben laſſen würde?“
So ſah ſie wahrlich nicht aus! Frau Valentine
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„Ja, guck nur,“ ſagte er. „Hier kannſt Du es
richtig ſehen, wie ſie mich gegen den Strich zu kämmen
pflegt. Nichts als meinen Koprolithenſchrank habe
ich hier hereinſchmuggeln können. Da ſteht er in
der Ecke und da ſitzt ſie Dir gegenüber und erwartet,
daß Du ihr Deine Komplimente über ihren guten
Geſchmack machſt. Sie hat den Raum von ihren
Jugenderinnerungen gründlich gereinigt haben wollen,
und der Schatz hat das Recht dazu gehabt. Erfreuliches
hing nicht an den Wänden, ſtand nicht umher —
dieſen Eßtiſch ausgenommen — und verkroch ſich noch
weniger in den Winkeln. Wir haben aber den väter-
lichen und urväterlichen Hausrath vom Quakatzenhof
nicht verauktionirt. Wir haben ihn den Flammen
übergeben, theilweiſe auf dem Küchenherde, zum größten
Theil aber da draußen unter den Lindenbäumen. Da
haben wir ein Feuer angezündet, am ſchönen Sommer-
tage im Sonnenſchein zwiſchen zehn und elf Uhr
Morgens. Da haben wir den alten wüſten Wuſt
in die reinen blauen Lüfte geſchickt. O, wie haben
wir alle ſüßen, heimlichen, ſentimentalen Gemüths-
ſtimmungen auf den Kopf geſtellt! Ei ja, wie haben
wir die rothe Schanze durch Feuer von ihrer Krankheit
geheilt! Sieh, Eduard, wie das Kind ſich heute noch
ihrer, wie die Leute umher ſagten: unzurechnungs-
fähigen, grenzenloſen Herzloſigkeit freut — dieſe Mord-
brennerin. Sieht ſie aus, als ob ſie ſich durch das Auf-
wärmen ihrer eigenſten That jetzt noch den Appetit
verderben laſſen würde?“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/111>, abgerufen am 24.11.2024.
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